Pandemiebekämpfung Neue Impfkampagne – Land sieht sich ausreichend aufgestellt

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha spricht.
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha spricht. (Bild: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild)

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Kaum jemand lässt sich noch gegen das Coronavirus impfen. Das könnte sich aber ändern, wenn im Herbst wie befürchtet die Infektionszahlen steigen. Außerdem wird es bereits bald neue Impfstoffe geben. Das Land will an seiner Impfstruktur aber nichts ändern. Vorerst.

Stuttgart (dpa/lsw) – Nach langem Warten werden in Kürze auch in Baden-Württemberg erste Corona-Impfstoffe verfügbar, die an die Omikron-Variante angepasst wurden. Für die neue Kampagne mit den neuen, fortentwickelten Corona-Impfstoffen sieht sich das Land gut aufgestellt. «Einen vergleichbaren Massenansturm auf die Impfungen wie zu Beginn der Impfkampagne Anfang 2021, als nahezu ganz Baden-Württemberg gleichzeitig geimpft werden wollte, erwarten wir nach derzeitigem Stand nicht», sagte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage.

Die vergangenen Jahre hätten aber auch gezeigt, dass die Lage sich schnell ändern könne. «Sollte dies der Fall sein, werden weitere Kapazitäten hochgefahren», hieß es. Ziel sei es, dass «für jede und jeden ein Impfangebot zur Verfügung steht».

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hatte am Donnerstag den Weg für zwei an die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe für Menschen ab zwölf Jahren freigemacht: Es geht um Booster, die auch der Sublinie BA.1 Rechnung tragen. Eine Stiko-Empfehlung speziell dazu steht noch aus.

Das Bundesgesundheitsministerium erwartet in den nächsten beiden Wochen rund 14 Millionen Dosen des Impfstoffs. Ärzte bereiten sich deshalb auf zügige Impfungen mit den neuen Impfstoffen vor, sie dringen aber auch auf eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission. Praxen können den neuen Impfstoff laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung bis kommenden Dienstag anfordern.

Erste Dosen könnten voraussichtlich noch am Donnerstag oder Freitag kommen. «Voraussichtlich ab kommender Woche werden die angepassten Impfstoffe auch in Baden-Württemberg verimpft», teilte das Gesundheitsministerium in Stuttgart am Freitag mit. Das Land werde anteilig rund 1,3 Millionen Dosen des angepassten Impfstoffes von BioNTech/Pfizer sowie 523.900 Dosen des Herstellers Moderna erhalten.

Baden-Württemberg hatte sein Impfangebot wegen fehlender Nachfrage bereits vor Monaten stark heruntergefahren. Mit dem verschlankten Impfkonzept reagierte die Regierung auf die sinkende Nachfrage, außerdem sollten die enormen Kosten gedrückt werden. Im vergangenen Jahr hatte das Impfen und Testen das Land mehrere Hundert Millionen Euro gekostet.

Auch derzeit kommt die Impfkampagne kaum voran. Experten und Politik mahnen weiter, dass nur eine Dreifachimpfung gegen einen schweren Verlauf bei einer Covid-19-Erkrankung schützt. Doch schon seit Monaten lassen sich kaum noch Menschen immunisieren. In Baden-Württemberg sind bislang 75,7 Prozent der Menschen mindestens einmal geimpft, 66,6 Prozent haben eine Auffrischungsimpfung. Zuletzt wurden 14.400 Menschen in einer Woche erstmals geimpft, grundimmunisiert oder ihre Impfung wurde aufgefrischt.

Auch für den Herbst und Winter seien Impfangebote ohne staatliche Impfstrukturen vorgesehen, sagte der Ministeriumssprecher. Sie sollen über das sogenannte Regelsystem erfolgen – das sind rund 7000 Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte, in denen geimpft wird, aber auch Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Apotheken. Dadurch sind laut Gesundheitsministerium wöchentlich rund 810.000 Impfungen im Land möglich.

FDP-Gesundheitsexperte Jochen Haußmann zeigte sich weniger optimistisch als Minister Lucha, er richtete den Blick vor allem auf die vulnerablen Gruppen. «Die vorliegenden Impfzahlen in Pflegeeinrichtungen sind in vielen Kreisen mehr als bedenklich», sagte er. «Und das trotz Impfempfehlung des RKI, die seit einigen Wochen für Menschen über 70 und für Pflegeheimbewohner vorliegt.» Das Land laufe genau wie in vorherigen Jahren wieder auf eine prekäre Situation in Alten- und Pflegeheimen zu, warnte Haußmann.