„So wird das nichts mit dem Lindauer Stadtbus in der Zukunft“ – Ein Kommentar

Wir haben im Stadtgebiet einfach zu viel Individualverkehr, der den Bus immer wieder ausbremst und wenig attraktiv für mögliche, gewollte Umsteiger auf den Bus macht. Dem Mehrheitsbeschluss des Stadtrates ist nicht zu entnehmen, dass man den Individualverkehr wirkungsvoll zurückdrängen will. So wird das nichts werden.
Wir haben im Stadtgebiet einfach zu viel Individualverkehr, der den Bus immer wieder ausbremst und wenig attraktiv für mögliche, gewollte Umsteiger auf den Bus macht. Dem Mehrheitsbeschluss des Stadtrates ist nicht zu entnehmen, dass man den Individualverkehr wirkungsvoll zurückdrängen will. So wird das nichts werden. (Bild: Wilfried Vögel)

Unser Redakteur Wilfried Vögel hat die Entwicklung nach Beschluss des Lindauer Stadtrates kommentiert. Er gehörte in der 1990iger Jahren der Projektgruppe an, die das Stadtbus-System sozusagen in eigener Regie und mit viel „Gehirnschmalz“ entwickelt hat, an.

 „Eigentlich ist das alles ja ganz einfach, oder eben auch nicht. Will man am Halbstundentakt und der konsequenten Umsteigemöglichkeit am ZUP festhalten, kann der ZUP nicht an den Bahnhaltepunkt in Reutin verlegt werden. Einerseits würde man dann alle Busse in bekannte Stauzonen schicken (mit noch mehr Verspätungen), andererseits würden die veränderten Linienlängen einen Halbstundentakt nicht mehr möglich machen.

Die physikalischen Grundanforderungen an die Funktionalität des Stadtbus-Systems von 1994 sind indessen gleich geblieben: Jeder Bus jeder Linie hat vom ZUP bis zum Endpunkt und zurück zum ZUP exakt 27 Minuten Zeit. Drei Minuten dienen dem Umsteigevorgang am ZUP. Dieses Prinzip ist unverrückbar. Lediglich unvorhersehbare Ereignisse wie z.B. Unfälle oder Rettungseinsätze sind entschuldbar weil unvermeidlich.

Wenn diese Fahrzeit nicht grundsätzlich eingehalten werden kann, muss der Fahrweg auf Störquellen untersucht werden. Diese können vielfältiger Natur sein. So verzögern parkende Fahrzeuge oder ständiger Gegenverkehr oftmals die freie Fahrt der Busse. Zu viele Haltestellen können auch ein Grund sein. Auch Kreisverkehre, wie sie seit der Erstfahrt 1994 immer mehr gebaut wurden, können für den Bus eine Verspätungsquelle sein. Der immer weiter zunehmende Autoverkehr ist natürlich der massivste Störfaktor.

Auch muss man daran denken, dass eine Zunahme an Fahrgästen entsprechend verlängerte Standzeiten zum Ein- und Aussteigen an den Haltestellen hervorrufen, was zu weiteren Fahrzeitverzögerungen führen kann, ein richtiger Teufelskreis.

Im Prinzip lassen die beschlossenen Maßnahmen nicht auf Besserung hoffen, eher auf eine „Verschlimmbesserung“. Eine Busspur wird einer gerichtlichen Nachprüfung wegen einer zu geringen Frequenz sicher nicht standhalten können.

Was ist zu tun? Ich schlage eine komplette Neugestaltung, einen Neustart vor. Dazu müssen die Bürger intensiv einbezogen werden. Was nützen wohlgemeinte Beschlüsse, wenn sie teilweise an der gelebten Realität vorbei gehen? Die Aufgabe von bestehenden Haltstellen führt sicher nicht zu einer besseren Akzeptanz und zu Fahrgaststeigerungen – ganz im Gegenteil.

Dazu kommen noch künftige, komplexe Anforderungen, wie die Berücksichtigung von neuen Wohngebieten wie zum Beispiel im Oberen Rothenmoos und eine Einbindung von heute bestehenden (Bahnhalt Reutin) und künftig geplanten Haltepunkten der Bahn (Oberreitnau, Weißensberg).

Zudem sollte man den Stadtbus durch flexible Zusatzangebote wie z.B. Rufbusse insgesamt attraktiver machen. Nur so kann die Oktoberrevolution auf einen Neubeginn hoffen. Sonst hätte man sich das Geld für die Prüfstudie von Metron sparen können.

Die beschlossenen Maßnahmen bleiben „Flickschusterei“. Eine zukunftsorientierte, vorausschauende und ebenso schlüssige wie nachvollziehbare Planung sieht anders aus. Da ist es wenig hilfreich, wenn verkündet wird, man könne die getroffenen Beschlüsse ja jederzeit wieder revidieren, wenn sich herausstellen sollte, dass der gewünschte Erfolg sich nicht einstellen werde.

Am Ende bleibt die Erkenntnis: Wir haben im Stadtgebiet einfach zu viel Individualverkehr, der den Bus immer wieder ausbremst und wenig attraktiv für mögliche, gewollte Umsteiger auf den Bus macht. Dem Mehrheitsbeschluss des Stadtrates ist nicht zu entnehmen, dass man den Individualverkehr wirkungsvoll zurückdrängen will. So wird das nichts werden“.