MdB Strasser: „Bis Ostern darf dieser Lockdown nicht mehr andauern“

Ein junger Mann mit klaren Ansichten: FDP-Politiker Benjamin Strasser.
Ein junger Mann mit klaren Ansichten: FDP-Politiker Benjamin Strasser. (Bild: Tanja Ruetz)

Berlin (tmy) – Benjamin Strasser ist in Weingarten geboren und in Berg bei Ravensburg aufgewachsen. Der 34-jährige Jurist ist für den Wahlkreis Ravensburg seit 2017 Mitglied des deutschen Bundestages und möchte 2021 abermals antreten. Im Interview mit „Wochenblatt News“ gibt der religionspolitische Sprecher und Antisemitismus-Beauftragte der FDP-Fraktion im Bundestag Einblicke in die aktuelle Lage, seine Arbeit und wagt einen Ausblick.

Herr Strasser, wie schwierig ist es für Sie als Privatperson und Bundespolitiker die aktuelle Situation zu händeln?

Als Mensch geht es mir wie vielen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Freunde und Familie ohne Personenbeschränkung sehen, auf ein Glas Wein oder zum Essen zu gehen – das alles fehlt mir sehr. Ehrlich gesagt ist langsam auch wirklich ein Friseurtermin fällig. Und da geht es dem Bundespolitiker nicht anders als dem Menschen. Ich wünsche mir nicht nur, sondern ich verlange auch eine Öffnungsperspektive. Es wird Zeit, dass die Verantwortlichen in Bundes- und Landespolitik einen Stufenplan erarbeiten, wie Öffnungen schrittweise wieder möglich werden. Einen dauerhaften Lockdown hält weder die Wirtschaft noch die Gesellschaft aus.

Wie lange glauben Sie, wird uns der Virus und erst recht die Folgen erhalten bleiben?

Wenn das selbst verursachte Impfchaos so anhält, dann wird uns das Virus leider noch bis in den Herbst hinein beschäftigen. Ich hoffe aber, dass nun alle Beteiligten verstanden haben, dass es mit dem Impfen schneller gehen muss. Dann können wir uns vielleicht ab Sommer auch verstärkt um die verheerenden Folgen für die Wirtschaft, die Bildung und die Gesellschaft durch diese Pandemie kümmern. Ich denke, dass wir an diesen Folgen noch lange zu knabbern haben.

Wo würden Sie und Ihre FDP-Partei ansetzen, falls Sie in Baden-Württemberg einen Regierungsauftrag erhalten?

Leider versagt die grün-schwarze Landesregierung gerade in den wichtigsten Bereichen. Es braucht ein deutlich besseres Impf-Management. Den Mangel beim Impfstoff verwalten zu müssen, ist keine Entschuldigung für eine chaotische Terminvergabe. Kitas und Schulen müssen zeitnah mit einem Hygienekonzept wieder öffnen, damit nicht die Bildungsgerechtigkeit unter die Räder gerät. Und auch die Erholung der Wirtschaft sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen wird bei einer Landesregierung mit FDP-Beteiligung oberste Priorität haben. Es kann nicht sein, dass Novemberhilfen bis heute in großen Teilen nicht fließen, weil es an einer unbürokratischen Abwicklung mangelt.

Wie bewerten Sie die mitunter unterschiedlichen Ansichten – gerade bei den „Schulöffnungen“ – von Ministerpräsident Kretschmann und Bundeskanzlerin Merkel?

Da ich leider nicht weiß, welche Meinung der Herr Ministerpräsident heute zu Schulöffnungen hat, kann ich das schwer beantworten. Er wechselt in dieser Frage öfter seine Meinung als seine Hemden. Ich finde, wir brauchen auch hier einen verlässlichen Plan. Nicht nur in Schleswig-Holstein hat die Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen Vorschläge für Öffnungen vorgelegt. Als FDP-Bundestagsfraktion haben wir in dieser Woche einen 7-Stufen-Plan vorgestellt, der anhand nachvollziehbarer Kriterien, Öffnungsschritte beschreibt. Weder Herr Kretschmann noch Frau Merkel scheinen sich über so etwas Gedanken zu machen.

Wie viel Wahlkampf erkennen Sie schon jetzt in so manchem Beschluss oder Maßnahmenvorschlag?

Das will ich gar nicht bewerten. Ich halte das als Politiker sowieso für müßig. Wir erleben bei der Corona-Pandemie die größten Freiheitseinschränkungen in der Nachkriegsgeschichte. Natürlich muss man in einer Demokratie darüber diskutieren dürfen und um die beste Lösung ringen. Das sofort als „Wahlkampf“ zu verunglimpfen, halte ich für unredlich. Mich stört, dass manche Regierende zurzeit den Eindruck erwecken, Kritik an ihrer Arbeit sei Majestätsbeleidigung statt eine sachliche Auseinandersetzung.

Welche Lösungsansätze haben Sie für in Not geratenes Handwerk und die Gastronomie?

Zentral ist die Schaffung einer Öffnungsperspektive. Man wird nicht mit noch so vielen Milliarden eine Volkswirtschaft als Staat auf Dauer durchfinanzieren können. Bis Ostern darf dieser Lockdown nicht mehr andauern. Viele Geschäfte und Betriebe haben in Hygienemaßnahmen investiert. Das muss endlich ernst genommen werden. Viele sind bereit, unter Einhaltung strenger Regeln zu öffnen. Die im November versprochenen Hilfen sind heute erst bei 55 Prozent der Betriebe angekommen. Das ist eine absolute Frechheit und ein Komplettversagen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Das Geld muss jetzt endlich ankommen und wir brauchen für alle Betriebe die Möglichkeit, alle Verluste aus den Jahren 2020 und 2021 mit Gewinnen aus den Vorjahren verrechnen zu können.

Hand aufs Herz, bekommen Sie von Ihrer Familie Kritik oder Ratschläge mit auf den Weg, wenn es nach einem Heimatbesuch wieder in die Bundeshauptstadt zurückgeht?

Meine Familie weiß, dass ich für Öffnungen bin und schon seit Monaten zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der FDP-Bundestagsfraktion eine Langfriststrategie fordere. Deshalb fordern sie mich eher auf, dranzubleiben und durchzuhalten.

Gibt es auch Tage, an denen es selbst Ihnen schwerfällt, sich für diese Arbeit zu motivieren?

Es sind sehr sehr wenige Momente. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, das ist nie der Fall. Als Abgeordneter für unser Land Verantwortung übernehmen zu dürfen, ist für mich Ehre und enorme Freude zugleich.