Seit 130 Jahren versucht man, den „größten Wildbach“ Europas zu bändigen

Auch heute muss der Rhein noch ständig ausgebaggert werden. Zwischen 50.000 und 100.000 m3 Geschiebe transportiert der Rhein pro Jahr Richtung See.
Auch heute muss der Rhein noch ständig ausgebaggert werden. Zwischen 50.000 und 100.000 m3 Geschiebe transportiert der Rhein pro Jahr Richtung See. (Bild: Wilfried Vögel)

„Internationale Rheinregulierung“ verhindert schlimme Hochwässer

Hochwasserereignisse im Vorarlberger und St. Galler Rheintal datieren bis ins 11. Jahrhundert zurück, sie prägten auch den Begriff „Rheinnot“. Erst mit dem Staatsvertrag von 1892, dem weitere folgten und den nachfolgenden Regulierungsbauwerken der „Internationalen Rheinregulierung“ konnten die Bewohner des Rheintals aufatmen und den wirtschaftlichen Aufschwung ihrer Region einleiten. Heute leben rund 300.000 Menschen im unteren Rheintal. Das traumhaft schöne Naturschutzgebiet an der Rheinmündung und am „Alten Rhein“ lädt zum Genießen und Wandern ein.

Als Rheinregulierung (auch Rheinkorrektion genannt) bezeichnet man die an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz erfolgte Flussbegradigung des Alpenrheins zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie diente einerseits zur Verminderung der Hochwasser-Gefahren, andererseits zur Neuregelung der entlang der früheren Rheinarme verlaufenden Staatsgrenze. Die Gesellschaft „Internationale Rheinregulierung“ ist das Dach, unter dem die beiden Staaten Österreich und Schweiz den Bau koordinieren und den Unterhalt der Dämme heute noch regeln.

Der ursprüngliche Rhein, er wird als größter „Wildbach Europas“ bezeichnet, konnte sich bei Hochwasser praktisch uneingeschränkt im Talboden ausbreiten. Die oft verheerenden Überschwemmungen prägten als „Rheinnot“ die Geschichte des Rheintals mit.

An der Rheinmündung scheint das gegenüberliegende Ufer bei Lindau zum Greifen nah.
An der Rheinmündung scheint das gegenüberliegende Ufer bei Lindau zum Greifen nah. (Bild: Wilfried Vögel)

Schlimme Überschwemmungen bereits vor über 1.000 Jahren

Die älteste Nachricht von einer Überschwemmung des Alpenrheins stammt aus dem Jahr 1206. Eine der schlimmsten ereignete sich am 28. September 1868, als fast das gesamte Rheintal von Sevelen bis zum Bodensee unter Wasser stand.

In einem Bett von 200 bis 300 Metern Breite, beidseits begleitet von Binnengewässern und Binnendämmen mit 500 bis 1000 Meter Abstand, schlängelte sich der Alpenrhein durch das Alpenrheintal.

Erste Verhandlungen zwischen Österreich und der Schweiz im 19. Jahrhundert

Der Ruf nach mehr Hochwasserschutz wurde im 19. Jahrhundert immer lauter. Dies führte zu ersten Verhandlungen zwischen der Schweiz und Österreich. Einen Konsens fand man aber erst 1892 mit dem ersten Staatsvertrag. Vorausgegangen waren zwei verheerende Hochwasserereignisse in den Jahren 1888 und 1890.

Mit dem Ziel eines gemeinsamen, grenzüberschreitenden Hochwasserschutzes schlossen Österreich und die Schweiz drei weitere Staatsverträge ab. Diese datieren von 1892, 1924 und 1954.

Zwei Durchstiche auf dem Weg zum Bodensee

Im Jahr 1900 erfolgte nach fünfjähriger Bauzeit der Fußacher Durchstich zum Bodensee. Nach einigen Verzögerungen durch den Ersten Weltkrieg leitete man 1923 den Rhein beim Diepoldsauer Durchstich in sein neues Flussbett. Da eine Verlandung der Fußacher und Harder Bucht einsetzte, schlossen beide Staaten 1924 einen weiterer Staatsvertrag zur Fortführung der Regulierungsarbeiten und insbesondere zur Vorstreckung des Flussbettes in den Bodensee hinein. Das Rheinbett ist 60 bis 70 Meter breit und hat beidseits Hochwasserdämme mit einem Abstand von bis zu 260 Metern.

Auch heutzutage droht noch Hochwasser – „Rhesi“ soll für den Hochwasserschutz verbessern

Die Hochwassergefahr ist auch heutzutage nicht gebannt. Der jetzige Ausbaustandard der Schutzanlagen entspricht lediglich einem 100jährigen Hochwasser mit einer Abflussmenge von 3.100 m³/s. Durch die Entwicklung im Rheintal hat zudem das Schadenpotenzial massiv zugenommen (rund 8.6 Milliarden Euro).

Durch das Projekt „Rhesi“ (die Änderung der Rheinführung im bestehenden Gewässerlauf) soll eine höhere Hochwassersicherheit und die ökologisch verbesserte Situation des Gewässers geschaffen werden. Die Abflusskapazität wird auf 4.300 m³/s ausgebaut. Die Projektkosten schätzen die Fachleute derzeit auf 897 Millionen Euro. Diese immensen Kosten sollen wie bisher zu je 50% die beiden Staaten Österreich und Schweiz tragen.

Eine künstlich angelegte Lagune bietet ein herrliches Naturerlebnis und lädt zum Spazieren ein.
Eine künstlich angelegte Lagune bietet ein herrliches Naturerlebnis und lädt zum Spazieren ein. (Bild: Wilfried Vögel)

Hochwasserschutz ist im Rheintal eine Daueraufgabe.

Ein Flusssystem wie der Alpenrhein muss ständig überwacht, unterhalten und von Zeit zu Zeit erneuert werden. Das Generationenprojekt „Rhesi“ verbessert in erster Linie die Hochwassersicherheit und damit den Schutz der Bevölkerung im Rheintal.

Auch mögliche historische Schätze am Rhein sind bei der Planung vom Hochwasserschutzprojekt „Rhesi“ von Bedeutung.

Den Rhein muss man ständig ausbaggern

Der Alpenrhein transportiert weiter unaufhörlich Geschiebe, also Kies, Sand und Schwebstoffe flussabwärts. Im Mündungsbereich des Bodensees gilt es, eine Verlandung durch Deltabildung zu vermeiden. Dort baggert man jährlich rund 50.000 bis 100.000 m³ Geschiebe heraus, das die Bauindustrie nutzt.. Auch der Verlandung der Bregenzer, Harder sowie Fussacher Bucht muss man entgegenwirken. Die anfangs der 1980er Jahre begonnenen Bauarbeiten dauern nach wie vor an.

Die in den 1980er Jahren begonnen Bauarbeiten dauern auch heute noch an.
Die in den 1980er Jahren begonnen Bauarbeiten dauern auch heute noch an. (Bild: Wilfried Vögel)
Aus dem Rhein werden Kies und Sand entnommen und mit Baggern abtransportiert um eine Verlandung zu verhindern.
Aus dem Rhein werden Kies und Sand entnommen und mit Baggern abtransportiert um eine Verlandung zu verhindern. (Bild: Wilfried Vögel)

Der „Alte Rhein“ und die Rheinmündung sind ein herausragendes Naturschutzgebiet

Die vom Rhein abgetrennten Gewässer, die bei der Begradigung des Flusslaufs vom Bodensee bis St. Margrethen und östlich von Diepoldsau entstanden, nennt man „Alter Rhein“. Der Alte Rhein, der durch den Diepoldsauer Durchstich entstand, ist heute ein stehendes Gewässer, in dem lange Zeit Kies abgebaut wurde. Heute ist er zum großen Teil Naturschutzgebiet

Wo der Rhein in den Bodensee fließt, liegt das artenreichste Naturschutzgebiet Vorarlbergs. Das Rheindelta mit seinen Halbinseln, Buchten und Feuchtgebieten ist nicht nur ein Refugium für Vögel und Pflanzen. Es ist auch eine einzigartig schöne und aufregende Wildnis. Das Rheindelta ist äußerst attraktiv für Radler, für Wanderer und natürlich für Badeurlauber.

Über zwei Durchlässe, die von kleinen Brücken überspannt werden, durchmischt sich das Wasser in der Lagune ständig, ein Vogelparadies.
Über zwei Durchlässe, die von kleinen Brücken überspannt werden, durchmischt sich das Wasser in der Lagune ständig, ein Vogelparadies. (Bild: Wilfried Vögel)

Auf dem Lagunenweg die herrliche Natur genießen

Wir empfehlen heute eine Wanderung am linken Rheinufer. Ein Spaziergang auf dem Lagunen-Rundweg ist für die ganze Familie ein einzigartiges Erlebnis. Die traumhafte Landschaft an der Rheinmündung ist zu jeder Jahreszeit ein Genuss. 330 Vogelarten,160 Wildbienenarten und etwa 600 Pflanzen leben hier..

Die Anfahrt erfolgt über Bregenz, dann Richtung Schweiz. Unmittelbar nach der Rheinbrücke scharf rechts abbiegen. Dann geradeaus bis zum Parkplatz Sandinsel (kurz nach dem FKK-Gelände). Von hier wandert man auf dem Rheindamm bis zu seinem Ende. Hier fühlt man sich wie in der Mitte des Sees. Das andere Ufer mit der Insel Lindau und der Halbinsel Wasserburg scheint zum Greifen nahe. Zurück auf halber Strecke biegen wir rechts in die Lagune ein, die künstlich errichtet wurde und streng naturschutzrechtlich geschützt ist. Bald stößt man wieder auf der Herweg, dem man zum Ausgangspunkt folgt. Die Länge beträgt knapp 9 km. Gut zwei Stunden muss man einrechnen.