Nach Räumung von Aktivisten: Stimmung ist aufgeheizt

Nach Räumung von Aktivisten: Stimmung ist aufgeheizt
Die Aktivisten wurden am Samstag von mehreren Polizeikräften weggetragen. (Bild: David Pichler)

Ravensburg (dpi) – Es war ein spektakuläres Ereignis: Klimaaktivisten hatten am vergangenen Samstag Bäume an der Schussenstraße in Ravensburg besetzt, sowie Seile und Banner über die Straße gespannt. Das SEK und zahlreiche Polizeibeamten beendeten die Aktion. Die Meinungen gehen auseinander – auch in der Politik.

„Wir wollen auf die Mobilitätswende aufmerksam machen“ sagte Ingo Blechschmidt, der bei den Aktivisten für die Presse verantwortlich ist. Aufmerksamkeit haben die überwiegend jungen Klimaschützer jedenfalls zu genüge mit ihrer Aktion bekommen. Zahlreiche Medien landesweit sowie bundesweit berichteten über die Besetzung und über die Räumung.

Der selbsternannte „Feind“ der Klimaschützer, die CDU Ravensburg, hatte sich per Social Media zu der Besetzung positioniert: „Leider ist mit der Blockade der Schussenstraße am vergangenen Samstag die bisher von Toleranz geprägte Strategie der Stadtverwaltung gegen den regelmäßigen Rechtsbruch sogenannter Klimaaktivisten gescheitert.“ heißt es in dem Beitrag.

Die CDU Ravensburg legte der Stadtverwaltung nahe, alle rechtlichen Möglichkeiten gegen die Aktivisten auszuschöpfen. Eine harte Linie der christlich-konservativen Partei.

Stadtverwaltung Ravensburg zeigt kein Verständnis

Doch nicht nur die CDU Ravensburg geht mit den Aktivisten hart ins Gericht: Auch die Stadtverwaltung Ravensburg unter Oberbürgermeister Dr. Daniel Rapp (ebenfalls CDU) spricht sich gegen die Aktion aus.

„Ohne Dialog in der Sache, ist auch kein Klimaschutz möglich. Damit ist nicht geholfen. Die Stadt Ravensburg ist stets um den Dialog bemüht.“ heißt es einer offiziellen Pressemitteilung. Bereits im Vorfeld habe es Gesprächsangebote seitens der Stadt gegeben – diese haben die Aktivisten aber aus Sicht der Stadt ignoriert.

Auch kurz vor der Räumung hatte die Polizei per Lautsprecher mitgeteilt, dass der erste Bürgermeister der Stadt Ravensburg, Simon Blümcke, den 3 Baumbesetzern angeboten hatte, das Banner hängen zu lassen, wenn diese von den Bäumen kämen.

Ingo Blechschmidt, Pressesprecher der Klimaaktivisten äußerte sich dem Wochenblatt gegenüber wie folgt: „Als erstmals das Angebot von Bürgermeister Blümcke kam, sind wir auch deswegen nicht darauf eingegangen, weil noch keine Pressevertreter anwesend waren.“

Eine gemeinsame Willensbildung habe sich zudem als sehr schwierig aufgezeigt: „Das ist gar nicht so einfach, wenn 100 Polizisten um einen herum stehen.“ so Blechschmidt.

Bereits am frühen Morgen hatte die Polizei die Aktivisten entdeckt. Als sich einige Unterstützer zu einer Spontanen Kundgebungen als Solidarität zu den drei Besetzern zusammenfanden, habe es Blechschmidt zu folge bereits die erste verhärtete Front gegeben. Die Polizei habe – laut den Aktivisten – mehrere Personen ohne Grundlage als Versammlungsleiter erklärt. Zudem sei später eine 15-jährige verhaftet worden, die aber kurze Zeit später wieder entlassen wurde. „All das verhärtete die Fronten.“ so Blechschmidt.

Samuel Bosch war einer Besetzer der oben an der Traverse hing.
Samuel Bosch war einer Besetzer der oben an der Traverse hing. (Bild: David Pichler)

Aktivisten finden Polizeieinsatz nicht verhältnismäßig

Schätzungsweise 70 bis 80 Beamte waren bei der Räumung vor Ort. Anschließend rückte die Feuerwehr mit der Drehleiter und die Polizei Spezialeinheit Höhenintervention vor. Die Aktivisten wurden vom SEK über die Drehleiter der Feuerwehr vom Baum geholt. Die anderen auf dem Boden sitzenden Aktivisten wurden weggetragen und von der Polizei kontrolliert.

Für die Aktivisten war das nicht verhältnismäßig, genauso wie die Sperrung der Straße: „Es hätte vollkommen gereicht, wenn die Polizei Geschwindigkeitsbeschränkungen, zum Beispiel Tempo 20, verfügt hätte“ so Blechschmidt.

Aufgrund der erst nicht einzuschätzenden Gefährdung und der ungesicherten Traverse, habe man sich, so die Polizei, für die Sperrung entschieden. Das erklärte auch Oliver Weißflog, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Ravensburg. Von 6 Uhr morgens bis 18:30 Uhr abends hatte die Sperrung der Schussenstraße angedauert.

Staatsanwaltschaft Ravensburg prüft Sachverhalt noch

Der Sachverhalt liegt nun auch der Staatsanwaltschaft Ravensburg vor.

Derzeit würde man prüfen ob und welche Aktivisten sich eventuell strafbar gemacht haben könnten. „Im Raum stehen derzeit die Tatbestände der Nötigung sowie Verstöße gegen das Versammlungsrecht“ so die Staatsanwaltschaft.

Angiezska Brugger ist Bundestagsabgeordnete der Grünen.
Angiezska Brugger ist Bundestagsabgeordnete der Grünen. (Bild: Stefan Kaminski/Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen)

Agnieszka Brugger fordert Akteure zum weiteren Dialog auf

Auf Anfrage des Wochenblatts äußerte sich auch die Grüne Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger zu den Vorfällen.

„Klimaschutz ist ein grünes Herzensanliegen und ich verstehe die Ungeduld und auch die Unzufriedenheit vieler junger Menschen, die mehr Einsatz für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen fordern“ so Brugger. Sie sitzt seit 2009 für die Grünen im Bundestag. Ihr Wahlkreis ist Ravensburg.

Sie habe weiter Sympathien für die Ziele und den legalen Aktionen der jungen Klimaaktivisten. „Allerdings ist für mich bei allem Verständnis eine Grenze überschritten, wenn Personen gefährdet werden.“ ist Brugger überzeugt.

Weiter fordert sie, dass alle politischen Akteure den Dialog weiter suchen und mehr für Klimaschutz sowie Klimagerechtigkeit tun.

SPD Kreisvorsitzende und Bundestagskandidatin Engelhardt: „zunehmende Radikalisierung“

Die SPD Politikerin Heike Engelhardt ist seit mehreren Jahren in der Kommunal- und Kreispolitik von Ravensburg tätig. Sie zeigte grundsätzlich Verständnis für Klimaschützer, die auf ihr Ziele aufmerksam machen wollen: „Es ist das Recht und die Aufgabe der jungen Generation, den Älteren und der Politik den Spiegel vorzuhalten.“ so Engelhardt. Der Aktion an der Schussenstraße hingegen kann sie nicht beipflichten.

Auch sie macht darauf aufmerksam, dass die Versammlung nicht angemeldet und somit nicht rechtmäßig war. „Gleichzeitig möchten sie (die Aktivisten) aber rechtsstaatlich behandelt werden und dabei möglichst mit Samthandschuhen angefasst werden.“ sagt die SPD Politikerin gegenüber dem Wochenblatt.

Die Sprache der Bewegung erinnere sie an die Zeiten der RAF (Roten Armee Fraktion), einer linksterroristischen Organisation. „Dass die Aktivisten mittlerweile mit falschen Fakten argumentieren, Wahrheiten bewusst oder unbewusst ignorieren und verbal aufrüsten, gefällt mir weniger.“ so Engelhardt. Sie spricht des Weiteren von einer zunehmenden Radikalisierung der Aktivisten.

Klimaaktivisten: „Haben nicht vor regelmäßig mit Hundertschaften von Polizeibeamten zusammenzutreffen“

Trotz der derzeitigen Lage, wollen sich die Aktivisten nicht unterkriegen lassen. „Selbstverständlich werden weitere Aktionen folgen“ ist sich Blechschmidt sicher. Doch ein regelmäßiges Zusammentreffen mit den Hundertschaften der Polizei habe man nicht vor.

„Für uns kommen nur friedliche Aktionen infrage. Letztlich müssen sich alle zusammenraufen, denn die Zeit drängt. Wir sind jederzeit gesprächsbereit und wenn wir den Eindruck haben, ernst genommen zu werden, könnte das schon noch was werden.“ sagt Blechschmidt.