Panzerlieferung an die Ukraine: Die SPD wägt weiter ab

Bei der Beurteilung, ob schwere Kampfpanzer an die Ukraine geliefert werden sollen, gibt es zwischen den Abgeordneten des Wahlkreises Biberach deutliche Unterschiede.
Bei der Beurteilung, ob schwere Kampfpanzer an die Ukraine geliefert werden sollen, gibt es zwischen den Abgeordneten des Wahlkreises Biberach deutliche Unterschiede. (Bild: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka // picture alliance / Eibner-Pressefoto | EIBNER/DROFITSCH // picture alliance/dpa | Jörg Carstensen)

Mit großer Spannung verfolgte die westliche Welt den Auftritt von Bundekanzler Olaf Scholz (SPD) beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Statt einer klaren Aussage zur Lieferung von schweren Kampfpanzern an die Ukraine, weigerte sich Scholz selbst auf kritische Nachfragen von Journalisten eine klare Auskunft zu geben. Nach Meinung von Beobachtern isoliert sich Deutschland im westlichen Bündnis immer weiter, das Zögern des Kanzlers – nicht nur in dieser Frage – wird mittlerweile als fast peinlich empfunden. Wir fragten deshalb bei den Abgeordneten des Wahlkreises Biberach nach.

Den Abgeordneten stellten wir folgende Fragen: Wie sehen Sie die Situation? Warum will sich Scholz trotz großem Druck der Verbündeten nicht festlegen?  Er sagte doch einst (nach der Wahl zum Kanzler): „Wer Führung bestellt, bekommt sie auch!“ Ist das nun die Führung, die Deutschland braucht und uns international und von unseren Partnern Respekt/Verständnis einbringt?

Rief: „Der Bundeskanzler muss führen, nicht zaudern!“

Kritisch sieht MdB Josef Rief (CDU) die Position und das Agieren des Kanzlers: „Ihre Fragen spiegeln genau meine Meinung wider. Der Bundeskanzler darf nicht zögern, sondern muss führen. Auch unsere Bündnispartner reagieren mit Unverständnis auf dieses Zaudern.

Ich übersende den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, den wir aktuell im Plenum debattieren.

Darin fordern wir die Genehmigung für die Ausfuhr von Kampfpanzern, die logistische Unterstützung der Ukraine mit Ersatzteilen und Munition sowie umgehend die notwendigen Aufträge an die Industrie zu erteilen, um sämtliche dort eingelagerten Kampfpanzer vom Typ LEOPARD 1 und LEOPARD 2 unverzüglich einsatzbereit zu machen.“

Zudem übermittelte uns Rief einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion die Ukraine durch Lieferung von Kampfpanzern zu unterstützen. Rief merkt dazu an: „Es ist bereits unser vierter Antrag mit der Forderung, dass Deutschland in Abstimmung mit den Verbündeten schwere Waffen in die Ukraine liefern soll. Gegenwärtig ist es so, dass mehrere Staaten Leopard-Panzer liefern möchten, Scholz aber die notwendige Genehmigung bisher verweigert hat.“

Reinalter: Abstimmungen unter Hochdruck

Die Abgeordnete Prof. Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen) sieht die Notwendigkeit der Unterstützung, will aber das Ergebnis der Absprachen mit den Verbündeten abwarten: „Unser Ziel ist es, dass Menschenleben in der Ukraine gerettet und geschützt werden und dass sich der Krieg nicht ausweitet.

Vor einer Woche war unsere Außenministerin Annalena Baerbock, als erstes Mitglied des Regierungskabinetts, in Charkiw und sagte der Ukraine zusätzliche Unterstützung in Höhe von insgesamt 40 Millionen Euro zu.

Sie konnte sich vor Ort davon überzeugen, wie wichtig und notwendig Panzerlieferungen sind. Aber – wir treffen diese Entscheidungen gemeinsam mit unseren europäischen Partnern und für die Abstimmungen braucht es ab und zu Zeit. Unsere Bundesregierung führt diese Abstimmungen gerade unter Hochdruck.“

Gerster sieht eine klare Haltung des Kanzlers

Voll auf Kanzler-Kurs gibt sich MdB Martin Gerster (SPD): „Putins völkerrechtswidriger Angriff auf die Ukraine hat dramatische Auswirkungen auf ganz Europa und Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz hat vielfach umfassende Unterstützung für die Ukraine zugesichert. Das betrifft insbesondere auch die Lieferung von Waffen. Deutschland gehört zusammen mit den USA und Großbritannien zu den drei Ländern, die hier am meisten Unterstützung für die Ukraine leisten. Gleichzeitig ist es aber wichtig, dass wir alles tun, um eine Ausweitung des Konflikts oder gar einen Krieg zwischen der NATO und Russland zu vermeiden. Olaf Scholz war deswegen beispielsweise in China, wo er sehr erfolgreich eine klare Positionierung Chinas zur Ächtung eines möglichen Atomwaffeneinsatzes in diesem Konflikt erreicht hat.“

Nach Gersters Worten bedarf Deutschlands Engagement bei Waffenlieferungen aber weiterhin einer Abstimmung mit den Partnern. Erst gestern habe der Bundeskanzler deswegen mit US-Präsident Joe Biden telefoniert. Scholz erhält von Gerster volle Rückendeckung: „Ich bin sehr froh, dass wir mit Olaf Scholz einen Bundeskanzler haben, der klug und besonnen handelt und nicht den stündlich neu erhobenen Forderungen nach noch mehr Waffen und schwereren Gerätschaften vorschnell folgt. Von ‚Isolierung Deutschlands‘ und ‚peinlich‘ kann überhaupt nicht die Rede sein. Gerade bei uns im Landkreis Biberach höre ich bei vielen Gesprächen, dass die klare Haltung von Olaf Scholz, nicht jedem Ruf nach mehr Waffen umgehend zu folgen, sondern genau abzuwägen, auf sehr viel Zuspruch stößt.“

Peinlich findet Gerster vielmehr die Äußerungen von Unions- Fraktionschef Friedrich Merz, der einerseits die Grausamkeit und Brutalität des Kriegs betont, anderseits aber Menschen, die aus der Ukraine flüchten, „Sozialtourismus“ vorgeworfen habe.

Die Ereignisse überschlagen sich

Heute wurde im Parlament über den Antrag (s. o.) der CDU/CSU zur Lieferung von Kampfpanzern beraten. Die Lieferung von Leopard-Panzern Typ 1 und 2 an die Ukraine ist im Bundestag zwar weiterhin strittig und wurde nach einer teils hitzigen Debatte zur weiteren Beratung in den federführenden Auswärtigen Ausschuss verwiesen. Derweil berät sich der neue ernannte Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seinem amerikanischen Kollegen Lloyd James Austin. Wenn sich morgen die Mitglieder der Ukraine-Kontaktgruppe auf der US-Base in Rammstein treffen, wird es wohl Klarheit über weitergehende Maßnahmen geben. Schon heute wurde bekannt, dass Schweden der Ukraine bis zu 50 in Schützenpanzern CV 90 (Stridsfordon 90), Panzerabwehrwaffen vom Typ NLAW und Artilleriesystem des Archer liefern will.