Vom Sektanstoß bis hin zum Wachsgießen: Traditionen gehören zu Silvester wie der Glockenschlag um Mitternacht. Bei uns im Ländle wird an diesem Abend nicht nur das Raclette und die Sektgläser gefüllt: in so manchem Haushalt geht es auch um die „Wurst“. So begrüßen die Schwaben das neue Jahr.
Die Schwaben mögen es deftig
Während in Italien am Silvesterabend traditionell Linsensuppe serviert wird, kommt im Ländle hauptsächlich das Raclette auf den Tisch. Dabei mögen es die Schwaben gerne herzhaft: Würstchen, Kartoffeln, Gemüse und Zwiebeln dürfen nicht fehlen. Hier gilt die oberste Regel: Zu viel Essen geht nicht.
Nach der ersten Runde wird mit Nachtisch oder einem Sekt verdaut (es geht natürlich auch beides), um dann eine Stunde später in die nächste Runde Raclette zu starten. Wer nach der Sause noch beim Gastgeber übernachtet, darf sich am Abend schon auf die Resteverwertung am nächsten Morgen freuen – denn das Raclette darf keinesfalls vom Tisch geräumt werden!

Auch ein Buffet aus Fingerfood, Salat und Dessert erfreut sich im Süden Deutschlands von großer Beliebtheit, denn das Prinzip von „Jeder bringt was mit“ hat sich hier über Generationen hinweg bewährt. Pizzaschnecken, Nudelsalat und Muffins: das geht einfach immer! Hier noch eine leckere Rezeptidee zu einem Maultaschensalat.
Hefegebäck als Glücksbringer
Am 1. Januar darf bei den Schwaben und auch den Baden das Neujahrsgebäck nicht fehlen. Vor allem die Neujahrsbrezel hat hier eine große Tradition. Die meist übergroßen Brezeln werden aus süßem Milch – oder Hefeteig gebacken und sind oft mit Flechtmustern verziert. Das Verspeisen der Neujahrsbrezel soll Glück bringen und vor Hunger schützen. Früher sollen darin außerdem Geldstückte eingebacken worden sein.

Würfeln um Leckereien
Eine wohl aus dem Mittelalter stammende Tradition ist heute beispielsweise am Silvestertag in Schramberg oder Sigmaringen üblich. Beim sogenannten „Silvesterpaschen“ wird um Hefegebäck oder Wurstringe gewürfelt. Dabei hat jeder Spieler drei Würfel, die niedrigste oder höchste Augenzahl gewinnt und darf die Leckereien mit nach Hause nehmen.
Nach dem gleichen Prinzip läuft in Reutlingen das „Mutscheln“ ab, auch wenn das nicht direkt an Silvester stattfindet. Die sternförmigen Mutscheln werden aus ähnlichem Teig gebacken wie die Neujahrsbrezeln.
Am Mutscheltag, dem Donnerstag nach dem Dreikönigstag, wird ebenfalls um diese gewürfelt. Den Gewinner küren verschiedene Spiele wie „Haar im Loch“ oder „Langer Entenschiss“, bei denen man lediglich drei Würfel und einen Notizblock benötigt.
So wird beim „Haar im Loch“ eine 1, 3 und 5 als Augenzahl erhofft. Einen Strich erhält derjenige, der nicht eine von diesen Zahlen wirft. Je nach Rundenanzahl kann so schnell ein Gewinner auserkoren werden, der die leckeren Mutscheln sein Eigen nennen darf.

Wer die sternförmige Leckerei für einen lustigen Spieleabend mit Freunde und Familie zubereiten möchte, braucht nicht viel:
500 g Mehl
200 ml Milch
1 Würfel Hefe
1 Ei
75 g Butter
10 g Salz
Die Hefe in die laufwarme Milch bröckeln und gut verrühren. Das Ei in einer kleinen Schüssel verquirlen und 2-3 EL davon beiseite stellen. Mehl, Salz, das restliche Ei, Butter und die Hefe-Milch-Mischung in eine Schüssel geben und zu einem Teig verkneten. Den Teig abdecken und an einem warmen Ort rund eine Stunde gehen lassen, bis sich das Volumen verdoppelt hat. Dann den Teig nochmal gut durchkneten und in sechs Stücke teilen.
Von jedem Stück eine kleine Menge Teig beiseitelegen, daraus wird später der Kranz geflochten, der auf der Mutschel liegt.
Aus dem übrigen Teilstück eine Kugel formen und leicht plattdrücken. Mit einem Messer acht Zacken einschneiden, in der Mitte einen Kreis stehen lassen. Die Zacken leicht auseinanderziehen, damit sich eine Sternform ergibt, und diese nochmals leicht flach drücken – der Kreis in der Mitte sollte jetzt etwas herausragen.
Anschließend aus dem beiseitegelegten Teilstück drei dünne Stränge rollen und diese vorsichtig flechten. Aus dem geflochtenen Band einen Kranz formen und um den Kreis in der Mitte der Sternform legen.
Alle sechs Teigstücke wie oben beschrieben verarbeiten und dann nochmals ca. 30 Minuten abgedeckt gehen lassen. Den Backofen auf 200 Grad vorheizen. Die Mutscheln mit dem übrigen, verquirlten Ei bestreichen und auf der mittleren Schiene ca. 15-20 Minuten backen, bis sie goldgelb sind.
Alle Spiele und Regeln findet man unter https://www.reutlingen.de/mutscheltag. Mal sehen, wer die meisten Mutscheln abstaubt…
Raketenknall und Glockengeläute
Das Zünden von Böllern und Raketen ist auch in den südlichen Regionen üblich. Zwar könnte man das von den sparsamen Schwaben anders erwarten, doch das Schießen von Feuerwerksraketen gehört für Jung und Alt einfach dazu.
Im Allgäu muss das jedoch nicht unbedingt sein. Hier wird das alte Jahr gerne mal mit Kuhglocken und Schellen verabschiedet. Die Einheimischen sowie die Gäste werden auch in diesem Jahr zum „s’Allgäu schealed“ aufgerufen, auf Feuerwerk und Böller zu verzichten.

Mit Schellen und Glocken das neue Jahr einzuläuten sei ein Bekenntnis zur Region und gleichzeitig ein Beitrag zum Schutz der Tier- und Umwelt.
Keine Wäsche waschen in den Raunächten
Das sagte schon Oma: In den Raunächten keinesfalls Wäsche waschen!
Gerade in kleineren Dörfern im Südwesten Deutschland findet man den Brauch, über die Feiertage keine Wäsche zu waschen. Dabei sollen nämlich böse Geister verärgert werden. In den „Raunächten“, den 12 Tagen nach Weihnachten, sollen die Gesetze von Leben und Tod aufgehoben sein. Damit können sich Geister frei umher bewegen.
Vor allem weiße Wäsche soll man nicht aufhängen, da die bösen Geister sich beim Umherirren darin verfangen und den Besitzer im neuen Jahr verfolgen könnten. Die Interpretation ist vielseitig, allerdings haben alle Überlieferungen etwas mit Geistern oder dem Tod zu tun.
Dem fleißigen Schwaben mag es schwerfallen, ein Jahr voller Pech ist es dann aber doch nicht wert. Die Wascharbeiten also sicherheitshalber einfach mal verschieben…
„An Guada Rutsch“
Der alljährlich gebrauchte Glückwunsch an Silvester wurde eingeschwäbelt. Aus dem guten Rutsch wurde so „An Guada Rutsch“, der frei heraus vermutlich jedem gewünscht wird der einem am Tag des Jahresumbruchs begegnet.
Das Wort „Rutsch“ kommt dabei vermutlich vom jiddischen Wort „Rosch“, das Anfang bedeutet. Dementsprechend geht es also nicht wirklich um den Übergang, sondern auf den Anfang eines guten Jahres. In dem Sinne bedeutet der Wunsch vom guten Rutsch so etwas wie „kommt gut hinüber“, oder „kommt gut im neuen Jahr an“.
Wenn es dann endlich Mitternacht ist und das neue Jahr mit offenen Armen begrüßt wird, wünschen sich die Menschen „A guads Nuis“. Wer sich jetzt fragt wie lange man das wünschen kann bevor es albern wird, sollte sich an die allgemeingültige Faustformel halten: einfach immer dann, wenn Sie jemanden zum ersten Mal seit den Feiertagen treffen.
Im Härtefall kann ein verschmitztes Grinsen auch im Frühjahr noch über die Tatsache hinweghelfen, dass man es vielleicht schlicht und einfach vergessen hat.
Ganz egal für welche Art von Tradition man sich entscheidet, „An Guada Rutsch“ wird es allemal.
(Quelle: swr.de, schwarzwälderbote.de, allgäuer-zeitung.de, let-them-eat-cake.de, reutlingen.de, faz.net)