Sobald im Supermarkt Lebkuchen und Dominosteine in den Aufstellern vor den Kassen zum Kauf angeboten werden weiß jede Frau, jetzt wird’s langsam ernst mit den Weihnachtsgeschenken – also irgendwann Anfang September. Zur gleichen Zeit freuen sich die zugehörigen Männer lediglich darüber, dass es weitere süße Leckereien im Supermarkt gibt. Männer kommen meist erst dann in durchaus vermeidbaren Weihnachtsstress, wenn es eigentlich schon zu spät ist – und die Frauen schon fast alles allein organisiert haben.
Geschenke? Dafür gibt’s schließlich den 24.12.
Während Frauen sich das ganze Jahr über Gedanken und Notizen machen was wer aus der Familie oder dem Bekanntenkreis wohl gut gebrauchen könnte und wie jeder einzelne glücklich zu machen ist, kommen Männer erst etwas später ins Christmas-Shopping-Fieber: Um genau zu sein am Abend des 23. Dezembers. Aber dann läuft das Gehirn eines Mannes auf Hochtouren: Idee Nr. 1: Schnell noch irgendwas bei Amazon bestellen! Und obwohl der amerikanische „Allesmöglichmacher“ wirklich sehr schnelle Lieferzeiten hat, ist das selbst für Amazon etwas zu kurzfristig.
Also schnell zu Idee Nr. 2: Zuhause im Keller und auf der Bühne nach irgendetwas suchen, was sich einigermaßen gut als Geschenk machen würde. Und auch wenn Männer oftmals als romantisch einfältig angesehen werden merken sie doch recht schnell, dass die Liebste mit altem Krempel wohl eher nicht besonders glücklich zu machen sein dürfte. Somit bleibt nur noch Idee Nr. 3: Früh am nächsten Morgen in die Stadt fahren und noch schnell Schmuck oder Unterwäsche besorgen.
Grundsätzlich ein zu diesem späten Zeitpunkt kein allzu schlechter Einfall. Am nächsten Morgen muss dann aber zunächst noch der Weihnachtsbaum aufgestellt und die Holzgrippe aus einem der 86 unbeschrifteten Kartons von der Bühne geholt werden. Anschließend muss dann noch der Festbraten beim Metzger abgeholt werden – denn wenn die Frau schon kocht kann Mann wenigstens das Fleisch besorgen.
Aber dann, um kurz nach 14 Uhr, kanns endlich losgehen. Mit großer Verwunderung wird dann festgestellt, dass die meisten Geschäfte schon geschlossen haben und der 24. Dezember jedes Jahr der Tag sein dürfte, an dem fast ausschließlich Männer in der Stadt zu sehen sind. Soll es also wirklich wieder das exotische Maracuja-Bade-Set für 9,99 € wie die letzten Jahre sein? Und eine weitere Bodymilk vom Drogeriemarkt dürfte auch dieses Jahr nicht allzu gut ankommen. Also schnell noch einen Juwelier suchen. Und tatsächlich gibt es noch einen cleveren Schmuckverkäufer, der die missliche Lage der verzweifelten Männer durch längere Öffnungszeiten an Heiligenabend auszunutzen weiß. Wenn dann nach kurzem Überlegen ein einigermaßen schöner Ring ausgesucht und kurz vorm Verpacken ist, kommt sie, die niederschmetternde Frage, die ein Mann wirklich niemals hören möchte: Welche Ringgröße hat Ihre Frau denn? Was, hat denn nicht jede Frau die gleiche Ringgröße? Kann das denn nicht irgendwie von der Größe, dem Gewicht oder der körperlichen Tätigkeit abgeleitet werden? Auf keine der Fragen gibt es die Antwort, die Mann in dem Moment hören möchte. Und mittlerweile ist es kurz nach 16 Uhr…
Ein Hoch auf die Tankstelle nebenan – also zumindest, wenn es um Öl geht
Da spätestens jetzt alle Geschäfte in der Stadt geschlossen haben und der Geschenkekorb immer noch komplett leer ist, bleibt jetzt nur noch Plan B: die gute alte Tankstelle. Hier gibt es ja schließlich fast alles, was Männer so im Alltag gebrauchen können – dann wird wohl auch etwas für eine Frau dabei sein.
Da diese Idee schon ein paar weitere Männer hatten, ist das Angebot recht überschaubar: Scheibenfrostschutz, Motoröl, Energy Drinks, Chips, Schokoriegel, Deodorant, Bifi oder das doch das rote Überbrückungskabel? Bei dieser miserablen Auswahl erkennt selbst der einfältigste Mann, dass hiermit zu Hause nicht wirklich zu punkten sein wird. Da die Uhr mittlerweile 16:48 Uhr anzeigt und die Schwiegereltern auf 18 Uhr eingeladen sind, ist jetzt keine Zeit für weitere Experimente – es hilft nur noch Plan C: ein selbstgebastelter Gutschein für einen Ring nach Wahl oder eine Massage im Beauty Studio.
Zuhause angekommen werden dann schnell die Kinder aus ihrem Zimmer verscheucht und versucht mit deren Bastelutensilien etwas einigermaßen stilvolles und zugleich wertschätzendes zu basteln. Das Ergebnis ist vielleicht nicht perfekt, kann sich aber tatsächlich durchaus sehen lassen. Anschließend schnell unter die Dusche und das schönes Festtagshemd übergezogen. Pünktlich um 18 Uhr kann Mann dann mit einem aufgesetzten Lächeln die Eltern seiner Frau begrüßen und muss auch gleich direkt berichten, wie gut es im Job läuft und ob er sein Versprechen vom letzten Weihnachtsfest auch eingehalten hat, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. Nach zwei schön formulierten Lügen hat Mann sich dann erst mal einen großen Schluck Wein verdient.
Eine fast perfekte Bescherung
Nach dem leckeren, aber stimmungstechnisch eher kalten Weihnachtsfesten, geht es dann schließlich ins Wohnzimmer zur großen Bescherung. Zuerst dürfen natürlich die Kinder ihre Geschenke aufmachen und können ihr Glück kaum fassen, so viele tolle Geschenke bekommen sie. Dann bekommt der Mann von den Schwiegereltern selbstgestrickte Socken, eine 1994 sicherlich moderne gewesene Krawatte und noch was für die Werkstatt. Also wie immer – und wie immer gute Mine zum bösen Spiel.
Nach diesem unnötig langen Vorspiel ist es dann endlich soweit und das absolute Highlight an Heiligabend steht an: die Geschenkübergabe vor aller Augen an die Frau des Hauses – die schließlich wieder einmal das ganze Jahr alles am Laufen gehalten hat, die Kinder quasi alleine betreut und großgezogen hat und die letzten Wochen nahezu ausschließlich mit Organisieren, Planen und Kochen beschäftigt gewesen ist.
Mit leicht schwitzigen Händen und einem deutlich erhöhten Pulsschlag, wird dann der knapp 90 Minuten zuvor gebastelte Gutschein überreicht – unter den mittelmäßig wohlwollenden Blicken des Schwiegervaters. Und die Reaktion der Frau? Sie freut sich von Herzen und strahlt über das ganze Gesicht. Also hat Mann tatsächlich den richtigen Nerv getroffen und alles richtig gemacht? Vielleicht. Vielleicht freut sich die Frau aber auch einfach nur darüber, dass sie kein Bade-Set geschenkt bekommen hat und ihr Mann sich wenigstens ein paar Gedanken gemacht hat. Vielleicht ist das aber auch völlig egal. Solange alle einen schönen Abend haben und die Zeit mit der Familie genießen, sind die Geschenke doch nur Nebensache.
Und immerhin hat Mann eins gelernt: Nächstes Jahr wird er sich definitiv früher Gedanken über die Weihnachtsgeschenke machen. Aber nächstes Weihnachten ist ja zum Glück noch ganz lange hin…
Noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Wer sich nach dem Durchlesen dieses Textes in seinem Handeln absolut bestätigt fühlt und sich den 24.12. schon wieder fürs Besorgen der Geschenke geblockt hat, dürfte sich die ersten paar Minuten in der Stadt ein wenig wundern – und vermutlich kurzfristig auch darüber freuen, dass Mann dieses Jahr ohne große Konkurrenz sein alljährliches Last-Minute-Shopping betreiben kann. Dabei ist es sonntags aber durchaus üblich, dass weniger Menschen in der Stadt sind. Somit am besten direkt zur Tankstelle durchstarten. Nicht das am Ende sogar noch potentielle Geschenke wie Felgenreiniger oder Feuerzeuge vergriffen sind…