Prämiensparverträge: Ärgerliche Kündigungen, umstrittene Zins­anpassung

Symbolbild zum Thema Finanzen und Kreissparkasse.
Symbolbild zum Thema Finanzen und Kreissparkasse. (Bild: picture alliance / onw-images.de/Marius Bulling | Marius Bulling)

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Sparkassen kündigen lukrative alte Prämienspar­verträge. Das ist oft rechts­widrig. Jetzt urteilte der BGH: Sparern steht zudem ein oft vierstel­liger Zins­nach­schlag zu. Stiftung Warentest informiert:

Worum gehts?

Prämienspar­verträge waren lange ein Sparkassen-Bestseller. Zusätzlich zum Zins erhält der Sparer eine jähr­liche Prämie, die mit der Lauf­zeit steigt. In Nied­rigzins­phasen werden die Spar­prämien für die Sparkassen zur Belastung. Sie kündigen deshalb die alten Prämienspar­verträge. Doch das ist oft unzu­lässig

Kunden rechts­widrig benach­teiligt

Jetzt urteilten die Richter am Bundes­gerichts­hof (BGH) in Karls­ruhe: Die Sparkassen haben ihre Kunden bei der Anpassung der Zinsen zudem rechts­widrig benach­teiligt. Ihnen steht ein Nach­schlag zu. Wie hoch der ausfällt, steht aber noch nicht fest. Das Ober­landes­gericht Dresden muss jetzt klären, mit welchem Referenzzins­satz die Verträge nach­zurechnen sind. Die Verbraucherzentrale (VZ) Sachsen klagte im Namen von rund 1 300 Sparern gegen die Sparkasse Leipzig. Immerhin: Es müsse ein Zins­satz für lang­fristige Geld­anlagen sein, sagt Jürgen Ellen­berger, Vorsitzender des für Bank­recht zuständigen XI. Zivil­senats des BGH. Das heißt: Der fällige Nach­schlag für Prämiensparer dürfte regel­mäßig vierstel­lig ausfallen.

Umstrittene Zins­anpassung

Nach dem neuen Urteil des Bundes­gerichts­hofs steht fest: Prämiensparer, deren Verträge nicht bereits 2017 oder früher endeten, erhalten einen Nach­schlag. Die Sparkassen müssen die Verträge neu abrechnen und die ursprüng­lich vereinbarten Zins­sätze fair anpassen. Dafür sind nach Ansicht der Bundes­richter Zahlen der Bundes­bank zur Entwick­lung der Zinsen für lang­fristige Geld­anlagen in der Vergangenheit heran­zuziehen. Die Sparkassen müssen die Zinsen genau so anpassen, wie sich nach den Zahlen der Bundes­bank der Zins verändert hat. Die Zinsen wie früher nach „Guts­herren­art“ anzu­passen, sei eine unge­messene Benach­teiligung der Kunden und damit unwirk­sam, sagte Jürgen Ellen­berger, Vize-Präsident des BGH während der Urteils­verkündung. Maßgebend ist das Verhältnis zwischen Start­zins­satz und dem zu diesem Zeit­punkt gültigen Referenzzins­satz. Damit muss für jeden Monat der für den jeweiligen Vertrag faire Zins­satz neu errechnet werden. Die Folge: Fast allen Sparern steht ein vierstel­liger Zins­nach­schlag zu. Im Einzel­fall sind sogar 10 000 Euro oder mehr drin. Bundes­gerichts­hof, Urteil vom 06.10.2021
Aktenzeichen: XI ZR 234/20

„Das ist ein Paukenschlag und wichtiger Meilen­stein für den Verbraucher­schutz in Deutsch­land“, freute sich Andreas Eichhorst, Vorstand der Verbraucherzentrale Sachsen gleich nach der Urteils­verkündung. Vor zwei Jahren hatten er und sein Team die Klage erhoben. Inzwischen haben die Verbraucherschützer etliche weitere Sparkassen verklagt. Er erwartet, dass die Sparkassen sich jetzt daran machen, die fälligen Nach­schläge auszurechnen und zu zahlen. „Sollte das Geld nicht zügig fließen, drohen tausende Indivi­dualklagen und weitere Maßnahmen der Bundes­anstalt für Finanz­dienst­leistungs­aufsicht – bei aussichts­loser Rechts­lage der Sparkasse. Die Verbraucherzentrale Sachsen wird die Betroffenen auch in diesem Fall unterstützen“, kündigte Verbraucherschützer Eichhorst an.

Bafin: Sparkassen müssen von sich aus informieren

Zuvor hatte schon eine Studie der Verbraucherzentrale (VZ) Baden-Württem­berg gezeigt: Die Zins­berechnung vieler Sparkassen hält einer Über­prüfung anhand der Kriterien der Gerichte nicht stand. Einzel­heiten dazu im ausführlichen Bericht der VZ. Die Bafin hatte die Sparkassen in der Folge dazu gedrängt, ihren Verpflichtungen nach­zukommen. Als das nicht fruchtete, ordnete die Behörde an: Sparkassen müssen Kunden von sich aus darüber informieren, dass die Zins­anpassung unwirk­sam war und sie möglicher­weise weniger Zinsen als angemessen gezahlt haben. Darüber hinaus sollen sie ihren Kunden Nach­zahlungen zusichern.

Sparkassen wehren sich

Die 1 156 betroffenen Banken und Sparkassen haben inzwischen Wider­spruch einge­legt. Folge: Sie müssen die Bafin-Anordnung erst einmal nicht befolgen. Letzt­lich werden die Verwaltungs­gerichte entscheiden müssen. Bis zu einem rechts­kräftigen Urteil werden Jahre vergehen. Die Bafin empfiehlt Prämiensparern deshalb, ihre Ansprüche selbst zivilrecht­lich geltend zu machen und sich nicht darauf zu verlassen, dass es der Behörde gelingt, die Geld­institute zu Nach­zahlungen zu zwingen.

Geld trotz Verjährung

Trotzdem kann die Allgemein­verfügung der Bafin noch Bedeutung bekommen, wenn die Verwaltungs­gerichte die Prämienspar­verfügung der Behörde am Ende bestätigen. Sparkassen­kunden dürften nach Einschät­zung der Stiftung Warentest auch dann Geld bekommen, wenn sie selbst nichts unternommen haben und ihre zivilrecht­lichen Forderungen gegen das jeweilige Geld­institut inzwischen verjährt sind.

Verjährungs­frist beachten

Erst wenn das Ober­landes­gericht Dresden einen Referenzzins­satz fest­gelegt hat, lässt sich genau ausrechnen, wie viel Geld Sparern konkret noch zusteht. Aber Achtung: Ab der Kündigung des Prämienspar­vertrags läuft die Verjährung. Sobald nach Ende des Jahres, in dem die Sparkasse den Vertrag gekündigt hat, drei Jahre vergangen sind, ist das Recht auf eine Zins­nach­zahlung nicht mehr durch­setz­bar. Die Verjährung können Ex-Prämiensparer stoppen, indem sie ihre Rechte zur Musterfeststellungsklage gegen ihre Sparkasse anmelden, sich beim Ombuds­mann beschweren oder gericht­liche Schritte wie ein Mahn- oder Klage­verfahren einleiten. Dazu sollten sie einen Rechts­anwalt mit Erfahrung auf diesem Gebiet einschalten (Diese Anwälte waren bereits erfolgreich).

Über­prüfung lohnt sich oft

Die Verbraucherzentralen bieten Sparern eine Über­prüfung an, ob die Verzinsung über all die Jahre korrekt war. Nach den bisherigen Erfahrungen lohnt sich so ein Check für Sparer oft. Zum Beispiel beträgt nach Auskunft der VZ Sachsen der durch­schnitt­liche Anspruch bei den geprüften Fällen der Erzgebirgss­parkasse aus Anna­berg-Buch­holz rund 6 000 Euro. Auch sonst waren die Nach­zahlungen von Sparkassen meist um ein Vielfaches höher als die Kosten für die Über­prüfung (85 Euro). Dabei rechnen die Verbraucherzentralen mit einem für Sparer recht güns­tigen Referenzzins­satz. Bisher hielten einzelne Gerichte das für über­zeugend und bestätigten die Berechnungen. Abzu­warten bleibt, ob auch das Ober­landes­gericht Dresden im Muster­verfahren diesen verbraucherfreundliche Referenzzins­satz für richtig hält.

Muster­fest­stellungs­klagen gegen Sparkassen

Mehrere Klagen anhängig. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat außer gegen die Sparkasse Leipzig auch Muster­fest­stellungs­klagen gegen die Erzgebirgss­parkasse, die Sparkasse Zwickau, die Sparkasse Vogt­land und die Saalesparkasse erhoben. Der Verbraucherzentrale-Bundes­verband (vzbv) hat zudem die Sparkassen Nürn­berg und München verklagt.

Ansprüche nicht verjährt. Nach dem Urteil des Bundes­gerichts­hofs steht fest: Ansprüche der Verbraucher sind in aller Regel noch nicht verjährt. Damit haben Prämiensparer Anspruch auf die Nach­zahlung entgangener Zinsen für die gesamte Vertrags­lauf­zeit. Erst drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem der Spar­vertrag endete, tritt Verjährung ein.

Zins­berechnung unklar. Gericht­lich immer noch nicht geklärt ist allerdings, mit welchem Referenzzins­satz die faire Anpassung der Zinsen vorzunehmen ist. Davon hängt ab, wie viel Geld Sparer noch bekommen müssen. Details in unserem Special Musterfeststellungsklage.

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