Schwäbische Landkreisvertreter kritisieren Lauterbachpläne zur Krankenhausreform

Die Landkreisvertreter sehen durch die geplante Krankenhausreform der Bundesregierung die medizinische Versorgung der Bevölkerung gerade in ländlichen Regionen in Gefahr.
Die Landkreisvertreter sehen durch die geplante Krankenhausreform der Bundesregierung die medizinische Versorgung der Bevölkerung gerade in ländlichen Regionen in Gefahr. (Bild: Landkreis Lindau / Angela Wolf)

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Im Rahmen einer Arbeitstagung im Landkreis Unterallgäu hat sich der Bezirksverband Schwaben im Bayerischen Landkreistag zu aktuellen Themen ausgetauscht.

Die Landkreisvertreter sehen durch die geplante Krankenhausreform der Bundesregierung die medizinische Versorgung der Bevölkerung gerade in ländlichen Regionen in Gefahr: „Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, die geplante Krankenhausreform grund-legend zu überarbeiten und sicherzustellen, dass nicht in die Planungskompetenz der Länder eingegriffen wird und die Versorgung auch im ländlichen Raum sichergestellt bleibt“, sagte der Vorsitzende des Bezirksverbands Schwaben, der Lindauer Landrat Elmar Stegmann. Zudem waren auch die steigenden Flüchtlingszahlen in Schwaben und die damit einhergehende äußerst angespannte Unterbringungssituation ein Thema.

Die Landkreisvertreter waren sich einig, dass eine Krankenhausreform grundsätzlich erforderlich ist. Allerdings müsse sich eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausreform sowohl an der Versorgung der Patientinnen und Patienten, als auch an regionalen Bedürfnissen orientieren. Ihrer Meinung nach bestehe bei Umsetzung der vom Bundesgesundheitsminister vorgesehenen Krankenhausreform die Gefahr einer Benachteiligung der Menschen in ländlichen Gebieten. „Viele Kliniken und Gesundheitseinrichtungen sind nicht nur in Schwaben, sondern deutschlandweit in ihrer wirtschaftlichen Stabilität bedroht. Inflation, Energiekrise und Mehraufwand für Covid-19-Maßnahmen sorgen für Kostenexplosionen, die letztlich die Versorgung der Menschen gefährdet“, so der Bezirksverbandsvorsitzende. Die Tagungsteilnehmer erachten die geplanten Finanzhilfen der Bundesregierung zum Ausgleich von Energiepreissteige-rungen zwar als hilfreich, sie könnten jedoch nicht das strukturelle Defizit aufgrund inflationsbedingter allgemeiner Kostensteigerungen und der Covid-19-Maßnahmen ausgleichen. Eine wirksame und umfassende Strukturreform könne nicht ohne zusätzliche Finanzmittel auf den Weg gebracht und umgesetzt werden, da bereits eine eklatante Unterfinanzierung der laufenden Betriebskosten und seit Jahrzehnten eine klaffende Lücke bei der Investitionsförderung bestehe.

Sehr kritisch sahen die schwäbischen Landrätinnen und Landräte auch die Entwicklungen des Rettungswesens im ländlichen Raum. Weniger Krankenhäuser oder Häuser mit deutlich eingeschränktem Leistungsspektrum bedeuteten nicht nur längere Fahrtwege, sondern auch zwangsläufig mehr Fahrten. Durch Klinikschließungen stünden aber gleichzeitig noch weniger Krankenhausärzte als Notärzte zur Verfügung, als dies bislang schon der Fall sei und es würden zusätzlich Rettungsmittel auf der Straße durch Transporte gebunden.

Die Landkreisvertreter fordern daher von der Bundesregierung:

  • Die geplante Krankenhausreform grundlegend zu überarbeiten und so umzusetzen, dass die Versorgung der Bevölkerung auch in ländlichen Gebieten ausreichend sichergestellt wird.
  • Vor einer derart großen, strukturellen Reform des Krankenhauswesens zuerst ein Soforthilfeprogramm für die Krankenhäuser aufzusetzen, um diese kurzfristig finanziell zu stabilisieren. Es braucht einen Inflationsausgleich in voller Höhe, inklusive einer Deckung der tarifbedingten Personalkostensteigerungen sowie die Übernahme der tatsächlichen Energie-Mehrkosten.
  • Die nach wie vor hohen Mehrkosten für die Versorgung und Isolation der Covid-19-Patienten auszugleichen. Denn seit Mitte des Jahres 2022 gibt es keine Mittel mehr, um den Mehraufwand für Hygiene, Isolierung und Behandlung zu refinanzieren.
  • Für den Fortbestand einer wohnortnahen, qualitativ hochwertigen und bezahlbaren stationären Versorgung zu sorgen.
  • Für eine erfolgreiche Umsetzung einer Krankenhausreform die Auswirkungen von Strukturveränderungen klar im Blick zu behalten. Dies gilt in der Realität besonders für die Häuser und Patientinnen und Patienten im ländlichen Raum.
  • Die kommunalen Spitzenverbände bei der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Erarbeitung des Gesetzesentwurfes durch den Bund mit einzubeziehen, da bislang eine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände entgegen der Forderung des Deutschen Landkreistages nicht vorgesehen ist.
  • Eine umfassende Krankenhausreform nicht ohne zusätzliche Finanzmittel im System auf den Weg zu bringen.

Für die schwäbischen Landkreise ist es darüber hinaus von großer Bedeutung, dass bei Reformüberlegungen nicht an Landesgrenzen Halt gemacht wird, sondern eine enge Abstimmung mit Baden-Württemberg erfolgt und auch die Auswirkungen auf die stationäre Krankenhausversorgung entlang der Grenze zu den österreichischen Bundesländern Tirol und Vorarlberg im Blick behalten wird.

Auch die aktuelle Flüchtlingssituation in Schwaben beschäftigte die Landkreisvertreter einmal mehr bei ihrer Arbeitstagung. Die einzelnen Landkreise haben es in den letzten Monaten immer wieder geschafft Unterbringungsplätze für die Geflüchteten, sei es aus der Ukraine oder anderen Ländern, zu finden, kämen nun aber an ihre Belastungsgrenze.

Die meisten Landkreise haben die ehemaligen Impfzentren in Notunterkünfte umgewandelt und versuchen teilweise mit Containern und Zelten Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen, um möglichst die Belegung von Turnhallen zu vermeiden. Sollte der Zustrom jedoch so weitergehen und kein weiterer Wohnraum gefunden werden können, bliebe den Landkreisvertretern wohl keine andere Wahl als auf Turnhallen zurückzugreifen.

Die aktuell stattfindende kontinuierliche und unkontrollierte Zuwanderung nach Europa, insbesondere jedoch nach Deutschland, bereitet den Landkreisvertretern Sorgen. Ihnen geht es nicht nur um die Unterbringungsproblematik, sondern auch um die Betreuung und Begleitung sowie teilweise um die medizinische bzw. psychologische Versorgung, die ein längerer Aufenthalt der Geflüchteten mit sich bringt.

Hier wären zwar in den Jahren 2015/2016 Strukturen geschaffen worden, diese Strukturen reichten jedoch für die aktuellen Flüchtlingszahlen nicht aus und auch die Helferkreise stießen überall an ihre Grenzen. Der Bezirksverbandsvorsitzende fordert deshalb: „Die Zuwanderung muss kontrolliert werden und zwar bereits an den europäischen Außengrenzen. Wer keine Bleibeperspektive hat, sollte bestenfalls bereits dort zurückgewiesen werden oder nach der Einreise konsequent und zeitnah zurückgeführt. Europa braucht eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedsstaaten.

Aktuell nimmt Deutschland überproportional viele Flüchtlinge auf. Zudem plädieren wir für die Rückführung der Menschen, deren Asylverfahren abgelehnt und rechtskräftig abgeschlossen ist und derjenigen, die Straftaten begehen.“ Daneben erwarten die Landkreisvertreter mehr finanzielle Unterstützung durch den Bund. Mehr Flüchtlinge bedeuten höhere Kosten. Dabei geht es nicht nur um die Unterbringungskosten, sondern auch um die zusätzlichen Aufwendungen beispielsweise für die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sowie die vollständige Übernahme der flüchtlingsbezogenen Kosten für integrationsbezogene Zwecke.

An der Arbeitstagung der schwäbischen Landrätinnen und Landräten nahm auch erstmals die neue Regierungspräsidentin der Regierung von Schwaben, Barbara Schretter, teil. „Ich heiße Sie, liebe Frau Schretter, herzlich willkommen in unserer Runde und freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit und ein vertrauensvolles Miteinander“, so der Vorsitzende des Bezirksverbands Schwaben, Landrat Elmar Stegmann.

Auf dem Bild:

4. Reihe v.l.n.r.: Hubert Kraus (Stellv. Landrat Augsburg), Dr. Hans Reichart (Landrat Günzburg) und Stefan Rößle (Landrat Donau-Ries)

3. Reihe v.l.n.r.: Maria Rita Zinnecker (Landrätin Ostallgäu), Thorsten Freudenberger (Landrat Neu-Ulm) und Dr. Klaus Metzger (Landrat Aichach-Friedberg)

2. Reihe v.l.n.r.: Indra Baier-Müller (Landrätin Oberallgäu), Andrea Degl (Geschäftsführendes Präsidialmitglied Bayerischer Landkreistag) und Markus Müller (Landrat Dillingen a. d. Donau)

1. Reihe v.l.n.r.: Elmar Stegmann (Landrat Lindau (Bodensee)), Barbara Schretter (Regierungspräsidentin Regierung Schwaben) und Alex Eder (Landrat Unterallgäu)

(Pressemitteilung: Bayerischer Landkreistag)