Schnecken checken auf der Alb ist der Renner

Wichtig für die Natur: Schnecken und ihre Eier dienen als Nahrung für viele Lebewesen.
Wichtig für die Natur: Schnecken und ihre Eier dienen als Nahrung für viele Lebewesen. (Bild: Marinko Krsmanovic von Pexels)

Schnecken sind eklig, der Horror für jeden Hobbygärtner und keiner mag sie. Fehlanzeige! Es gibt da auf der Alb eine Frau, die ihr Herz an Weinbergschnecken verschenkt hat, sie umhegt, krault, züchtet und mit Genuss im Schnecken-Gulasch oder mit Schokoüberzug als Praline verspeist. Obendrauf weiß sie viel über Schneckenschleim als Beauty-Wunder. Rita Goller und ihr Mann haben einen Garten voll unzähliger Schnecken. Schauen Sie mit uns über den Zaun und checken Schnecken.

Mit dem Schnecken-Alb-Guide unterwegs

Es gibt kaum eine Fernsehsendung, in der die Biosphärenbotschafterin und Schneckenzüchterin aus Münsingen-Rietheim nicht schon zu Gast war – und es werden immer mehr. Schnecken sind also auf dem Vormarsch. Wer auf der Alb bei einer Führung die vielen Burgen und verschlungenen Pfade erkunden möchte, trifft zweifelsohne ebenfalls auf Rita Goller als Alb-Guide. Sie ist ein wahrer Tausendsassa und das Thema Schnecken liegt in der Familie. Noch vor Corona gehörte sie zu den begehrtesten Weinbergschnecken-Lieferanten vieler Restaurants im ganzen Umkreis. Aktuell hat Goller die Großproduktion eingestellt.

Schnecken im Rucksack als eiweißreiche Reserve

„Schon mein Urgroßvater konnte dem Genuss von Weinbergschnecken nicht widerstehen. Kein Wunder, denn Schneckensammeln hat bei uns im großen Lautertal eine langjährige Tradition. Hier war im Grunde die Hochburg der Schneckenzucht. Schon bei den alten Römern galten Weinberg-Deckelschnecken als Leckerbissen. Wenn die Römer über die Alpen gezogen sind, hatten sie meist wegen der Haltbarkeit und des hohen Eiweißanteils Schnecken im Gepäck. Sogar im 1. Weltkrieg füllten sich Soldaten in den kalten Wintern bei uns hier die Rucksäcke mit Deckelschnecken.“

Schnecken als Fastenspeise

Eingedeckelte und kochbereite Schnecken.Eingedeckelte und kochbereite Schnecken.
Eingedeckelte und kochbereite Schnecken. (Bild: privat)

Die Uhrahnen von Rita Goller füllten Fässer mit je 10.000 Stück Schnecken und transportierten sie auf der Donau in schwimmenden Booten – den sogenannten „Ulmer Schachteln“ – bis auf die Märkte nach Wien und manchmal auch Budapest. „Erste Abnehmer unterwegs waren meist donauanliegende Klöster, da Schnecken eine Fastenspeise waren.“ Die Boote wurden an Ort und Stelle zurückgelassen und als Brennholz verkauft. Zurück ging es für die Schneckenhändler dann auf einer wochenlangen und beschwerlichen Reise zu Fuß.

Was sind Deckelschnecken?

Bis zu 300.000 Exemplare im Jahr haben Züchter aus Hayingen-Weiler noch bis zum Ersten Weltkrieg nach ganz Europa exportiert. Warum Deckelschnecken? „Vor der Winterruhe fressen sich Weinbergschnecken Fettgebewebe an und verschließen, nachdem Magen- und Darmtrakt entleert wurden, die Öffnung des Schneckenhauses mit einem Kalkdeckel.“

Ein Schneckengarten für alle

Der Schneckengarten von Rita Goller in Münsingen-Rietheim ist einen Besuch wert.
Der Schneckengarten von Rita Goller in Münsingen-Rietheim ist einen Besuch wert. (Bild: privat)

Rita Goller ist wie ein geschichtliches Lexikon, sprudelt nur so vor Wissen über die alten Traditionen und will mit den Vorurteilen über die Weinbergschnecken aufräumen. Daher liegt ihr auch sehr daran, dass sie ihren über 1000 qm großen Schneckengarten für jedermann öffnet und bei Führungen unterhaltsam Altes und Neues weitergibt. Sie hat sogar ein Rezeptbuch rausgebracht.

Tatort im Gemüsebeet

Schnecken sind gefräßig, besonders wenn es als Nachtisch Wassermelonen gibt.
Schnecken sind gefräßig, besonders wenn es als Nachtisch Wassermelonen gibt. (Bild: privat)

„Nicht jede Schnecke ist ein Täter. Ich vergleiche deren Verhalten gerne mit dem „Tatort“ im TV. Die Nacktschnecken fressen sich in der Nacht gierig an den frisch gesetzten Salatpflanzen satt und die Weinbergschnecken kommen am frühen Morgen gemächlich dazu und knabbern den Rest ab. Was sieht der Hobbygärtner – natürlich die Weinbergschnecke. Also ist der Tathergang klar und der Übeltäter grundlos gefasst.“

Nach den Eisheiligen geht’s im Schneckengarten richtig los

Wenn nach sommerlichen Temperaturen nochmal unverhofft Schnee kommt, gibt es leider viele tote Schnecken zum Einsammeln.
Wenn nach sommerlichen Temperaturen nochmal unverhofft Schnee kommt, gibt es leider viele tote Schnecken zum Einsammeln. (Bild: privat)

Gemeinsam mit ihrem Mann verbringt die Fachfrau viele Stunden mit der Pflege ihrer kriechenden Lieblinge. Das Ehepaar muss täglich ganz schön viel Salat- und Gemüsefutter anschleppen und zerkleinern, damit alle satt werden. Schnecken sind gefräßig. Im Schneckengarten trifft man auf alle Altersgruppen – auch Großmütter, die schon das stolze Alter von 7 Jahren erreicht haben, bekommen hier ihr Gnadenbrot. Ab dem 4. Lebensjahr kann man Schnecken übrigens erst essen. Die beste Zeit für einen Besuch ist nach den Eisheiligen bis Anfang September. Vorher ist die ganze Schar – und das sind unendlich viele – im Winterschlaf.

Respekt: Schnecken haben ein stundenlanges Liebesspiel

Der Liebesakt bei Schnecken dauert über Stunden. Sie reiben dabei ihre Sohlen aneinander.
Der Liebesakt bei Schnecken dauert über Stunden. Sie reiben dabei ihre Sohlen aneinander. (Bild: privat)

„Der Wintereinbruch hat unseren Schnecken nicht gutgetan und wir sammeln täglich tote Tiere ein. Die Frühlingstemperaturen davor haben manche vorzeitig geweckt, sie haben sich ausgegraben und sind schlichtweg jetzt erfroren.“ Was macht denn eine Schnecke so den ganzen Tag? „Fressen, sich sonnen und viel schlafen.“ Wie vermehren sich Schnecken? Mit dreieinhalb Jahren werden die Tiere geschlechtsreif. Dann erfolgt ein stundenlanges Liebesspiel, das mit einer kurzen und knappen Begattung endet. Dabei reiben die Schnecken ihre Sohlen aneinander. Um die Nachzucht zu gewährleisten, wartet Rita Goller, bis ihre Schnecken wenigstens einmal Eier gelegt haben. Im Schnitt ergeben sich aus einer Ablage von ca. 50 Eiern etwa 30 neue Schnecken.

Zum guten Schluss wäre da noch die Sache mit dem Anti-Aging

 „Der Schleim der Schnecken glättet die Haut und ist wirklich Anti-Aging in natürlichster Form. Besonders in China soll das der Renner in manchen Beautysalons sein. Da gehen Frauen zum Kosmetiker und lassen sich eine besondere Art von Schnecken ins Gesicht setzen. Die knabbern die Althaut ab und sondern dabei den wertvollen Schleim ab, der wie ein glättendes Serum wirkt. Ich habe auch schon gehört, dass es spezielle Cremes für Neurodermitiker geben soll.“

Beauty-Wunder heißt Stress für die Schnecken

Haben Sie noch keine Anfragen nach dem wertvollen Schleim erhalten? „Das Interesse von Besuchern ist da, aber das mache ich nicht. Eine Schnecke gibt nur Schleim ab, wenn man sie von Hand ärgert und das bedeutet gleichzeitig Stress für das Tier. Das würde ich auf keinen Fall tun. Aber jeder kann es ja selbst mal mit seinen Schnecken im Garten versuchen.“

Schneckengarten ist ein Erlebnis

Wer bei seinem nächsten Besuch auf der Alb gerne mal „Schnecken checken“ möchte, kann sich bei Rita Goller anmelden und den schönen Garten besichtigen und vielleicht dabei auch Schneckenwurst probieren. Führungen für Kleingruppen kosten 20 Euro, der einfache Eintritt pro Person einen Euro.

Mehr Infos unter Tel: 07381 / 4781 und www.albschneckler.de