Handwerker gefragt wie nie: Die aufregende Branche sucht Anpacker

Handwerker gefragt wie nie: Die aufregende Branche sucht Anpacker
Sie verkabeln, schleifen, sägen, hämmern - und sind dabei so heiß begehrt wie kaum ein anderer: Handwerker. (Bild: iStock / Getty Images Plus)

Seit Jahren erfreuen sich die Bau-Branche und das Handwerk einer kaum zu bewältigenden Auftragslage. Teilweise scheint sogar ein Lottogewinn wahrscheinlicher, als einen zuverlässigen Handwerker für sein Bauvorhaben zu bekommen. Doch warum ist das so?

Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden

Wenn Menschen nach ihren persönlichen Wünschen und Zielen fürs Leben gefragt werden, antworten sie fast immer gleich: Sie wünschen sich einen Job der Spaß macht, eine gesunde Familie und ein eigenes Haus mit Garten. Der Wunsch nach einem Eigenheim ist in Deutschland sehr stark verwurzelt. Einerseits um im Alter keine hohen Mietkosten mehr zahlen zu müssen und somit vermeintlich finanziell unabhängiger sein zu können, auf der anderen Seite ist da aber auch das Verlangen nach Freiheit. Wer in seinem eigenen Haus auf seinem eigenen Grundstück wohnt, muss sich nicht mit nervigen Vermietern rumärgern, kann nicht wegen Eigenbedarf gekündigt werden und darf am Haus rumwerkeln und verändern was und wann er möchte. Diese Selbstbestimmtheit empfinden viele Menschen als wichtiges Gut und setzen deshalb alles daran, sich diesen Lebenstraum von den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Genau dies ist auch der Grund, warum die Bau-Branche seit Jahren so sehr boomt und jeder Bauplatz innerhalb von Minuten vergeben ist. Ein schickes Eigenheim steht so hoch Kurs wie nie zuvor.

Handwerk hat goldenen Boden – aber wachsen darauf auch Nachwuchskräfte?

Alle Handwerksbetriebe haben in den letzten Jahren prall gefüllte Auftragsbücher. Was für die Betriebe ein absoluter Wunschzustand ist, führt jedoch auch zu langen Wartezeiten für die Auftraggeber und stetig steigenden Preisen. Dies liegt natürlich zum einen an den gestiegenen Rohstoff- und Materialpreisen. Zu einem weit größeren Teil können diese Preiserhöhungen aber mit den Lohnerhöhungen der Mitarbeiter gerechtfertigt werden. Während es vor 30 Jahren für einen kleinen Handwerksbetrieb recht leicht war Fachkräfte oder motivierte Auszubildende zu gewinnen, gleicht dies heutzutage einem schier aussichtslosen Kampf.

Selbstredend gibt es jede Menge sehr gute Fachkräfte im Handwerk – aber diese haben auch alle einen Arbeitsplatz. Und damit diese bei einem Betrieb bleiben, muss in erster Linie die Entlohnung stimmen.

Aus diesem Grund steigen die Löhne im Handwerk, vor allem durch den Konkurrenzdruck, exponentiell stark. Gerade Maurer haben einen der bestbezahltesten Berufe im Handwerk. Dennoch haben alle Handwerksbetriebe massive Problem geeigneten Nachwuchs zu bekommen.

Industrie lockt mit guten Arbeitsbedingungen und guten Tarifverträgen

Gerade im ländlichen Raum war es früher Gang und Gäbe, dass sich junge Schulabgänger, natürlich auch aufgrund der schlechten Anbindungen an den öffentlichen Personennahverkehr, in der näheren Umgebung zum Wohnort nach freien Ausbildungsstellen umgesehen haben. Hier spielten dann auch teilweise weniger die persönlichen Interessen und Fertigkeiten eine Rolle – entscheidender waren persönliche Kontakte zum Betrieb und eben eine gute Erreichbarkeit. Und wenn Onkel und Cousin bereits seit Jahren bei der Zimmerei im Nachbarort gearbeitet haben, dann war der berufliche Weg zumeist schon vorgegeben.

Diese Zeiten haben sich jedoch drastisch geändert. Jungen Leuten stehen aktuell alle Wege offen. Wer aus der Schule kommt kann, oder besser gesagt muss, sich entweder für einen der 324 anerkannten Ausbildungsberufe oder für einen der rund 10.000 Bachelorstudiengängen entscheiden (entsprechender Schulabschluss vorausgesetzt). Bei dieser großen Auswahl verwundert es kaum, warum sich immer mehr junge Menschen gegen das Handwerk und für ein Studium oder eine Ausbildung in einem anderen Bereich entscheiden. Gerade große Industrieunternehmen sind bei Schulabgängern sehr beliebt. Dort finden sie zumeist angenehmere Arbeitsbedingungen vor und werden nach Tarif bezahlt – was finanziell zumeist nochmals attraktiver ist als das Handwerk. Aus diesem Grund gibt es bereits jetzt schon einzelne Handwerksbetriebe, welche ihre Auszubildenden mit einer 4-Tage-Woche locken. Auch am Wochenende wird im Handwerk schon seit Jahren so gut wie nicht mehr gearbeitet. Die Handwerksbetriebe haben sich somit an den Fachkräfte- und Nachwuchsmangel angepasst und gehen immer neuere und Arbeitnehmer freundlichere Wege, um junge und motivierte Mitarbeiter für sich gewinnen zu können.

Mit einem guten Gefühl in den Feierabend gehen

Wer im Handwerk arbeitet, tut dies zu einem großen Teil auch aus Leidenschaft. Durch eine handwerkliche Tätigkeit entstehen sinnhafte, greifbare und sichtbare Ergebnisse. Ein Handwerker geht abends stets mit dem guten und befriedigenden Gefühl nach Hause, etwas mit seinen eigenen Händen erschaffen zu haben – er hinterlässt Spuren, die teilweise sogar in 50 oder 100 Jahren noch zu sehen sind. Hinzu kommen die Bewegung und das Arbeiten an der frischen Luft.

Natürlich können viele handwerkliche Tätigkeiten sehr anstrengend und kräftezehrend sein. Und vermutlich gibt es schönere Tätigkeiten als bei minus 5 Grad in einem zugigen Rohbau eine Mauer aufzurichten. Wie in jedem Beruf gibt es auch im Handwerk schöne und weniger schöne Arbeiten. Nach dem Winter kommen aber Frühling und Sommer, wo die Bedingungen deutlich angenehmer sind und die Handwerker ihre Mittagspause in der Sonne verbringen können und tagsüber die angenehmen Temperaturen genießen können. Ein Handwerksberuf ist sicherlich nicht für jedermann oder jedefrau geeignet und verlangt teilweise viel von den Mitarbeitern ab – wer sich jedoch mit Passion und Leidenschaft einem handwerklichen Beruf verschreibt, kann hier so glücklich werden wie in kaum einer anderen Branche. Sowohl kollegialer Zusammenhalt als auch täglich wechselnde Tätigkeiten sorgen für ein großartiges Arbeitsklima und Freude bei der Arbeit. Das Handwerk ist derzeit definitiv eine der aufregendsten Branchen die es gibt.