Ravensburg (le) – Endlich kehrt wieder etwas Normalität in den Alltag ein. Die Gastronomie hat nach langer Zwangspause seit dem 24. Mai wieder von 6 bis 21 Uhr geöffnet und darf nach den 3G-Regeln (Getestet-Geimpft-Genesen) bewirten.
Der Einzelhandel und die Geschäfte bieten im ersten Schritt Click & Meet an oder es heißt bei vielen einfach nur „Sie dürfen gerne mit Maske hereinkommen“.

Was wann, wie und wo gilt, weiß im Grunde keiner so richtig, denn im Nachbargeschäft kann es schon ganz anders aussehen. Die Kunden sind einerseits glücklich, aber auch irritiert, vorsichtig und stellenweise sogar frustriert.
Wir haben uns umgehört:
Der Personalmangel ist für viele ein großes Problem
Ravensburg lebt wieder auf. Vor manchen Türen stehen die Kauffreudigen bereits wieder Schlange, bei anderen geht es dagegen noch recht zurückhaltend zu. Die Gastronomie hat sich bestmöglich vorbereitet und ist voller Hoffnung und Vorfreude, obwohl die Angst bei allen mitschwingt – wie lange erlauben die Corona-Zahlen dieses Mal ein „normales Leben“?
Ein großes Problem neben dem anhaltend schlechten Wetter ist für viele Gastronomen der akute Personalmangel. Viele Mitarbeiter haben sich während der langen Durststrecke umorientiert und somit fehlt qualifiziertes Personal an allen Ecken und Enden.
Alle hoffen auf bessere Zeiten
„Seit 30 Jahren hatten wir bei uns noch nie unter der Woche einen Ruhetag. Wegen fehlendem Personal ist jetzt dienstags geschlossen,“ so Inhaber Ulrich Schmalz vom bekannten Gasthof Engel, Marienplatz 71.

Das Stammpersonal in der Küche hat sich halbiert und neue Mitarbeiter sind schwer zu finden. „Es scheint auch so, dass gar nicht alle Leute mitbekommen haben, dass in Ravensburg die Lokale wieder offen sind.“ Immer wieder rufen im Gasthof Gäste an und wollen Essen online bestellen. „Wer vorbeischaut, möchte am liebsten im Freien bedient werden, erzählt Armin Schneider, der Sohn des Inhabers.
Für den Anfang gibt‘s eine kleinere Karte der bekannten schwäbischen Spezialitäten. „Wie alle anderen hoffen auch wir, dass das Wetter endlich wieder besser wird.“
Die Saisonarbeitskräfte bleiben aus
Arthur Campos vom Café Firenze betreibt seit 26 Jahren mit seiner gesamten Familie das beliebte Eiscafé mitten auf dem Marienplatz. Im Jahr 2019 hatte er noch 18 Mitarbeiter, aktuell sind es weniger als eine Handvoll.

„Normalerweise kommen zu uns über den Sommer immer Saisonarbeitskräfte aus Italien. Jetzt ist das anders. Sie reisen nur an, wenn gewährleistet ist, dass sie über Monate beschäftigt werden. Diese Sicherheit können wir ihnen nicht geben, also bleiben sie weg.“
Das Wetter bereitet der ganzen Familie Kopfschmerzen. Alle hoffen darauf, dass sich die Wetterlage demnächst entspannt. Im Innenbereich wurde bereits die Anzahl der Tische und Stühle stark reduziert, damit sich die Gäste sicher fühlen.

Keiner weiß so recht, was erlaubt ist
Im Taschen- und Lederwarengeschäft „Griffbereit“, Marktstraße 9, spickeln die Kunden vorsichtig durch die offenen Türen und wissen nicht so ganz, ob man ohne negativen Test überhaupt eintreten darf, ob man geimpft sein muss oder… Fachverkäuferin Monika Hasirci fällt auf, dass die Leute sehr verunsichert sind.

„Viele trauen sich erst rein, wenn ich sie freundlich dazu auffordere.“ Der Redebedarf ist groß und alle sind so froh und glücklich, dass sie endlich mal wieder shoppen können. Die Masken sind dabei kein Problem, das funktioniert wunderbar.
Im Museum Ravensburger, Marktstraße 26, steht das Telefon seit der Öffnung nicht mehr still und die Mails kommen fast im Minutentakt rein. Viele Familien wollen ihren Kindern endlich mal wieder was Spannendes bieten.

Vormittags dürfen 50 Personen in das Museum, nachmittags noch einmal so viele. Da sind die Plätze natürlich schnell vergeben und viele Besucher müssen vertröstet werden. Einlass ist hier nur nach vorheriger Anmeldung und mit den 3G-Regeln.
Für den Kaffee zwischendurch lohnt sich für viele der Aufwand nicht
Das Café „Bellazzo“ ist im Sport Reischmann integriert und eine beliebte Anlaufstelle für den schnellen Cappuccino in der Mittagspause, einen kleinen Snack oder für einen kühlen Spritz nach einem Einkauf im Sportgeschäft.
Nicole Scheuer ist seit 2019 die Franchise-Nehmerin des Cafés und komplett frustriert. „Unsere Stammgäste bleiben fast ausnahmslos weg, da sich der Aufwand und die Einhaltung der unzähligen Regeln für einen spontanen Espresso einfach nicht lohnen. „Wir hatten hier täglich einen kleineren Seniorenstammtisch. Die Rentner trafen sich bei uns in gemütlicher Runde. Jetzt bleiben sie weg und sind traurig. Ihnen ist die Luca App nicht vertraut, der tägliche Test zu umständlich und die zweite Impfung ist nicht bei allen durch“.

Mit kleineren Gruppen ist es dasselbe Problem. Einer ist immer dabei, der nicht getestet ist, also zieht die Gruppe weiter und verspricht, später nochmal mit einem Test zu kommen. Dann sind da noch die Impfgegner. „Die setzen sich bei uns einfach an die Tische ins Freie und wollen bestellen. Wenn wir ihnen erklären, dass das nicht erlaubt ist, sind sie auf Krawall gebürstet.“
Am meisten ärgert sich Nicole Scheuer darüber, dass Kunden im Sport Reischmann ohne die 3G-Regeln einkaufen dürfen und für einen Kaffee im gleichen Haus andere Regeln gelten. „Wir haben langsam das Gefühl, dass bei vielen die Angst vor dem Aufwand größer ist als die Angst vor einer Ansteckung“.
Den ersten Run erst mal abwarten
Um mehr Vorlauf für die Abläufe und Koordinierung zu haben, eröffnet die Brasserie Cocotte, Grüner-Turm-Straße 16, erst am 1. Juni.

„Wir machen alles selbst, von den Soßen über die Fonds bis hin zum Eissorbet,“ so Inhaber und Küchenchef Stefan Schulze. Der Gast sieht den Aufwand nicht, der dahintersteckt. Da auch hier qualifizierte Mitarbeiter fehlen, wird es die nächste Zeit keinen Mittagstisch geben.
