Unterfluoridierung – Das neue Problem in der Kinderzahnheilkunde

Dr. Dr. med. dent. Thea Lingohr MSc., Zahnärztin und Oralchirurgin aus Köln und Inhaberin der Zahnarztpraxis Dr. Dr. Lingohr & Kollegen
Dr. Dr. med. dent. Thea Lingohr MSc., Zahnärztin und Oralchirurgin aus Köln und Inhaberin der Zahnarztpraxis Dr. Dr. Lingohr & Kollegen (Bild: Praxis Dr. Dr. Lingohr & Kollegen_Fotograf Ralf Baumgarten)

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Köln – Karius und Baktus – diese beiden Zahntrolle kennt fast jedes Kind. Waren sie doch die kindgerecht verpackte Ermahnung, sich zum Schutz vor Löchern immer brav die Zähne zu putzen. „Viel mehr als Kinder müssen jedoch die Eltern bei der Kariesprophylaxe ein wachsames Auge beweisen und sollten nicht jeden Trend mitmachen“, verrät Dr. Dr. med. dent. Thea Lingohr MSc., Zahnärztin und Oralchirurgin aus Köln und Inhaberin der Zahnarztpraxis Dr. Dr. Lingohr & Kollegen, und ergänzt: „Denn leider wenden sich manch gut gemeinte Maßnahmen ins komplette Gegenteil.“

Generationen der Extreme

Konkret meint die Zahnärztin dabei das Thema Fluoridierung. Beim Fluorid handelt es sich um ein natürliches Mineral, das die Zähne stärkt. Es besitzt eine antibakterielle Wirkung und verlangsamt so den Stoffwechsel von Zucker im Mund, der zu Plaque und zu Karies führt. Seine wichtigsten Eigenschaften sind die Festigung des Zahnschmelzes im Allgemeinen und seine Unterstützung bei der täglichen Remineralisierung. Doch Fluorid kann nur wirken, wenn es in ausreichendem Maße in der Mundflora vorhanden ist. „Vor Jahren haben viele Eltern, in dem Wunsch, die Zähne ihrer Kinder ganz besonders zu stärken, den Fehler gemacht, zu viel fluoridhaltige Produkte anzuwenden. Nach dem Gedanken: Viel hilft viel. Doch leider stimmt das nur bedingt. Bei einer Überfluoridierung kommt es zu unschönen weißen Flecken auf den Zähnen. Diese Erkenntnis sowie der Wunsch vieler junger Eltern, auf Zusätze in Sinne eines nachhaltigen und ökologischen Lebenswandels ganz zu verzichten, hat wiederum nun zu einem anderen Extrem geführt. In den letzten Jahren treten Karieserkrankungen bei Kleinkindern wieder häufiger auf, da auf die Zugabe von Fluorid ganz verzichtet wird.“

Natürliche Quellen decken den Bedarf nicht

Völlig auf die Zugabe von Fluorid bei Kinderzähnen zu verzichten ist folglich nicht vorteilhaft, ganz im Gegenteil. Tägliche Mahlzeiten setzen Stoffwechselprozesse in den Zähnen in Gang. Das gilt insbesondere für zucker- und säurehaltige Lebensmittel, aber auch für gesunde. Diese sogenannte Demineralisierung löst Mineralien aus dem Zahnschmelz. Zwar unterstützt der Speichel die Regeneration, doch muss der Fluoridhaushalt im Mund regelmäßig aufgefüllt werden. Hier allein auf fluoridhaltiges Wasser, Milch, Eier oder Fisch zu setzen, deckt den Bedarf jedoch absolut nicht ab. Zum Vergleich: Fluoridzahnpasta für Erwachsene enthält um die 1.000 Milligramm Fluorid pro Kilo, in den meisten Lebensmitteln ist jedoch nicht mehr als 1 Milligramm pro Kilo enthalten und welches Kind verzehrt Kilogramm-Mengen an Lebensmitteln?

Mit Bedacht die goldene Mitte finden

Fluorid bei der Zahnpflege zuzuführen, ist entsprechend notwendig, um die Entwicklung und Stärkung der Zähne optimal zu unterstützen. „Hier sind die Eltern gefragt. Sie müssen im Auge behalten, wie sie Fluorid zuführen, damit es weder zu einer Überfluoridierung noch zu einer Unterfluoridierung kommt“, verdeutlicht Dr. Dr. Lingohr. Mit Erscheinen der ersten Milchzähne, meistens ab dem sechsten Monat, fängt die Zahnpflege an und sollte durch regelmäßige Besuche beim Zahnarzt begleitet werden. „Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen liegt der empfohlene Fluoridanteil bei 1.000 ppm. Bei zweimaliger Pflege pro Tag sollte dabei jeweils eine reiskorngroße Menge Zahnpasta verwendet werden. Alternativ ist jedoch auch die Anwendung mit 500 ppm bei erbsengroßer Menge nach wie vor möglich.“ Ab dem zweiten Lebensjahr sollten Eltern dann auch bei 1.000 pm auf eine erbsengroße Menge umsteigen. Wer zu einer fluoridhaltigen Zahnpasta noch fluoridiertes Salz verwendet, deckt den Bedarf seines Kindes in der Regel ausreichend ab. „Weitere Maßnahmen, wie Mundspüllösungen, Tabletten oder Gele, sollten nach Absprache mit einem Zahnarzt eingesetzt werden.“

Weitere Informationen unter www.dr-lingohr.de