Bund und Länder Fronten verhärtet: Flüchtlingsgipfel unter Einigungsdruck

Fronten verhärtet: Flüchtlingsgipfel unter Einigungsdruck
Aus der Ukraine geflüchtete Menschen kommen in der Unterkunft im Messebahnhof Laatzen an. (Bild: Michael Matthey/dpa)

Deutsche Presse-Agentur
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Viele Kommunen können die Versorgung der Flüchtlinge kaum noch stemmen. Beim Bund-Länder-Gipfel geht es daher um viel Geld – aber auch um Grundsätzliches in der deutschen Migrationspolitik.

Bund und Länder suchen heute bei einem Spitzentreffen in Berlin nach Lösungen im Streit über die Aufteilung der Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen. Weil insbesondere die Städte und Gemeinden unter der finanziellen Last ächzen, fordern die Länder einen höheren Anteil des Bundes.

Dieser will aber nicht mehr Geld als vorgesehen zuschießen, weil er sich aus seiner Sicht bereits überproportional an den Kosten beteiligt. Eine Einigung bei dem Treffen der Länderchefs mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)gilt als fraglich. Vor dem Treffen waren die Fronten verhärtet.

Debatte um Zuständigkeiten

In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden 101.981 Asylerstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) entgegengenommen – ein Plus von 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Viele Kommunen sehen sich an der Belastungsgrenze. Städte und Gemeinde sitzen nicht direkt mit am Tisch, die Länder sehen sich als deren Interessensvertreter.

Die Kommunalverbände fordern vom Gipfel einerseits mehr Geld vom Bund, andererseits aber auch Schritte zur Begrenzung der Zuwanderung. «Wir müssen zu einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen kommen», sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, dem Nachrichtenportal «t-online» . Der Bund müsse darauf mit allen Mitteln hinwirken. Der Bund solle die Kosten der Unterkunft von Flüchtlingen dauerhaft und vollständig übernehmen sowie Pauschalen für Asylbewerber, Integrationskosten und unbegleitete Minderjährige wie in den Jahren 2015/2016 wieder einführen. Landsberg mahnte zugleich: «Das Zuständigkeits- und Finanzierungsbingo zwischen Bund und Ländern muss ein Ende haben.»

Auch der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, forderte, der Bund müsse flüchtlingsbedingte Kosten der Unterkunft wieder vollständig übernehmen. Zudem müssten ausreisepflichtige Asylsuchende ohne Bleibeperspektive «konsequent rückgeführt werden», sagte Lewe dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, mahnte bei «t-online»: «Es geht in erster Linie um Begrenzung der Zuwanderung, aber in zweiter Linie eben auch um ausreichende finanzielle Mittel für die Kommunen.»

Grüne wollen Kommunen finanziell stärken

Für eine stärkere Unterstützung der Kommunen hatten sich auch die Grünen vor dem Bund-Länder-Treffen stark gemacht. «Es wird Geld brauchen, um den Knoten zu durchschlagen» sagte Parteichef Omid Nouripour der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». «Die Leute wollen nicht, dass Bund und Länder mit dem Finger aufeinander zeigen, sondern dass die Probleme gelöst werden», mahnte Nouripour.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat Forderungen nach mehr Geld vom Bund bislang widersprochen. Im ZDF-«heute journal» verwies der FDP-Chef auf die 15,6 Milliarden Euro Unterstützung des Bundes für Länder und Kommunen in diesem Jahr. Die Forderungen nach Änderung in der Zuwanderungspolitik teilt der Minister aber. Deutschland habe seit Jahren nicht die Kontrolle bei der Migration, die es brauche.

«Wir haben es zu lange den Menschen schwer gemacht nach Deutschland zu kommen, die wir brauchen als kluge Köpfe und fleißige Hände. Und zu lange schon machen wir den Menschen es leicht zu bleiben, die eigentlich verpflichtet sind auszureisen, weil sie irregulär nach Deutschland eingereist sind. Und das muss sich ändern.» An die Bundesländer appellierte er, mehr auf Sachleistungen statt Geld für Asylbewerber zu setzen.

Bund trug 2022 Kosten von 28 Milliarden Euro

Einem Regierungsbericht zufolge trug der Bund im Bereich Flucht und Migration im vergangenen Jahr Kosten von rund 28 Milliarden Euro allein. Mehr als 12 Milliarden davon wurden in die Bekämpfung von Fluchtursachen im Ausland investiert, rund 15 Milliarden sollten Länder und Kommunen direkt entlasten. Das geht aus dem Flüchtlingskosten-Bericht der Bundesregierung hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Rund 4,6 Milliarden Euro flossen demnach über die Umsatzsteuerverteilung an die Länder – und damit nicht zweckgebunden in deren reguläre Haushalte. Wofür sie das Geld verwenden, können die Länder damit selbst entscheiden. Die meisten, aber nicht alle gaben es nach eigenen Angaben vollständig an die Kommunen weiter, teils pauschal und teils fallbezogen. Mehrere Länder wiesen im Bericht zudem darauf hin, dass die Bundesmittel zur Deckung der Kosten nicht ausreichten.

Aus dem Bundeshaushalt wurden zudem Integrationsleistungen mit rund 2,3 Milliarden Euro finanziert. Rund 8 Milliarden trug der Bund an Sozialleistungen für Geflüchtete.

Paritätische: Feilschen auf Rücken von Geflüchteten

Der Paritätische Gesamtverband kritisierte den Kostenstreit zwischen Bund einerseits sowie Länder und Kommunen andererseits scharf. «Auf den Rücken von Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, zu feilschen, ist in einem reichen Land ein unwürdiges Schauspiel», sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten». Schneider bezeichnete eine gute finanzielle Ausstattung der Flüchtlingsarbeit als ein «ein Gebot der Humanität».

Die Bundesländer gehen mit einer einstimmig verabschiedeten Beratungsgrundlage in die Gespräche mit Scholz. «Der Kanzler muss das Thema zur Chefsache machen, Verantwortung übernehmen und Führung zeigen», sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dem «Tagesspiegel». «Wer über die Steuerung des Zuzugs entscheidet, muss für seine Entscheidungen auch die finanzielle Verantwortung übernehmen und die Konsequenzen tragen.» Der Bund dürfe seine Verantwortung nicht länger nach unten auf die Städte, Kreise und Gemeinden abschieben.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) appellierte an die Gemeinsamkeit von Bund und Ländern. «Wir müssen die Probleme im Schulterschluss lösen und dazu muss sich jeder und jede fragen, wo man zu- und abgeben kann», sagte sie der «Rheinischen Post». «Wir wissen alle, wozu es führt, wenn die Fragen zur Flüchtlingsunterbringung eskalieren. Daran kann niemand ein Interesse haben.» Auch Kanzler Scholz hatte gestern von einer «großen gemeinsamen Aufgabe in einem erfolgreichen föderalen Staat» gesprochen und für eine Einigung geworben.