Klimakrise Polizei räumt Lützerath – Kohlegegner leisten Widerstand

Ein Klimaschutzaktivist wird von der Polizei weggetragen.
Ein Klimaschutzaktivist wird von der Polizei weggetragen. (Bild: Oliver Berg/dpa)

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Die Angst vor Gewalt war groß. Zum Auftakt der Räumung von Lützerath gab es auch vereinzelte Angriffe auf Polizisten. Einige Klimaaktivisten gingen freiwillig, andere wollen noch ausharren.

Erkelenz (dpa) – Unter überwiegend friedlichem Protest hat die Polizei begonnen, den von Klimaaktivisten besetzte Ort Lützerath im Rheinischen Revier zu räumen.

Bis zum Nachmittag zeigte sich ein Sprecher «sehr zufrieden» mit dem Verlauf: «Für die Polizei läuft bislang alles nach Plan.» Im Vorfeld war mit massivem Widerstand gerechnet worden. Beobachter sprachen dagegen von einer zum Teil entspannten Atmosphäre. Früh am Morgen war es zum Auftakt der Räumung im zu Erkelenz zählenden Ortsteil Lützerath zu Rangeleien gekommen. Laut Polizei wurde ein Molotow-Cocktail, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Beamten geworfen.

Der Energiekonzern RWE will die unter Lützerath liegende Kohle abbaggern – dafür soll der Weiler auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz abgerissen werden. In Lützerath leben seit Monaten Klimaaktivisten in leerstehenden Häusern.

Einige Klimaschützer folgten der Aufforderung der Polizei und gingen freiwillig. Sie wurden vom Gelände eskortiert. Viele wollen aber weiter Widerstand leisten. «Die Menschen sind fest entschlossen dazubleiben, auszuharren, die Bäume und die Gebäude zu schützen», sagte Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative «Lützerath lebt».

Eine weitere Sprecherin warf der Polizei einen überharten Einsatz vor. Helfer seien nicht durchgelassen worden, sagte eine Sprecherin von «Lützerath lebt». «Jetzt gerade eben wurde erst wieder eine Aktivistin unter Schmerzgriffen rausgebracht», sagte sie am Nachmittag. Sie habe auch von Verletzten gehört.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kritisierte am Mittag Übergriffe auf Polizisten scharf. «Ich bin eigentlich nur fassungslos und verstehe es nicht, wie Menschen sowas machen können», sagte Reul über die Würfe in Richtung seiner Beamten. Jetzt seien alle friedlichen Demonstranten in der Pflicht, sich von Aktionen gewaltbereiter Aktivisten zu distanzieren. «Man kann woanders demonstrieren, man muss denen jetzt nicht noch behilflich sein dadurch, dass man da steht und die Polizei bei der Arbeit stört», sagte er.

Keine Informationen zu verletzten Polizisten

Ab Mittag hatte die Polizei damit begonnen, Aktivisten von Bäumen und Podesten zu holen. Dabei setzten die Beamten an verschiedenen Stellen Hebebühnen ein. Am Ortseingang von Lützerath begannen Bagger mit Abrissarbeiten. Auch eines der Ortsschilder von Lützerath wurde am frühen Nachmittag entfernt. Später warfen Beamte selbstgebaute kleine Holzhäuser auf Stelzen um und setzten so die Räumung fort. Nach Angaben eines dpa-Reporters wurden die Beamten dabei in dem Hütten- und Baumhauscamp von Schmährufen der Aktivisten begleitet. Die Polizei entfernte dabei zum Beispiel auch Feuerlöscher, die von den Aktivisten in den Hütten aufbewahrt wurden.

Zu verletzten Polizisten lagen bis zum Nachmittag nach Auskunft eines Sprechers keine Informationen vor. Auch zu möglichen Festnahmen könne er noch nichts sagen. «Wir haben hier ganz überwiegend friedlichen Protest erlebt, in Sitzblockaden, auf Tripods – und das sind Protestformen, mit denen wir super parat kommen», betonte er. Wenn die Aktivisten sich wegtragen ließen, sei das noch passiver Protest und damit ihm Rahmen dessen, was angemessen sei.

«Gezielte Kommunikation hat zur Deeskalation beigetragen»

Nach Ansicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ist das Einsatzkonzept der Polizei bei der Räumung des Dorfes Lützerath bislang aufgegangen. «Die gezielte Kommunikation hat zur Deeskalation der Lage beigetragen», sagte der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt am Mittag. «Erfahrungen aus vergangenen Einsätzen, wie der im Hambacher Forst 2018 zeigen, dass die Polizei mit erheblichem Widerstand bis hin zu aufgestellten Fallen rechnen muss.»

Die führende Klimaaktivistin Greta Thunberg will für Proteste nach Lützerath kommen. Die junge Schwedin wird nach dpa-Informationen am Samstag (ab 12.00 Uhr) an einer Demonstration gegen die Räumung der von Klimaaktivisten besetzten Ortschaft teilnehmen. Thunberg war bereits im September 2021 nach Lützerath gereist, um gegen den Kohleabbau und für die Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels zu demonstrieren – einen Tag vor der damaligen Bundestagswahl.

Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat im Konflikt um die Räumung des Braunkohledorfs Lützerath an alle Seiten appelliert, keine Spirale der Gewalt in Gang zu setzen. «Friedliche Proteste sind zentraler Bestandteil einer lebendigen Demokratie», unterstrich er laut Mitteilung des Generalvikariats. «Zu einem glaubwürdigen Rechtsstaat gehört aber auch, dass Regeln und Vereinbarungen eingehalten werden.»