Preissprünge Grün-Schwarz hält spätere Entlastungsmaßnahmen für möglich

Danyal Bayaz, Finanzminister von Baden-Württemberg.
Danyal Bayaz, Finanzminister von Baden-Württemberg. (Bild: Marijan Murat/dpa/Archivbild)

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Der Bund mobilisiert Hunderte Milliarden Euro für Entlastungspakete und Gaspreisbremse. Teilweise sollen die Länder sich finanziell daran beteiligen. Fraglich ist, ob der Spielraum dann noch für eigene Hilfen reicht.

Stuttgart (dpa/lsw) – Angesichts der Preisexplosion bei Energie hält die grün-schwarze Landesregierung eigene Entlastungsmaßnahmen in Baden-Württemberg für denkbar. Finanzminister Danyal Bayaz will aber zunächst die Gespräche mit dem Bund über das dritte Entlastungspaket der Ampel-Regierung im November abwarten. Der Grünen-Politiker sagte am Mittwoch im Landtag, wenn das Bundespaket «blinde Flecken» habe, etwa bei bestimmten Branchen oder Unternehmen, sei man bereit nachzusteuern. «Aber gezielt, nicht mit der Gießkanne.»

Die Forderung der SPD nach schnellen Entlastungen lehnte er ab. «Ich bin davon überzeugt, dass Alleingänge von Bundesländern nicht hilfreich sind.» In der Krise brauche das Land einen langen Atem und müsse auch finanziell vorsorgen. «Mit Strohfeuern bewältigen wir diese Energiekrise nicht.» Wenn man jetzt das Geld raushaue, «was das Zeug hält», dann stehe man im Verlauf der weiteren Krise blank da.

Es sei auch wichtig, die Ergebnisse der Steuerschätzung Ende Oktober abzuwarten. Zwar habe das Land bisher 2,5 Milliarden Euro mehr eingenommen als im Haushalt geplant. Doch es drohe eine Rezession, was auch zu einem Minus bei den Steuereinnahmen führen könne. «Die Frage ist nicht, wie viel Geld haben wir mehr, sondern sind wir in der Lage, das Entlastungspaket zu stemmen», sagte Bayaz.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch fragte die Koalition im Landtag, auf welche Krise sie noch warten wolle. «Viele Betriebe haben jetzt weit existenziellere Probleme als in der gesamten Pandemie.» Er forderte unter anderem Finanzhilfen für die Wirtschaft und Bürgschaften für Betriebe, die keine Versorgungsverträge mehr bekommen. «Es hilft nicht, auf den Bund zu warten oder auf die Oktober-Steuerschätzung. Die wird wieder besser ausfallen als erwartet.» Stoch verwies auch auf das SPD-geführte Niedersachsen, das ein eigenes Paket geschnürt habe, etwa auch mit Hilfen für Schulmensen und Tafeln. «Das ist, was ein Land in dieser Krise tun muss.»

Die SPD erhielt nicht nur von Grünen und CDU Gegenwind, sondern auch von FDP und AfD. Das vorgeschlagene Paket sei ein «Wünsch-Dir-Was der Sozialdemokratie», das im Zweifel mit neuen Schulden finanziert werden solle, kritisierte der FDP-Finanzexperte Stephen Brauer und warnte vor einem «Überbietungswettbewerb mit der Bundesebene».

Doch auch die Koalition bekam ihr Fett weg. Diese ziehe trotz Krise ihren Stiefel durch und wolle im nächsten Doppelhaushalt 2023/2024 ihre Lieblingsprojekte verwirklichen. Brauer forderte die Regierung auf, den Inflationsgewinn zurückzugeben, etwa als Unterstützung für Unternehmen und Kommunen. AfD-Fraktionschef Bernd Gögel hielt der SPD vor, ständig nur mit neuen Krediten Probleme lösen zu wollen. «Das ist eine Vergewaltigung der Jugend, der nachfolgenden.»

Dagegen unterstützte Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold den Vorstoß der SPD. «Der Bund liefert nicht, also muss das Land einspringen. Das sagen wir seit langem», erklärte Reichhold. «Die Landesregierung hat mindestens genauso eine Verantwortung für den Erhalt des Standorts, der Betriebe und Arbeitsplätze wie der Bund.» Das Handwerk fühle sich daher nach monatelangem Drängen auf ein konkretes Hilfsangebot an den Mittelstand von der Landes-SPD verstanden. «Es wäre jedoch gut, wenn Andreas Stoch seine Argumente mit ähnlicher Vehemenz seinem Parteifreund, dem Kanzler, und der SPD-geführten Ampel zuruft.»

Für die Grünen-Fraktion verwies Markus Rösler auf viele Risiken für den Haushalt, etwa durch die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Es wäre «unverantwortlich», ein eigenes Paket zu schnüren, ohne zu wissen, wie hoch die finanziellen Belastungen durch das Bundespaket sein werden. «Es drückt die Länder an den Rand der Verfassung», warnte Rösler. Er versprach wie sein CDU-Kollege Ulli Hockenberger, dass die Koalition Landeshilfen prüfen werde, sollte das Bundespaket «Lücken und Schwächen» aufweisen. Hockenberger sagte: «Wir lassen die Menschen in diesem Land nicht im Stich, auch dieses Mal nicht.»

Die CDU-Fraktion und Bayaz kritisierten, dass die Ampel-Regierung die Länder nicht vorher über die geplanten Entlastungsmaßnahmen informiert habe. Umso wichtiger sei es jetzt, dass sich die Bundesregierung und auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) kompromissbereit bei der Aufteilung der Kosten zeigten, sagte der Finanzminister.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte schon erklärt, dass der vom Bund geplante Anteil für das Land nicht stemmbar sei. Die Ampel hatte Anfang September ein drittes Maßnahmenpaket als Ausgleich für die rasant steigenden Preise vorgestellt, dessen Umfang die Regierung auf etwa 65 Milliarden Euro schätzt. Die Bund-Länder-Runde in der vergangenen Woche war ohne Ergebnis zur Kostenverteilung auf November vertagt worden.