Personalprobleme in Kliniken

Personalprobleme in Kliniken
Oberschwabenklinik Haupteingang (Bild: OSK)

Vor wenigen Wochen schreckte Oliver Arnold, Geschäftsführer der Oberschwabenklinik Ravensburg (OSK) die Bevölkerung mit dem Hinweis auf, man wolle an den drei Kliniken Doppelstrukturen abschaffen. Er macht dafür zunehmende Personalprobleme verantwortlich. Offensichtlich fehlen im Klinikverbund Bad Waldsee, Ravensburg und Wangen 55 Vollkraft-Pflegestellen. Eine Pflegefachkraft hat im Jahr 76 Patienten, von der Aufnahme bis zur Entlassung zu betreuen. Damit liegen die OSK-Kliniken deutlich über dem Landesdurchschnitt, der bei 65,8 Patienten liegt, an der Uni Tübingen gar nur bei 50.

Die OSK-Kliniken betreiben an ihren drei Standorten jeweils eine Station für Innere Medizin, Anästhesie und Orthopädie, in zwei Kliniken (Ravensburg und Wangen) wird jeweils noch eine Gynäkologische Station und die Unfall-Chirurgie betrieben. Ob die mittlerweile nicht mehr ausgeschlossene Zusammenarbeit zwischen den beiden Konkurrenten zu einer Entlastung führen, wird sich zeigen. Tatsache ist, so die OSK Klinik auf ihrer Homepage, dass sich die Aufsichtsräte des Medizin Campus Bodensee (MCB) und der Oberschwabenklinik (OSK) zu einer gemeinsamen Sitzung getroffen. Im Mittelpunkt standen nach einer Bestandsaufnahme zur Krankenhausversorgung in der Region mögliche Felder für eine künftige Zusammenarbeit. Weitere Gespräch sollen folgen.

Sind diese Probleme nur ein Problem des OSK-Klinikverbundes, oder sind auch andere Kliniken davon betroffen. Das WOCHENBLATT holte dazu Stellungnahmen von den Sana Kliniken Landkreis Biberach GmbH, SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH, sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V. und dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration (Baden-Württemberg) ein.

Sana-Kliniken Landkreis Biberach GmbH

Manja Olbrich, Unternehmenskommunikation und Marketing bei den Sana-Kliniken Landkreis Biberach GmbH teilte zu der Anfrage mit:

Mit dem Neubau bieten wir beste Voraussetzungen für ein hochwertiges Gesundheitssystem hier im Landkreis. Mit der Zentralisierung der medizinischen Angebote auf dem Biberacher Gesundheitscampus und der Umsetzung eines Zentrums für Älterenmedizin in Laupheim bieten wir ein breites und abgestimmtes Medizinkonzept für die Patientenversorgung im Landkreis Biberach mit den entsprechenden notwendigen personellen Kapazitäten.

Bundesweit ist die Gewinnung von qualifiziertem Fachpersonal jedoch eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen – das stellen wir natürlich auch bei uns fest. Umso wichtiger ist es, in Aus- und Weiterbildung zu investieren und als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Dafür bieten wir unter anderem flexible Arbeitszeitmodelle, eine tarifliche Vergütung, jährliche Sonder- und Leistungszahlungen und eine Zusatzversorgung für das Alter. Darüber hinaus unterstützen wir neue Mitarbeiter bei Bedarf beim Erlernen der deutschen Sprache, bei der Wohnraumbeschaffung und beteiligen uns an eventuell entstehenden Umzugskosten.

Auch die Anwerbung von Fachkräften von außerhalb der EU ist ein vielversprechender Baustein. So konnten bereits im März die ersten Pflegekräfte von den Philippinen ihre Arbeit bei uns aufnehmen.

In jeden Fall haben wir mit diesem Klinikneubau ein attraktives Arbeitsumfeld geschaffen, das durch Komfort und kurze Wege nicht nur unseren Patienten, sondern auch den Mitarbeitern ideale Voraussetzungen bietet und bei der Anwerbung qualifizierter Fachkräfte einen Vorteil darstellt.

Manja Olbrich, Unternehmenskommunikation und Marketing, Sana-Kliniken Landkreis Biberach GmbH

SRH-Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH

Für die SRH-Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH, gab Michaela Zeeb, Referentin Kommunikation & Marketing, bereitwillig Auskunft

Zur Frage, ob es in Ihren Kliniken ähnliche Probleme, wie bei den OSK-Kliniken gibt, antwortete sie: Auch wir sind mit dem Fachkräftemangel auf dem Gesundheitsmarkt konfrontiert. Dies ist kein regionales Problem, sondern ein deutschlandweites. Schon der Fortschrittsbericht 2017 des Bundesarbeitsministeriums hat vor Jahren auf den sich verstärkenden Personalengpass aufmerksam gemacht. Wir sind demnach so, wie auch andere Kliniken, fortwährend auf der Suche nach Fachkräften in der Pflege und für den ärztlichen Dienst.

Zur Frage nach der Ursache des grundsätzliche Personal-Problems führte Sie aus: „Sicher ist hier jeder Fachbereich berufsspezifisch und individuell zu betrachten. Fakt ist: der Personalmarkt für medizinisches Personal ist bundesweit seit Jahren sehr prekär. Zuspitzen wird sich die Lage, so eine Studie des BMAS, noch durch die zunehmende Überalterung der deutschen Gesellschaft.“

Ob eine Besserung der grundsätzlichen Situation möglich ist, kann Zeeb nur für ihren Klinikverbund beantworten: „Wir können nur für uns antworten. Wir haben die Personalakquise intensiviert, engagieren uns attraktive Arbeitsbedingungen bereitzustellen und bieten gezielte Maßnahmen zur Mitarbeitergewinnung und -bindung an.  In unserer Berufsfachschule für Pflege haben wir unsere Ausbildungsplätze auf 90 Plätze erhöht und natürlich möchten wir unsere Auszubildenden, die im Herbst 2021 ihre Prüfung erfolgreich abschließen gerne übernehmen.“

Zeeb weist auch darauf hin, dass Personalprobleme nicht nur auf einzelne Bereiche reduziert werden können, sondern gesamthaft betrachtet werden: „Wir suchen deshalb fortlaufend für unsere drei Standorte in Bad Saulgau, Pfullendorf und Sigmaringen Ärzte und Ärztinnen, Hebammen/Entbindungspfleger, MTLA/MTRA sowie OP- und Pflegepersonal.“

Michaela Zeeb, Referentin Kommunikation & Marketing, SRH-Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH
Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg

Pressereferent Florian Mader beantwortete für das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration unsere Fragen:

Worin sehen die Ursache für das wohl grundsätzliche Personal-Problem in den Kliniken und wie wäre aus Ihrer Sicht?
Wir wissen, dass es aktuell auf dem Arbeitsmarkt einen massiven Fachkräftemangel gibt und damit viel zu wenige Pflegekräfte zur Verfügung stehen – das erschwert die Einhaltung von Personalvorgaben. Schon vor der Pandemie haben Pflegekräfte an ihrer Belastungsgrenze gearbeitet – dies hat sich nun in der aktuellen Situation nun nochmals erheblich verschärft. Viele Fachkräfte sind am Ende ihrer Kräfte angekommen und es steht zu befürchten, dass sie aus der Branche abwandern.

Es gilt nun, alle Anstrengungen zu unternehmen, dass sie die positive Seite ihres Berufes wieder wahrnehmen können – denn es ist eigentlich ein Beruf, in dem sich engagierte Menschen zum Wohl unserer Gesellschaft einsetzen, den sie in einem hohen Maße als sinnstiftend erleben, hochmotiviert Menschenleben retten, zu heilen, Schmerzen zu lindern, Bedürftige zu pflegen. Dies verdient unseren Respekt und höchste Anerkennung. Berufe in der Pflege und im Gesundheitswesen sind ohne jeden Zweifel und ausnahmslos systemrelevant.

Wir unterstreichen ausdrücklich, dass die Pflegeberufe und die Berufe des Gesundheitswesens insgesamt nicht erst seit dem pandemischen Geschehen von gesamtgesellschaftlicher Tragweite und Bedeutung sind.
Die Ursachen sind zum Teil demographisch bedingt.

Mit der zum 1. Januar 2020 wirksam gewordenen generalistischen Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz ist jedoch die Erwartung verbunden, dass die Pflegeberufe insgesamt an Attraktivität gewinnen und durch die hochschulische Pflegeausbildung neue Zielgruppen angesprochen werden. Auch durch die fortschreitende Akademisierung werden die Pflegeberufe aufgewertet und den Bedarfen unserer Zeit angepasst. Durch die Ausgliederung der Personalkosten in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden aus dem DRG-System soll die Refinanzierung der Lohnkosten ermöglicht werden. Die Entwicklung hier bleibt abzuwarten.

Innerhalb der Fachkräfteallianz Baden-Württemberg, deren Ziel es ist, die berufliche Ausbildung zu stärken, spielen die Pflegeberufe eine große Rolle. Das Ministerium für Gesundheit, Soziales und Integration wirbt dafür, dass gerade auch die Pflege zukunftssichere Arbeitsplätze mit Aufstiegschancen bietet. Die Verantwortung für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen liegt allerdings größtenteils bei den Tarifparteien.

In den letzten Jahren wurde die Ausbildung durchlässiger. Für zugewanderte Menschen mit noch zu geringen Deutschkenntnissen wurde ein gezieltes Ausbildungsangebot mit intensiver Deutschförderung konzipiert. Zudem fördert Baden-Württemberg den Zuzug qualifizierter ausländischer Fachkräfte.

Welche Handlungsempfehlungen können Sie geben, wie kann Nachwuchs für die Kliniken generiert werden?
Die Novellierung der Pflegeberufe zum Stichtag 01.01.2020 dient nicht zuletzt auch dem Ziel, die Pflegeberufe insgesamt attraktiver zu machen. Durch die generalistisch ausgerichtete Ausbildung bieten sich breitere Einsatzmöglichkeiten, flexiblere Karriereplanungen, Zusammenarbeit in interprofessionellen Teams. Auch die durch das Pflegeberufegesetz eingeführte hochschulischen Pflegeausbildungen ist geeignet, weitere berufliche Perspektiven zu eröffnen und neue Zielgruppen zu adressieren.

Durch das Pflegestärkungsgesetz sollen ab 2020 die tatsächlichen Kosten der Krankenhäuser für das Pflegepersonal, voll refinanziert werden. Damit ist die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten, der Pflege am Bett, aus dem Fallpauschalensystem – einem pauschalierten Vergütungssystem – erfolgt. Grund für die bundesgesetzliche Regelung war eine stärkere Orientierung an den tatsächlichen Kosten. Es wird erwartet, dass es dadurch zu einer besser abgesicherten Finanzierung des Pflegpersonals kommt. Darüber hinaus sollen durch die Einführung von Personaluntergrenzen die Pflegekräfte entlastet werden. Seitens des Bundes sind bei der Ausgestaltung der Regelungen allerdings noch viele Fragen nicht gelöst worden.

Welche Rahmenbedingungen kann/muss die Politik schaffen, um die sich weiter verschlechternden Personalengpässe entschärfen?
Die in Baden-Württemberg praktizierte Krankenhausrahmenplanung ermöglicht es den Krankenhäusern, innerhalb des jeweiligen Versorgungsauftrags und der ausgewiesenen Gesamtbettenzahl grundsätzlich flexibel auf den Bedarf zu reagieren. Die darauf aufbauenden vorhandenen Strukturen haben in der Pandemie – trotz dieser Flexibilität – gezeigt, dass die Versorgung der verschiedenen Schweregrade der COVID-19 Patientinnen und Patienten sehr gut bewerkstelligt werden konnte.

Florian Mader, Pressereferent, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg
Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V.

Joachim Odenbach, Bereichsleiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V., sieht die Entwicklung aus einer anderen Sicht:

„Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen droht der entscheidende limitierende Faktor in der Versorgung zu werden. Gerade aber der Bedarf nach Pflegenden wird in den kommenden Jahren aufgrund der älter werdenden Bevölkerung noch spürbar steigen. Und dies, obwohl in den vergangene zehn Jahren der Personalbestand deutlich erhöht wurde. Nicht nur beim Pflegepersonal, sondern auch für Ärztinnen und Ärzte, IT-Fachkräfte und die weiteren Gesundheitsberufe im Krankenhaus wird der Fachkräftemangel dauerhaft eine Herausforderung sein.

Die Pflegenden benötigen ein deutliches Zeichen, wie sich mittelfristig der Personalbestand in den Kliniken entwickeln soll. In diesem Zusammenhang sind starre und unflexible Vorgaben wie die Pflegepersonaluntergrenzen ein falsches Zeichen und erschweren auch noch den Einsatz der ohnehin knappen Personalressourcen und werden den individuellen Gegebenheiten vor Ort nicht gerecht. Der Personaleinsatz muss im Verantwortungsbereich der Krankenhäuser liegen. Die Pflegepersonaluntergrenzen in ihrer jetzigen Form sind deshalb durch das im Auftrag der „Konzertierten Aktion Pflege“ von der DKG, dem Deutschen Pflegerat und ver.di konzipierte Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument (PPR 2.0) zu ersetzen.

Die Zahl der Auszubildenden muss auch in den kommenden Jahren weiter erhöht werden. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Arbeit im Krankenhaus in unserer Gesellschaft ist. Das Interesse der jungen Menschen, die in den kommenden Jahren die Schulen verlassen, ist groß.

Zudem muss dringend der Arbeitsalltag im Krankenhaus entbürokratisiert werden. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege stellt die Bürokratie eine massive Zusatzbelastung dar. Dass Pflegende aber auch Ärzte und Ärztinnen ein Drittel ihrer täglichen Arbeitszeit mit Akten statt mit den Patientinnen und Patienten verbringen, ist nicht akzeptabel und verschärft den Personalmangel zusätzlich.

Dies alles muss mit einer attraktiven Vergütung für alle beteiligten Berufsgruppen im Krankenhaus einhergehen. Die Kliniken wollen die Vergütung ihrer Beschäftigten wettbewerbsfähig weiterentwickeln. Dazu erwarten sie aber auch, dass nicht nur die Kosten für das Pflegepersonal auf den Stationen, sondern auch die für alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollständig im Rahmen des bestehenden Finanzierungssystems refinanziert werden.“

Joachim Odenbach, Bereichsleiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V.