Online-Vortrag von Reinhard Genzel bei der 70. Lindauer Nobelpreisträgertagung

Online-Vortrag von Reinhard Genzel bei der 70. Lindauer Nobelpreisträgertagung
Physik-Nobelpreisträger Reinhard Genzel. (Bild: picture alliance/dpa/EPA POOL | Lukas Barth-Tuttas)

„Mit dem Speer sozusagen ins Schwarze getroffen“

Lindau – Der frische gebackene Nobelpreisträger Reinhard Genzel hat bei einem per Livestream übertragenen Vortrag anlässlich der 70. Nobelpreisträgertagung in Lindau knapp einstündig über Galaxien und Schwarze Löcher unterhaltsam referiert.

Galaxien und Schwarze Löcher sind das Forschungsfeld, für dessen Ergebnisse und Erkenntnisse Genzel 2020 zusammen Rodger Penrose den Nobelpreis für Physik erhalten hat

Reinhard Genzel, am 24. März 1952 geboren, ist der Sohn des Professors für Festkörperphysik Ludwig Genzel (1922–2003). In der Jugend zählte er zu den besten deutschen Nachwuchsathleten im Speerwurf. Nach dem Abitur am Berthold-Gymnasium in Freiburg im Breisgau studierte er als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes Physik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Diplom 1975) und wurde 1978 bei Peter Georg Mezger am Max-Planck-Institut für Radioastronomie promoviert.

Er ging anschließend an das Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge, Massachusetts und war von 1980 bis 1982 als Miller Fellow und ab 1981 als Associate Professor an der University of California, Berkeley, an der er 1985/86 und von 1999 bis 2016 eine Professur („Full Professor“) innehatte. Genzel wurde 1986 zum wissenschaftlichen Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und zum Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München berufen. Seit 1988 ist er Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Ein Schwarzes Loch ist ein Objekt, dessen Masse auf ein extrem kleines Volumen konzentriert ist und infolge dieser Kompaktheit in seiner unmittelbaren Umgebung eine so starke Anziehungskraft erzeugt, dass nicht einmal das Licht diesen Bereich verlassen oder durchlaufen kann.
Ein Schwarzes Loch ist ein Objekt, dessen Masse auf ein extrem kleines Volumen konzentriert ist und infolge dieser Kompaktheit in seiner unmittelbaren Umgebung eine so starke Anziehungskraft erzeugt, dass nicht einmal das Licht diesen Bereich verlassen oder durchlaufen kann. (Bild: Pixabay)

Reinhard Genzel war maßgeblich an der Entwicklung der Infrarot- und Submillimeter-Astronomie beteiligt. So gelang ihm mit seinem Team zunächst am La-Silla-Observatorium (ab 1992) und dann am Very Large Telescope über langjährige Beobachtungen der Bahnen von Sternen nahe dem Zentrum der Milchstraße der Nachweis, dass sich dort ein supermassereiches Schwarzes Loch von etwa 4,3 Millionen Sonnenmassen befindet. Unabhängig gelang dies auch Astronomen um Andrea Ghez am Keck-Observatorium. Beide erhielten für ihre Entdeckung eine Hälfte des Nobelpreises für Physik 2020, die andere Hälfte erhält Roger Penrose.

Genzel ist mit der Kinderärztin und Professorin Orsolya Genzel-Boroviczeny verheiratet und hat zwei Kinder.

Der Astrophysiker erläuterte in seinem Vortrag die Geschichte der Entdeckung der sogenannten Schwarzen Löcher im Universum.

Ein Schwarzes Loch ist ein Objekt, dessen Masse auf ein extrem kleines Volumen konzentriert ist und infolge dieser Kompaktheit in seiner unmittelbaren Umgebung eine so starke Anziehungskraft erzeugt, dass nicht einmal das Licht diesen Bereich verlassen oder durchlaufen kann. Die äußere Grenze dieses Bereiches wird Ereignishorizont genannt. Nichts kann einen Ereignishorizont von innen nach außen überschreiten – keine Information, keine Strahlung und schon gar keine Materie. Dass ein „Weg nach außen“ nicht einmal mehr denkbar ist, beschreibt die allgemeine Relativitätstheorie schlüssig durch eine extreme Krümmung der Raumzeit.

Es gibt unterschiedliche Klassen von Schwarzen Löchern mit ihren jeweiligen Entstehungsmechanismen. Am einfachsten zu verstehen sind stellare Schwarze Löcher, die entstehen, wenn ein Stern einer bestimmten Größe seinen gesamten „Brennstoff“ verbraucht hat und kollabiert. Während die äußeren Hüllen dann in einer Supernova abgestoßen werden, fällt der Kern durch seinen Schweredruck zu einem extrem kompakten Körper zusammen.

Ein Schwarzes Loch ist ein Objekt, dessen Masse auf ein extrem kleines Volumen konzentriert ist und infolge dieser Kompaktheit in seiner unmittelbaren Umgebung eine so starke Gravitation erzeugt, dass nicht einmal das Licht diesen Bereich verlassen oder durchlaufen kann.
Ein Schwarzes Loch ist ein Objekt, dessen Masse auf ein extrem kleines Volumen konzentriert ist und infolge dieser Kompaktheit in seiner unmittelbaren Umgebung eine so starke Gravitation erzeugt, dass nicht einmal das Licht diesen Bereich verlassen oder durchlaufen kann. (Bild: Pixabay)

Für ein hypothetisches Schwarzes Loch von der Masse der Sonne hätte der Ereignishorizont einen Durchmesser von nur etwa sechs Kilometern, das entspricht dem 230.000-sten Teil des jetzigen Sonnendurchmessers. Am anderen Ende des Spektrums gibt es supermassive Schwarze Löcher von millionen- bis milliardenfacher Sonnenmasse, die im Zentrum von Galaxien stehen und eine wichtige Rolle in deren Entwicklung spielen.

Außerhalb des Ereignishorizonts verhält sich ein Schwarzes Loch wie ein normaler Massenkörper und kann von anderen Himmelskörpern auf stabilen Bahnen umrundet werden. Der Ereignishorizont erscheint von außen visuell als vollkommen schwarzes und undurchsichtiges Objekt, in dessen Nähe der dahinterliegende Raum wie durch eine optische Linse verzerrt abgebildet wird.

Die Bezeichnung Schwarzes Loch wurde im Jahr 1967 durch John Archibald Wheeler geprägt. Zu jener Zeit galt die Existenz der erst theoretisch beschriebenen Schwarzen Löcher zwar als sehr wahrscheinlich, war aber noch nicht durch Beobachtungen bestätigt. Später wurden zahlreiche Beispiele für Auswirkungen Schwarzer Löcher beobachtet, z. B. ab 1992 die Untersuchungen des supermassereichen Schwarzen Lochs Sagittarius A* im Zentrum der Milchstraße im Infrarotbereich. 2016 wurde die Fusion zweier Schwarzer Löcher über die dabei erzeugten Gravitationswellen durch LIGO beobachtet und 2019 gelang eine radioteleskopische Aufnahme eines Bildes des supermassereichen Schwarzen Lochs M87* im Zentrum der Galaxie M87.

Reinhard Genzel warnte die Zuschauer auf unterhaltsame Weise, einem Schwarzen Loch zu nahe zu kommen: „Da gibt es kein Entrinnen mehr. Was einmal in seine Nähe kommt wird aufgesogen und verschluckt“. Dass Menschen jemals in diese Situation kommen könnten, ist allerdings extrem unwahrscheinlich.

Ihm gelang es, die Existenz der Schwarzen Löcher exakt nachzuweisen. Man konnte sogar ihre Ausdehnung vermessen. Eine Rolle spielten dabei auch die sogenannten „Quasare“.

Nahezu jede Milchstraße verfügt über ein Schwarzes Loch, das wegen der unglaublichen Anziehungskräfte die Bewegungen der Sterne, quasi als „Sternenballett“ steuert.
Nahezu jede Milchstraße verfügt über ein Schwarzes Loch, das wegen der unglaublichen Anziehungskräfte die Bewegungen der Sterne, quasi als „Sternenballett“ steuert. (Bild: Pixabay)

Ein Quasar ist der aktive Kern einer Galaxie, der im sichtbaren Bereich des Lichts nahezu punktförmig erscheint (wie ein Stern) und sehr große Energiemengen in anderen Wellenlängenbereichen ausstrahlt. Der Name Quasar wurde vom englischen quasi-stellar radio source abgeleitet, was als „stern(en)artige …“ oder auch „stern(en)ähnliche Radioquelle“ übersetzt werden kann.

Die Strahlungsemission eines Quasars stammt von einer rotierenden Scheibe leuchtender Materie, der Akkretionsscheibe, die ein supermassereiches Schwarzes Loch umgibt.

Genzel ließ die Zuschauer bzw. Zuhörer wissen, dass seine Forschungen ergeben hätten, dass nahezu jede Milchstraße über ein Schwarzes Loch verfügt, das wegen der unglaublichen Anziehungskräfte die Bewegungen der Sterne, quasi als „Sternenballett“ steuert. 2018 sei es gelungen vier Teleskope zusammenzuschließen, um die Sternenbewegungen von Nacht zu Nacht zu messen. Diese Bewegungsmuster ließen wiederum konkrete Rückschlüsse auf die Existenz der Schwarzen Löcher zu. Dabei habe sich die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein als richtig und schlüssig erwiesen.

Der frische gebackene Nobelpreisträger informierte am Ende seines Vortrages, dass die Europäische Weltraumorganisation ESA und die amerikanische NASA in 20 Jahren planten, ein Riesenobservatorium im Weltraum zu installieren, um noch tiefer und weiter in ferne Galaxien, ihre Abläufe und Abhängigkeiten blicken zu können.

Es gibt also für Astrophysiker auch in der Zukunft noch unglaublich viel zu erforschen und zu entdecken. Und genau diese Botschaft gab Genzel dem wissenschaftliche Nachwuchs bei der 70. Lindauer Nobelpreisträgertagung auf den Weg.