Mit seinem Rücktritt schrieb Papst Benedikt XVI. Geschichte. Er war ein brillanter Theologe, aber selten nah an den Menschen. Während seines Pontifikats konnte er die tiefe Krise der katholischen Kirche nicht überwinden.
Rom (dpa) – Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist tot. «Schmerzerfüllt muss ich mitteilen, dass Benedikt XVI., Papst Emeritus, heute um 9:34 Uhr im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan verstorben ist», teilte der Sprecher des Heiligen Stuhls, Matteo Bruni, mit. Der Gesundheitszustand des gebürtigen Bayern, der 95 Jahre alt wurde, hatte sich zuletzt verschlechtert.
Joseph Ratzinger war am 19. April 2005 als Nachfolger von Johannes Paul II. zum Papst gewählt worden. Knapp acht Jahre später trat er in einem spektakulären Schritt als erster Papst seit mehr als 700 Jahren freiwillig zurück. Auf ihn folgte der Argentinier Jorge Bergoglio als Papst Franziskus. Benedikt lebte seitdem zurückgezogen im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten.
Konservativer Kurs
Benedikt war der erste deutsche Papst seit etwa 480 Jahren. In seinem Pontifikat führte er den konservativen Kurs seines Vorgängers fort. Er stemmte sich gegen eine Modernisierung der Kirche, was ihm viel Kritik einbrachte. Seine Amtszeit wurde aber vor allem von dem Missbrauchsskandal überschattet, der die katholische Kirche in eine tiefe Krise stürzte.
2022 geriet auch sein eigener Umgang mit Missbrauchsfällen in der Zeit als Erzbischof von München und Freising in die Schlagzeilen. Ein vom Münchener Erzbistum in Auftrag gegebenes Missbrauchsgutachten warf ihm Fehlverhalten in vier Fällen vor. Benedikt war von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising gewesen.
Kurz nach der Veröffentlichung des Gutachtens musste Benedikt über seinen Privatsekretär Georg Gänswein eine Aussage korrigieren: Entgegen einer ersten Darstellung hatte er demnach 1980 doch an einer wichtigen Sitzung teilgenommen, in der über einen Priester gesprochen worden war, der im Bistum Essen mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern auffällig geworden war. Der Fall war deshalb brisant, weil der Priester in Bayern wieder als Seelsorger eingesetzt wurde. In einem öffentlichen Brief entschuldigte sich Benedikt etwas später bei allen Opfern sexuellen Missbrauchs.
Zuvor war es um den Papst im Ruhestand still geworden. Obwohl er bis ins hohe Alter geistig fit war, wie sein Privatsekretär Gänswein immer wieder betonte, baute er körperlich stark ab. Vor ihm starb bereits sein älterer Bruder Georg Ratzinger am 1. Juli 2020 im Alter von 96 Jahren in Regensburg. Benedikt hatte den ehemaligen Kirchenmusiker noch kurz davor am Krankenbett besucht. Der Bruder und seine 1991 gestorbene ältere Schwester Maria standen ihm zeitlebens am nächsten.
Benedikt prägte die katholische Kirche schon weit vor seinem Pontifikat. Als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom hatte Kardinal Ratzinger, geboren am 16. April 1927 im oberbayerischen Marktl am Inn, bereits mehr als 20 Jahre Kirchengeschichte geschrieben. Seine strenge Haltung zu Themen wie Geburtenkontrolle, Abtreibung oder Zölibat lehnten zahlreiche Gläubige insbesondere in Europa ab. In anderen Teilen der katholischen Weltkirche, etwa in Ländern Afrikas und Lateinamerikas, erfuhr die konservative Linie dagegen Unterstützung.
Das Papstamt hatte sich Ratzinger nach eigener Aussage nicht gewünscht, es jedoch akzeptiert, da er dahinter den Willen Gottes vermutete. Die anfängliche Begeisterung der Deutschen («Wir sind Papst») wie etwa beim Weltjugendtag 2005 wich bald Ernüchterung.
Immer wieder löste Benedikt Irritationen aus. So trat er 2006 bei einer Rede an der Universität Regensburg mit einem mittelalterlichen Zitat über das Verhältnis des Islam zur Gewalt eine Welle der Empörung in der muslimischen Welt los. Der Vatikan verteidigte ihn damit, dass das ausgekoppelte Zitat völlig aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Unverständnis erregte er auch mit seiner Entscheidung, die Exkommunikation aller vier Bischöfe der rechts gerichteten Pius-Bruderschaft zurückzunehmen – unter ihnen der Holocaust-Leugner Richard Williamson.
Um den fünften Jahrestag seiner Wahl zum Papst kam 2010 der Missbrauch an unzähligen Kindern durch katholische Geistliche ans Licht – und wie dies jahrzehntelang vertuscht worden war. Mit der Forderung nach «null Toleranz» gegen die «Sünde in der Kirche» und der Bitte um Vergebung positionierte sich Benedikt in dieser Krise eindeutig. Klar setzte er sich für Aufklärung, Aufarbeitung und Sühne ein und traf mehrfach mit Missbrauchsopfern zusammen.
Benedikt veröffentlichte drei Enzykliken – über die christliche Liebe, die christliche Hoffnung und die «ganzheitliche Entwicklung des Menschen in der Liebe und in der Wahrheit». Er betrat als erster Papst eine Synagoge in Deutschland und sprach im ehemaligen deutschen Vernichtungslager Auschwitz sowie in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Schon in seiner bayerischen Familie war die NS-Ideologie strikt abgelehnt worden.
Rücktritt Ende Februar 2013
Im Rückblick räumte er selbst ein, dass er manchmal nicht nah genug an den Menschen gewesen sei. Den Lasten des Amtes fühlte er sich am Ende nicht mehr gewachsen. Seinen Rücktritt Ende Februar 2013 begründete er mit seinem fortgeschrittenen Alter und seiner angeschlagenen Gesundheit – ihm fehlten die Kräfte für das anspruchsvolle Amt, sagte er. Der Emeritus versprach, «für die Welt verborgen» zu bleiben. Doch befeuerte er mit Schriften zu heiklen Themen wie Zölibat oder Missbrauch immer wieder Spekulationen, dass er mit dem Kurs seines Nachfolgers Franziskus zumindest in Teilen nicht einverstanden sei.
Öffentliche Auftritte gab es von Benedikt zuletzt nicht mehr. Seinen 90. Geburtstag feierte er 2017 noch einmal mit einer Delegation aus der bayerischen Heimat. Danach konnte er Besuch im Kloster Mater Ecclesiae nur noch vereinzelt empfangen. In den letzten Jahren befand er sich nach eigenen Worten auf einer Pilgerreise «nach Hause».