Riedlingen verspielt wohl wieder eine Chance – Ein Kommentar

Die Nachfolgelösung für das geschlossene Krankenhaus wird weiter in Riedlingen heiß diskutiert.
Die Nachfolgelösung für das geschlossene Krankenhaus wird weiter in Riedlingen heiß diskutiert. (Bild: MK)

Riedlingen – Bei der Verwirklichung des Ambulant Medizinischem Dienstleistungszentrums (AMD) in Riedlingen ziehen dunkle Wolken auf. Mit seinem jüngsten Mehrheitsbeschluss hat die Verwaltung und der Gemeinderat das Projekt ins Wanken gebracht. Der Gesprächsfaden zur BI (Bürgerinitiative für den Erhalt des Krankenhauses) ist nahezu gerissen und, wenn man genau hinhört, wohl zu den am AMD 2 interessierten Ärzten auch.

Die passt leider ins Bild, das Riedlingen seit jeher nach außen vermittelt: Uneinigkeit und Streitereien. Die Verwaltung und Gemeinderat hätten es in der Hand, das sogenannte „Runde-Konzept“ bequem und schnell umzusetzen, wenn dies nur gewollt wäre. Wer den Artikel von Prof. Alfons Runde „Die Digitalisierung als Antrieb zur Bildung regionaler Gesundheitszentren“ gelesen hat, weiß spätestens jetzt, was die Zeit geschlagen hat. Dort heißt es im Schlussabsatz: „Den Kommunen des ländlichen Raums ist dringend zu empfehlen, mit dem Mittel eines „runden Tisches“ die Initiative zu ergreifen, um derartige Strukturen (Gesundheitszentren) auf kommunaler Ebene abzubilden.“

Ein „runder Tisch“ bedingt, dass sich die Verwaltung und der Gemeinderat mit den Beratern und den am Projekt Interessierten (Ärzte etc.), austauschen. Ausgetauscht wurden bisher vor allem die begleitenden Berater (Alexander Leitz und die Fachvertreterin ambulantes Operieren Tietze). Schon sehr früh ging Runde, der Urheber des Versorgungs-Konzeptes, von Bord. Nun stellt sich die Frage, haben die Gemeinderäte jemals mit Runde, Leitz, Tietze und den interessierten Ärzten etc. vertrauensvolle Gespräche geführt, oder haben sie sich ausschließlich auf die Verwaltung verlassen? Dass dies nicht der beste Weg ist, zeigte sich spätestens mit der vorgetragenen „Ente“, dass im alten Krankenhaus bis über das Jahr 2024 hinaus operiert werden kann. Diese „Dehnung“ der Wahrheit würde das Biberacher Gemeinderatsgremium niemals tolerieren. In Riedlingen dagegen …

Doch nun hat die Verwaltung mit einem Schachzug, die von ihr ins Spiel und wohl auch favorisierte Investorenlösung erreicht. Dumm nur, dass dieser mögliche Investor bei der Ärztegewinnung bei null anfangen kann. Die bisher am AMD 2 Interessierten Ärzte*innen, werden schon der eigenen Glaubwürdigkeit wegen, nicht mehr an Bord sein. Damit entsteht vor Ort ein Versorgungs-Vakuum, das viele Patient*innen zum Weg nach Bad Saulgau, Ehingen, Biberach und Sigmaringen zwingt. Dort reiben sich die Verantwortlichen die Hände und freuen sich über das Riedlinger „Theater“ um eine gute Gesundheitsversorgung. Mit den Patienten und den Beschäftigten in den Praxen, wandert nicht nur Kaufkraft ab, Riedlingen verliert sogar noch Arbeitsplätze. Das scheint aber niemanden zu stören, selbst vom RHG (Riedlinger Handels- und Gewerbeverband) gibt es keine offiziellen Reaktion.

Riedlingen scheint sich treu zu bleiben. Audi wäre in Riedlingen gegründet worden, wenn der Gemeinderat, damals weitsichtiger gewesen wäre. Wer es nicht glaubt, kann gerne in der Firmenchronik des Konzerns nachlesen, oder einfach Prof. Winfried Assfalg fragen. Auch Liebherr war in Riedlingen nicht gewollt und baute stattdessen in Ehingen. Dort will man jetzt ein neues, riesiges Zweigwerk bauen, hat aber Probleme mit der Gemeinde Berg. Der Hinweis unserer Redaktion an die Verwaltung und die Fraktionssprecher, Liebherr ein Angebot für Riedlingen zu machen, blieb ohne jede Resonanz. Es interessiert wohl niemanden.

So wundert es eigentlich nicht, dass die Musik überall anders spielt, nur nicht in Riedlingen. Hier schwelgt man in Erinnerungen an die alte Oberamtsstadt und träumt von der „segenbringenden“ Blumenschau 2035. Es ist zu befürchten, dass die Bürger*innen der Stadt und der Raumschaft bis dorthin schon längst am eigenen Leib gespürt haben, welch hohen Preis sie, für eine vergebene Chance beim AMD zahlen müssen. Riedlingen verspielt wohl wieder eine Chance.