Neue Angriffe in der Hafenstadt Mariupol: Die aktuelle Lage im Kriegsgebiet

Nach den Raketeneinschlägen steigt schwarzer Rauch über der Stadt Lwiw auf.
Nach den Raketeneinschlägen steigt schwarzer Rauch über der Stadt Lwiw auf. (Bild: kyodo/dpa)

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Schwere Raketenangriffe auf Lwiw mit Toten und Verletzten. Neue Angriffe auch in der Hafenstadt Mariupol. Der ukrainische Präsident Selenskyj kritisiert das Zögern bei Waffenlieferungen. Die neuesten Ereignisse im Überblick.

Kiew (dpa) – Nach Angaben aus Kiew ist Lwiw von schweren am Morgen von Raketenangriffen worden – es gibt tote und Verletzte. Aus der seit Wochen heftig umkämpften Hafenstadt Mariupol werden ebenfalls neue russische Angriffe mit Raketen und Bomben gemeldet.

In der ukrainischen Kleinstadt Kreminna im Gebeit Luhansk sind ukrainischen Angaben zufolge russische Streitkräfte einmarschiert – die Kämpfe direkt in der Stadt sollen anhalten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mahnt ein Ende des Zögerns bei Waffenlieferungen für sein Land an. Angesichts einer erwarteten neuen Offensive russischer Truppen seien Verzögerungen «eine Erlaubnis für Russland, das Leben von Ukrainern zu nehmen», sagte Selenskyj in der Nacht in seiner täglichen Videoansprache.

Unter den Verletzten auch ein Kind

Bei Raketenangriffen auf die westukrainische Großstadt Lwiw (Lemberg) sind nach dortigen Behördenangaben mindestens sechs Menschen getötet und elf weitere verletzt worden. Unter den Verletzten sei auch ein Kind, schrieb der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, auf seiner Facebook-Seite. Die Rettungskräfte seien im Einsatz, sagte er. Die historische Altstadt von Lwiw (Lemberg) gehört zum Weltkulturerbe der Unesco.

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Über die Anzahl der Raketen gibt es unterschiedliche Angaben. Sadowyj sprach insgesamt von fünf Einschlägen, Gebietsgouverneur Maxym Kosyzkyj von vier Raketen. Drei davon hätten Militärobjekte getroffen, eine sei auf ein ziviles Objekt, einen Reifenservice, abgeschossen worden, teilte er mit. Daneben sollen auch ein Hotel und rund 40 Autos beschädigt worden sein.

Lwiw war in der Vergangenheit schon Ziel von Luftangriffen. In der Nähe der Stadt gibt es mehrere Militärobjekte. Darüber hinaus haben die russischen Streitkräfte auch ein Treibstofflager beschossen. Lwiw gilt auch als wichtiger Umschlagpunkt für Waffenlieferungen aus dem Westen. Russland hatte diese Waffenlieferungen als legitimes Ziel für eigene Luftangriffe genannt und zuletzt damit gedroht, diese Lieferungen verstärkt zu bekämpfen.

Ukraine meldet weitere Angriffe auf Mariupol

Der ukrainische Generalstab berichtete am Sonntagabend von russischen Raketen- und Bombenangriffen auf das belagerte Mariupol. Dabei kämen auch Überschallbomber vom Typ Tu-22M3 zum Einsatz. Regierungschef Denys Schmyhal sagte dem US-Sender ABC, die Stadt sei nicht gefallen.

Die ukrainischen Soldaten würden in Mariupol «bis zum Ende kämpfen». Außenminister Dmytro Kuleba berichtete im US-Sender CBS, die eigenen Truppen seien «im Grunde eingekreist» von russischen Truppen, die Mariupol dem Erdboden gleichmachen wollten. Wörtlich sagte Kuleba: «Die Stadt existiert nicht mehr.»

Russland hatte den verbliebenen ukrainischen Truppen in Mariupol zuvor mit Vernichtung gedroht. Ein Ultimatum, die Waffen bis zum Sonntagmittag niederzulegen und sich zu ergeben, ließen die Ukrainer verstreichen.

Mariupols Polizeichef: Auch viele Zivilisten in Stahlwerk

Mehrere Tausend ukrainische Verteidiger Mariupols sollen sich in dem riesigen Stahlwerk Asowstal verschanzt haben. Auch zahlreiche Zivilisten befinden sich nach Angaben örtlicher Behörden auf dem umkämpften Gelände des Werks, zu dem auch unterirdische Anlagen gehören.

Die Menschen hätten sich dort vor Beschuss während der wochenlangem Belagerung der Stadt durch das russische Militär versteckt, sagte der Chef der Streifenpolizei von Mariupol, Michajlo Werschinin, dem Lokalfernsehen. «Sie trauen den Russen nicht. Sie sehen, was in der Stadt vor sich geht, und bleiben deswegen auf dem Werksgelände.» Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Große Teile von Mariupol befinden sich inzwischen unter Kontrolle des russischen Militärs. In Mariupol hielten sich noch rund 100.000 Einwohner auf, sagte Werschinin. Die russischen Truppen ließen sie für Essen Trümmer räumen sowie Leichen bergen und in Massengräbern beerdigen, behauptete er. Mariupol hatte vor dem Krieg rund 400.000 Einwohner. Nach der langen Belagerung und dem Dauerbeschuss werden Tausende Tote unter den Zivilisten befürchtet.

Straßenkämpfe in ostukrainischer Stadt

Die russischen Streitkräfte sind nach ukrainischen Angaben in die Kleinstadt Kreminna im Gebiet Luhansk einmarschiert. «In der Nacht konnte der Feind bis Kreminna vorstoßen, nur festsetzen konnte er sich dort nicht. Die Kämpfe direkt in der Stadt halten an», teilte der Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, auf seiner Facebook-Seite mit. Kreminna sei neben der Stadt Rubischne, um die seit eineinhalb Monaten erbittert gekämpft werde, derzeit der größte Krisenherd, so Hajdaj. Russische Panzertechnik sei in großem Umfang in die Stadt eingefahren. Zudem berichtete Hajdaj über den massiven Beschuss der Stadt, durch den mehrere Wohnhäuser und ein Sportkomplex beschädigt worden seien. Der ukrainische Generalstab hatte in seinem Lagebericht zuvor mitgeteilt, dass die russischen Angriffe abgewehrt worden seien. Die Berichte können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden.

Selenskyj: Menschenschicksale hängen von Waffenlieferungen ab

Selenskyj warnte, dass das russische Militär für die nächste Zeit eine Offensive in der Industrieregion Donbass im Osten der Ukraine vorbereite: «So wie die russischen Truppen Mariupol zerstören, wollen sie auch andere Städte und Gemeinden in den Gebieten Donezk und Luhansk dem Erdboden gleichmachen.»

Man sei den Partnern dankbar, die helfen. «Aber diejenigen, die von uns benötigte Waffen und Munition haben und ihre Hilfe zurückhalten, müssen wissen, dass das Schicksal dieser Schlacht auch von ihnen abhängt. Das Schicksal von Menschen, die gerettet werden können», sagte Selenskyj.

Er nannte keine Länder beim Namen. Jedoch hatte es zuletzt in Deutschland Streit in der Ampel-Koalition über die Lieferung schwerer Waffen gegeben. Politiker von Grünen und FDP hatten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Zaudern vorgeworfen. Militärexperten gehen davon aus, dass die Ukraine im Osten des Landes deutlich mehr schwere Waffen brauchen wird, um gegen Angriffe zu bestehen. Das liegt unter anderem an dem offenen Terrain ohne große Wälder.

Selenskyj kündigte angesichts des befürchteten Großangriffs im Osten des Landes harte Gegenwehr an. «Wir werden unser Territorium nicht aufgeben», sagte er dem Nachrichtensender CNN. Die Schlacht in der Region Donbass könne den Verlauf des gesamten Krieges beeinflussen.

Gouverneur: Ukrainische Truppen erobern Orte bei Charkiw zurück

Die ukrainischen Truppen konnten nach Behördenangaben bei einer Gegenoffensive mehrere Ortschaften in der Nähe der Großstadt Charkiw im Nordosten zurückerobern. Damit seien die russischen Truppen weiter von der zweitgrößten Stadt der Ukraine zurückgedrängt wurden, teilte der Gouverneur des Gebiets, Oleh Synjehubow, in seinem Kanal beim Messaging-Dienst Telegram mit.

Zuvor hatten die Behörden gemeldet, dass beim Beschuss des Stadtzentrums am Sonntag mindestens 5 Menschen getötet und 13 verletzt worden seien.