Scholz plant Raketenschutzschild für Deutschland

Bundeskanzler Olaf Scholz war in der ARD-Sendung «Anne Will» zu Gast.
Bundeskanzler Olaf Scholz war in der ARD-Sendung «Anne Will» zu Gast. (Bild: Wolfgang Borrs/NDR/dpa)

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100 Milliarden Euro will die Bundesregierung zusätzlich in die Verteidigung investieren. Jetzt zeichnet sich ein erstes großes Rüstungsprojekt ab, für das ein Teil des Geldes verwendet werden könnte.

Berlin (dpa) – Bundeskanzler Olaf Scholz erwägt die Errichtung eines Raketenschutzschilds für ganz Deutschland nach israelischem Vorbild.

«Das gehört ganz sicher zu den Dingen, die wir beraten, aus gutem Grund», sagte der SPD-Politiker in der ARD-Sendung «Anne Will» auf die Frage, ob ein Schutzschirm gegen Raketenangriffe wie in Israel über das Land gespannt werden soll.

Zur Begründung des möglichen Milliardenprojekts sagte er mit Blick auf Russland: «Wir müssen uns alle darauf vorbereiten, dass wir einen Nachbarn haben, der gegenwärtig bereit ist, Gewalt anzuwenden, um seine Interessen durchzusetzen. Deswegen müssen wir uns gemeinsam so stark machen, dass das unterbleibt.»

Zu den Details wollte Scholz sich aber noch nicht äußern. «Ich habe mir vorgenommen, jetzt nicht die Einzelheiten eines noch nicht zu Ende abschließend beratenen Plans hier auszuplaudern.»

«Arrow 3» kann Raketen in Stratosphäre zerstören

Über den Plan hatte die «Bild am Sonntag» zuvor berichtet. Danach wird die Anschaffung des israelischen Systems «Arrow 3» erwogen. Es ist in der Lage, Langstreckenraketen sehr hoch über der Erde zu zerstören, bis in die Stratosphäre hinein, die zweite von fünf Schichten der Erdatmosphäre. Dazu ist die Bundeswehr bisher nicht in der Lage.

Die Kosten würden laut «BamS» bei zwei Milliarden Euro liegen. Einsatzfähig wäre das System 2025. Scholz hatte nach Beginn des Ukraine-Kriegs ein 100-Milliarden-Euro-Programm zur Aufrüstung der Bundeswehr angekündigt. Am Mittwoch hatte er mit Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Generalinspekteur Eberhard Zorn darüber beraten.

Keine Steuererhöhungen zur Krisenfinanzierung

Steuererhöhungen zur Finanzierung der Kriegsfolgen lehnte Scholz ab und bekräftigte die Gültigkeit der Schuldenbremse. Er verwies auf die Vereinbarungen der Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag. «Wir haben eine Verständigung gefunden in der Koalition zwischen den drei Parteien über die Fragen sowohl der Schuldenbremse als auch die Frage der Steuererhöhungen. Und an die werden sich alle drei im Ergebnis halten.»

«Dramatische Maßnahmen» bei Chemiewaffeneinsatz

Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin drohte Scholz mit «dramatischen Maßnahmen» bei einem Einsatz von Chemiewaffen. «Ein Einsatz von biologischen und chemischen Waffen darf nicht stattfinden, und deswegen sind wir auch alle so explizit, so ausdrücklich in dieser Frage», sagte er. Es gebe bereits Überlegungen zu solchen Maßnahmen, sagte Scholz, wurde aber nicht konkreter. Er machte allerdings klar, dass die Nato selbst bei einem Einsatz chemischer oder biologischer Waffen durch Russland nicht in den Krieg um die Ukraine eintreten werde. «Die Nato wird nicht Kriegspartei werden, das ist klar.»

Machtwechsel in Russland «nicht das Ziel der Nato»

Scholz stellte auch klar, dass die Nato keinen Machtwechsel in Russland anstrebt: «Das ist nicht das Ziel der Nato, übrigens auch nicht des amerikanischen Präsidenten.» Der Kanzler reagierte damit auf eine Äußerung des US-Präsidenten Joe Biden, der am Samstag wegen des Ukraine-Kriegs die Herrschaft des russischen Präsidenten Wladimir Putin offen in Frage gestellt hatte. «Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben», sagte Biden.

Scholz verwies darauf, dass er mit Biden bei seinem Antrittsbesuch im Weißen Haus – noch vor dem Ukraine-Krieg – über diese Frage gesprochen habe. «Wir sind beide völlig einig, dass Regime Change (Regimewechsel) kein Gegenstand und Ziel von Politik ist, die wir miteinander verfolgen.» Es sei die «Sache der Völker und Nationen selber», sich ihre Freiheit zu erkämpfen.

Gas-Milliarden: Russland kann damit «gar nichts anfangen»

Die Kritik, Deutschland finanziere mit seinen Energieimporten aus Russland den Ukraine-Krieg mit, wies Scholz zurück. «Russland kann mit dem Geld, das es auf seinen Konten lagert, gegenwärtig gar nichts anfangen wegen unserer Sanktionen», sagte er. Es gehe um ein paar Hundert Milliarden an Devisenreserven. «Deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass es diesen Zusammenhang überhaupt gibt.» Deutschland überweist Schätzungen zufolge jeden Tag einen dreistelligen Millionenbetrag für Energielieferungen an Russland – allerdings in der Regel in Euro oder US-Dollar.