Polizeipräsidium Ravensburg nimmt Stellung zu Vorwürfen der Klimaaktivistenbewegung des Altdorfer Waldes

Das Polizeipräsidium nimmt Stellung zu Vorwürfen der Klimaaktivisten, / Symbobild Polizisten
Das Polizeipräsidium nimmt Stellung zu Vorwürfen der Klimaaktivisten, / Symbobild Polizisten (Bild: Pixabay)

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Ravensburg (ots) – Am Montagmorgen, 03.05.21, wurde aus dem Umfeld der Aktivistinnen und -aktivisten der Baumbesetzerszene des Altdorfer Waldes ein Email an örtliche Medienvertretungen versandt, in welchem gegen die Polizei Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz anlässlich der Blockade mehrerer Zufahrtswege zu Kieswerken am vergangenen Donnerstag, dem 29.04.21, erhoben werden.

Das Polizeipräsidium Ravensburg nimmt dazu im Einzelnen wie folgt Stellung:

Zur Aussage „ein Polizeibeamter durchtrennte aber ein solches Seil, sodass ein:e Aktivist:in aus etwa fünf Metern auf den Boden stürzte und sich dabei eine Fraktur am elften Wirbel zuzog..“, dazu auch „1. Beinahe wäre noch ein weiteres Mal ein:e Aktivist:in heruntergefallen, als ein Seil, an dem der Mensch hing, einfach gehalten, abgeschnitten und umgeknotet wurde. Hätten die Polizist:innen losgelassen, wäre der Mensch herunter gefallen. Es gab keine Sicherung oder Ähnliches“, und „2. Obwohl mehrfach von Aktivist:innen darauf hingewiesen wurde, wurden zur Räumung keine ausgebildeten Kletterpolizist:innen (Höhenretter:innen) gerufen, die bei Räumungen in über 2,50 Meter Höhe vorgeschrieben sind.

Stattdessen räumten ungeschulte lokale Polizeibeamt:innen mithilfe von Drehleitern der Feuerwehr die Aktivist:innen“:

Beim Einsatz am vergangenen Donnerstag unterstützte die Feuerwehr auf Anforderung der Polizei diese beim Freimachen der von Aktivistinnen und Aktivisten blockierten Zufahrtswege der betroffenen Kieswerke. Im Zusammenwirken zwischen Polizei und Feuerwehr wurden alle Aktivisten, die sich in den Bäumen entlang der Zufahrtsstrecken aufhielten, sicher zu Boden gebracht. Die Feuerwehr musste dabei im Beisein der Polizei teilweise Seilverbindungen lösen und umhängen, um die blockierten Zufahrten wieder freizumachen. Dies aber nicht „ohne Sicherung oder Ähnliches“, sondern unter Beachtung der einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften.

Eine polizeiliche Vorschrift, wonach ab einer Arbeitshöhe von 2,50 Metern Höhenretter zwingend einzusetzen sind, gibt es nicht.

Ein Aktivist stieg beim Heranführen einer Drehleiter selbst aus seiner Hängematte und löste dabei seine Seilsicherung. Anschließend hangelte er sich, nur noch mit Händen und Füßen an dem Traversenseil hängend, zum nächsten kleineren Baum, mutmaßlich um so zu entkommen und sich dadurch den polizeilichen Maßnahmen zur Feststellung seiner Identität zu entziehen. Auf dem kleineren Gehölz hatte er dann, ohne Seil, zunächst einen sicheren Stand. Um ein weiteres Umherklettern zu verhindern, wurde danach durch Einsatzkräfte das zuvor benutzte Traversenseil gekappt. Als der Aktivist dies sah, griff er nach dem losen Seilende und ließ sich dann mehr oder weniger theatralisch an dem Baum herunter in ein Gebüsch fallen, mutmaßlich, um den Eindruck zu erwecken, dass er bewusst durch die Polizei zum Absturz gebracht wurde.

Der Aktivist leistete nach seinem Fall auf dem Boden aktiv Widerstand gegen die eingesetzten Polizeibeamten und musste teilweise unter Anwendung von polizeilichem Zwang vorläufig festgenommen und in ein Polizeifahrzeug gesetzt werden. Später auf dem Polizeirevier klagte der Mann dann in englischer Sprache (später unterhielt er sich mit einem Mitstreiter auf Deutsch) über Schmerzen am Knöchel. Daher wurde umgehend ein Rettungswagen hinzugezogen und eine Untersuchung durch den Rettungsdienst veranlasst. Im Ergebnis seiner Untersuchung ergab sich keine Notwendigkeit für eine weitere Behandlung. Daher verblieb die Person zur Durch- und Fortführung weiterer strafprozessualer Maßnahmen im Polizeirevier. Das Polizeipräsidium Ravensburg weist den Vorwurf eines angeblichen Fehlverhaltens seitens der Polizei zurück und hat die Staatsanwaltschaft Ravensburg um eine Überprüfung ersucht.

Weitere Vorfälle, bei denen im Zusammenhang mit den Räumungsmaßnahmen Personen zu Schaden kamen, sind dem Polizeipräsidium Ravensburg nicht bekannt.

Zum Vorwurf „3. Die Polizei verweigerte einzelnen Pressevertreter*innen den Zugang zu den Räumungen“:

Alle Einsatzräume waren gut zugänglich und auch nicht weiträumig abgesperrt. Der Zugang war bis unmittelbar zu den Aktivistinnen und Aktivisten sowie direkte Gespräche auf Zuruf möglich. Keinem Pressevertreter, der sich ordnungsgemäß als solcher legitimierte, wurde ein Zugang zu den unmittelbaren Einsatzstellen verwehrt. Im Gegenteil, zur Betreuung der Medien befand sich der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Ravensburg vor Ort, um Medienschaffenden gefahrlose Aufnahmen zu ermöglichen und entsprechende Auskünfte zu geben. Es wurde lediglich ein Fernbleiben aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich gefordert und von den Medienschaffenden auch ohne Einwände eingehalten.

Zum Vorhalt „4. Frauen* wurde angedroht, von Polizisten „angefasst“ und durchsucht zu werden und mussten darum kämpfen, dass sie von Polizistinnen durchsucht werden. Während der Durchsuchung wurden sie trotzdem von Polizisten angestarrt“:

Durchsuchungen von Personen werden grundsätzlich von Beamtinnen und Beamten des gleichen Geschlechts durchgeführt. Dies wurde im vorliegenden Einsatz auch eingehalten. In einem Fall wurde eine Beamtin bei Maßnahmen gegen eine Aktivistin aufgrund ihrer kurzen Haare fälschlicherweise von einem Aktivisten aus der Ferne lautstark als Mann beschimpft. Dieser wurde dann aber über seinen „Irrtum“ aufgeklärt.

Zu 5.: „5. Auch auf Nachfrage hin, wurde einigen Aktivist:innen trotz stundenlangem Gewahrsam nicht gestattet auf die Toilette zu gehen, etwas zu trinken oder zu essen“:

In allen Gewahrsamseinrichtungen befinden sich Toiletten, welche jederzeit selbständig genutzt werden können. Teilweise haben Betroffene eine Benutzung dieser Toiletten von sich aus aber abgelehnt. In einigen Fällen wurde Personen im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen darüber hinaus sogar gestattet, statt der Toiletten in den Gewahrsamsräumen die in den Dienststellen vorhandenen Gästetoiletten zu benutzen.

Zu 6.: „6. Es wurden Aktivist:innen im Gewahrsam der Körper und besonders Finger mit Alkohol behandelt, obwohl dies nur unter ärztlicher Aufsicht erlaubt ist. Diese gab es jedoch nicht“:

Die Aktivistinnen und Aktivisten hatten zur Verhinderung einer Identitätsfeststellung bzw. erkennungsdienstlichen Behandlung ihre Fingerkuppen durch Verwendung von Kleber oder Harz manipuliert und darüber hinaus ihre Finger teilweise geritzt oder aufgestochen. Im Rahmen des Versuchs, diese Fremdsubstanzen zu entfernen, um dadurch eine strafprozessuale Identitätsfeststellung als Voraussetzung der Strafverfolgung zu ermöglichen, wurde ausschließlich hautschonendes Olivenöl sowie ph-neutrales Duschgel eingesetzt. Im Einzelfall wurde aus Hygienegründen noch Desinfektionsmittel, welches zur Anwendung auf der Haut freigegeben ist, verwendet. Auf einen Einsatz von Alkohol oder sonstigen chemischen Lösungsmitteln wurde nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft explizit verzichtet.

Zu 7.: „7. Auch nach mehrmaligem Nachfragen wurden festgenommen Aktivist:innen Beschlagnahmungsprotokolle für persönliche Gegenstände wie Handys, Rucksäcke und Kleidung nicht ausgehändigt. Der Verbleib der Gegenstände ist ungeklärt“:

Beschlagnahmte Gegenstände, die ihren Besitzern zugeordnet werden konnten, sind entweder zwischenzeitlich wieder ausgehändigt worden oder als Beweismittel weiterhin von Bedeutung und daher nach wie vor beschlagnahmt. Ein Rucksack kann aktuell keinem Besitzer zugeordnet werden, weswegen hier die Besitzverhältnisse zunächst noch geklärt werden müssen.

Zu 8.: „8. Eine unbeteiligte Person schoss Fotos und wurde ohne bekannten Grund vorläufig festgenommen und in Friedrichshafen ausgesetzt“:

Die Person war nicht unbeteiligt, sondern den Aktivisten zuzurechnen.

Aufgefundene Beweismittel stützen diese Annahme. Die Person wurde zunächst nach Friedrichshafen verbracht und dort nach Abschluss der Ermittlungsmaßnahmen wieder auf freien Fuß gesetzt.

Abschließend ist anzumerken, dass beim Polizeipräsidium Ravensburg bislang keine Dienstaufsichtsbeschwerde oder eine Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung im Zusammenhang mit den Einsatzmaßnahmen vom vergangenen Donnerstag anhängig ist.

Den erhobenen Vorwurf, dass „mutwillig Menschenleben durch die Polizei gefährdet“ wurden, weist das Polizeipräsidium Ravensburg in aller Deutlichkeit zurück. Vielmehr wurde die rechtswidrige Blockadeaktion, die einen Nötigungstatbestand darstellt, unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit und mit dem Ziel, die Gesundheit der Protestierenden im Zuge der polizeilichen Maßnahmen bestmöglich zu schützen, aufwändig und mit entsprechendem personellem und materiellem Mitteleinsatz aufgelöst.

(Pressemitteilung Polizeipräsidium Ravensburg)