Stefan Raab geht auf die 60 zu – und boxt im Fernsehen. Wir wissen nicht, wie er aussieht. Wir wissen nicht, was er bezweckt. Doch klar ist: Sein Kampf gegen Regina Halmich ist der PR-Coup des Jahres.
Kommt Stefan Raab endlich zurück auf den TV-Bildschirm? Während sich ganz junge Leute vielleicht fragen, wer das überhaupt ist, rastet eine andere Altersgruppe seit Wochen aus. Raab stand über Jahrzehnte für neues, lustiges Fernsehen. Als Moderator und Produzent setzte er Standards für das, was wir als Entertainment definieren. Ob beim Musiksender Viva, bei seiner Comedyshow «TV total», als Mastermind hinter ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut oder bei seiner Wok-WM. 2015 ging der heute 57-Jährige in die Bildschirm-Rente – und kommt jetzt buchstäblich mit einem Schlag zurück.
Am Samstagabend (20.15 Uhr) steigt Raab in Düsseldorf in einen Ring und boxt gegen die Karlsruherin Regina Halmich (47). Der Düsseldorfer PSD Bank Dome ist mit 14.000 Zuschauern restlos ausverkauft. Zweimal schon flogen die Fäuste zwischen Raab und der Ex-Boxweltmeisterin, 2001 und 2007, also vor gefühlten Ewigkeiten. Beide Male verlor er.
Ist das hier, was der Kölner Privatsender RTL live ausstrahlt, eine Art «Wetten, dass..?»-Revival-Gefühl für die Entertainment-Generation der 90er und Nullerjahre? Funktioniert das? RTL nennt es «Das größte Box-Event des Jahrzehnts». Die Medien nennen es immerhin den PR-Coup des Jahres.
Die Aufmerksamkeit wird groß sein. Seit dem «Raabschied» vor fast einem Jahrzehnt («Machen Sie’s gut, vielen Dank, ich hoffe, Sie hatten ein bisschen Spaß.») war der einstige Metzger-Lehrling aus Köln-Sülz zu einer Art Phantom geworden. Man wusste, dass es ihn noch gibt – aber man sah ihn nicht mehr. Sein Nichterscheinen machte Raab zugleich Jahr für Jahr noch größer – man kennt solche Phänomene aus Religionen. Im Hintergrund produzierte er weiter Shows. Da hatte einer den perfekten Absprung geschafft. Dachte man.
Man dachte an einen Aprilscherz
Als dann rund um Ostern Videos auftauchten, die ein Comeback der «Killerplauze» andeuteten, dachten viele Beobachter an einen Aprilscherz. Raab saß in einem Clip bräsig und betont dick dargestellt in einem Stuhl an einem malerischen See, gab den Aussteiger, kündigte dann aber den Kampf an. Für die These vom Scherz sprach das Datum. Dagegen, dass die Pointe – seine vermeintliche körperliche Veränderung – durchaus nach Raab-Kosmos klang und so auch in einer früheren «TV Total»-Ausgabe hätte vorkommen können.
Nun, kurz vor dem Kampf, griff Raab diesen PR-Gag erneut auf. Auf Instagram inszenierte er sich in einem Clip erneut als schwitzender, träger, viel zu schwerer Typ. Keuchend präsentierte er sich beim Boxsack-Training und betonte, dass er nicht mehr könne. Danach legte er nach: Er suchte den Schönheitschirurgen Dr. Lamborghini, gespielt von Bully Herbig, auf. Ließ sich angeblich das Fett absaugen, straffen und zum Schönling mit blonder Tolle und strahlenden Zähnen umgestalten. Darf man das glauben, dass er jetzt so aussieht?
Aus Spiel könnte Ernst werden
Das Spiel mit Eitelkeit könnte allerdings an anderer Stelle dann doch ernst werden. Will Raab sich perfekt in Szene setzen, betritt er als Letzter die Bühne, als großer Knalleffekt? Das würde aber den gängigen Gepflogenheiten widersprechen. Demnach geht der Herausforderer als Erster in die Halle – das wäre wohl Raab, der ja schon zweimal gegen Halmich verloren hat. Das wird dem «Raabinator» nicht schmecken, wie «Bild» prophezeit.
Handelt es sich bei all dem um eine einmalige TV-Aktion? Davon geht die Gerüchteküche längst nicht mehr aus. RTL gibt sich zugeknöpft. Die «Bild» aber etwa will von Plänen für eine Raab-Show bei RTL erfahren haben, bei der es darum gehe, einen «Show-Erben» zu suchen, der in «Raabs Fernsehfußstapfen» tritt – und das bereits am Mittwoch nach dem Kampf um 20.15 Uhr. Das wäre sehr brisant, weil der Mittwochabend mittlerweile der Sendeplatz von «TV total» bei ProSieben ist – Raabs alter Show, nun moderiert von Sebastian Pufpaff.
«Es kann auch Blut fließen»
Marcus S. Kleiner, Professor für Medienwissenschaft an der SRH Berlin University of Applied Sciences, ist skeptisch, was ein Raab-Comeback angeht. Klar, früher habe der Moderator eine junge Zielgruppe erreicht. «Da war er der junge Wilde», sagt Kleiner der dpa. «Aber das ist sehr lange her.» Nun frage man sich, was Raab nun sein werde. «Der wilde Alte?», fragt Kleiner. «Was will er anbieten, was man noch nicht gesehen hat?» Womöglich reiche es Raab aber auch, einfach nur die Zielgruppe abzuholen, die mit ihm einst groß geworden ist.
Während der Meister selbst – bis auf die Instagram-Posts – weiterhin in der Öffentlichkeit ein Phantom und somit im Gespräch bleibt, steht Gegnerin Regina Halmich unkompliziert für Fragen und Antworten bereit. Zurückhalten will sich die Boxerin demnach nicht. «Es wird nichts abgesprochen und wir werden beide voll durchziehen», sagte sie der dpa. «Es kann auch Blut fließen.»
Und im RTL-Interview kündigte sie an: «Ich hoffe zumindest, dass meine Nase nicht gebrochen wird, weil die habe ich nach meiner Karriere tatsächlich richten lassen, sie war drei Mal gebrochen. Im ersten Kampf habe ich Stefan die Nase gebrochen und insofern sind wir mal gespannt, was dieses Mal in die Brüche geht.»