Polizist kniet auf Mann: Prozess nach Polizeieinsatz

Nach einem umstrittenen Polizeieinsatz in einer Münchner S-Bahn-Station beginnt der Prozess.
Nach einem umstrittenen Polizeieinsatz in einer Münchner S-Bahn-Station beginnt der Prozess. (Bild: Matthias Balk/dpa)

WOCHENBLATT
WOCHENBLATT

Ein Polizist kniet in einer Münchner S-Bahn-Station auf dem Hals eines Mannes: Ein Video dieses Einsatzes machte im Juli Schlagzeilen. Nun kommt es zum Prozess – allerdings nicht gegen den Polizisten.

München (dpa) – Nach einem umstrittenen Polizeieinsatz in einer Münchner S-Bahn-Station beginnt heute (10.00 Uhr) der Prozess gegen einen 54-Jährigen wegen eines Angriffs auf die Beamten.

Der Mann muss sich unter anderem wegen Körperverletzung, Beleidigung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verantworten. Der Vorfall aus dem Februar 2020 hatte Schlagzeilen gemacht, weil sich ein Polizist beim Einsatz offenbar auf Kopf- und Halsregion des Angeklagten gekniet hatte.

Laut Staatsanwaltschaft hatte der Fahrgast in einer S-Bahn einen Fahrscheinkontrolleur «Nazi und Rassist» genannt. Nachdem die Kontrolleure mit ihm an der Station Isartor ausgestiegen waren und die Polizei riefen, sei der Mann gewalttätig geworden. Beim Eintreffen der Bundespolizei sei es zu einer Rangelei gekommen. Der 54-Jährige habe zu Boden gebracht und von fünf Beamten festgehalten werden müssen. Unter anderem habe er einer Polizistin ins Gesicht geschlagen und in die Hand gebissen.

Video vom Polizeieinsatz

Das Nachrichtenmagazin «Focus» veröffentlichte im Juli dieses Jahres ein Video des Geschehens. Das Material stammt nach Angaben der Bundespolizei aus einer Polizisten-Bodycam. Wie es an die Öffentlichkeit gelangte, ist unklar. Es zeigt, wie ein Polizist auf dem Hals des Fahrgastes kniet. Der Anklage zufolge fixierten die Beamten «den Oberkörper sowie die Arme» des Mannes.

«Focus online» zufolge war der Mann bei einer Fahrkartenkontrolle ins Visier der Beamten geraten, obwohl er eine gültige Fahrkarte gehabt habe. «Ein Mann kniete auf meinem Hals. Ich hatte wirklich Todesangst», zitiert das Portal einen Mann, bei dem es sich um die Person auf dem Video handeln soll.

Die Staatsanwaltschaft München I hatte nach Bekanntwerden des Materials mitgeteilt, das Vorgehen der Bundespolizei überprüfen zu wollen. Es handele sich um Vorermittlungen, um zu klären, ob ein Verfahren eingeleitet wird.

Das Video erinnert auf den ersten Blick – auch wenn die Folgen nicht zu vergleichen sind – an den tödlichen Polizeieinsatz gegen George Floyd in den USA, der eine Welle des Entsetzens und große Proteste ausgelöst hatte.

Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einem brutalen Polizeieinsatz getötet worden. Polizisten nahmen den 46-Jährigen fest, weil er eine Schachtel Zigaretten mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt haben soll. Videos von Passanten dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Einer von ihnen presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser immer wieder flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor das Bewusstsein und starb wenig später. Der Polizist wurde zu 22 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.