Mit Solarenergie sein eigener Stromlieferant werden: Was spricht dafür und was dagegen?

Diese PV-Anlage hat drei Funktionen: Stromerzeugung, Schattenspender im Sommer (Schutz vor Überhitzung der Wohnräume im Sommer und Witterungsschutz der Fassade (z.B. bei Starkregen)
Diese PV-Anlage hat drei Funktionen: Stromerzeugung, Schattenspender im Sommer (Schutz vor Überhitzung der Wohnräume im Sommer und Witterungsschutz der Fassade (z.B. bei Starkregen) (Bild: Energieagentur Ravensburg)

Wir haben bei Walter Göppel, GF der Energieagentur Ravensburg, nachgefragt

Ravensburg (le) – Solarenergie ist derzeit in aller Munde. Vor dem Hintergrund von Ressourcenknappheit und steigenden Energiepreisen wird sie als ein Standbein der künftigen Energieversorgung gesehen. Herzstück einer jeden Photovoltaikanlage auf dem Dach sind die aufmontierten Solarmodule. Die wiederum verwandeln Sonnenlicht in elektrischen Strom für das ganze Haus. Dadurch wird man unabhängiger und schützt die Umwelt.

Ab dem Jahr 2022 gilt bei Neubauten im Nichtwohngebäudebereich sogar eine Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen. Der Landkreis Ravensburg möchte den aktiven Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben, finanzielle Förderungen sollen hierfür mehr Anreiz schaffen. Warum zögern aber immer noch so viele?

Von einigen Hausbesitzern hört man, dass ihr Haus leider keine optimale Dachausrichtung nach Süden hat. Ist das ein Argument?

Richtig ist, dass eine nach Süden ausgerichtete Photovoltaik-Anlage den höchsten Stromertrag hat. Im sonnenverwöhnten Landkreis Ravensburg sind Erträge von bis zu 1.100 kWh pro kWp Photovoltaikleistung möglich. Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen heute etwas geändert. Die Vergütung für den ins Versorgungsnetz rückgespeisten Strom wird immer geringer, Stand April 2021 7,81 ct/kWh (bis 10 kWp). Somit sind Volleinspeisungsanlagen wirtschaftlich heute weniger interessant als der Eigenverbrauch des erzeugten Stroms. Und genau hier kommen dann Anlagen ins Spiel, die auch auf Ost- und West-Dachflächen installiert sind. Diese haben zwar einen etwas geringeren Ertrag, produzieren aber über einen längeren Zeitraum am Tag Strom und erhöhen damit den Autarkiegrad. So sind sie wirtschaftlich mit Anlagen auf Süd-Dächern zu vergleichen.

Kurz gesagt, alle Dachflächen ohne Nordausrichtung sind für Photovoltaik geeignet.

Wie sieht es bei sensiblen und kranken Personen mit dem Elektrosmog aus?

Hier sehen wir keine negativen Auswirkungen durch die zusätzliche Nutzung von Photovoltaik. Geräte im Haushalt selbst tragen deutlich mehr zum Elektrosmog bei.

Besteht bei einem Unwetter mit Sturm und Blitz erhöhte Brandgefahr?

Grundsätzlich werden Photovoltaik-Anlagen an den Potenzialausgleich des Gebäudes angeschlossen, größere Anlagen teilweise sogar an eine Blitzschutzanlage. Somit besteht durch die Anlage keine erhöhte Brandgefahr. (Lediglich im Brandfall ist die Anlage durch die Feuerwehr stromlos zu schalten, dann kann auch im Bereich der Anlage gelöscht werden).

Wie robust sind die Anlagen, z.B. bei Hagel?

Heutige Photovoltaik-Module sind sehr robust gegen Umwelteinwirkungen, so dass kleinere Hagelschauer keine Schäden verursachen. Werden die Hagelkörner allerdings tischtennisballgroß, ist mit Schäden zu rechnen – nicht nur an der PV-Anlage, sondern auch am Gebäude selbst.

Auch auf einem Walmdach ist das Anbringen einer PV-Anlage möglich
Auch auf einem Walmdach ist das Anbringen einer PV-Anlage möglich (Bild: Energieagentur Ravensburg)

Gibt es spezielle Versicherungen und sind diese empfehlenswert?

Die Anlage sollte auf jeden Fall der Gebäudeversicherung gemeldet und dort auch mitversichert werden. Im städtischen Bereich bzw. bei dichter Bebauung ist auch eine Betreiberhaftpflichtversicherung sinnvoll, welche bei durch die Anlage verursachten Schäden an Dritten für deren Kosten aufkommt.

Sind Marder und Vögel eine Gefahr?

Marder sind immer eine Gefahr für elektrische Kabel, allerdings sind diese entsprechend geschützt und im Regelfall sind somit keine Schäden durch Marderverbiss zu erwarten. Vögel spielen hier eine deutlich untergeordnete Rolle.

Viele machen sich Gedanken, was mit der Entsorgung der ausgedienten Module geschieht und wer die Kosten trägt?

Hierzu erreichen uns auch sehr viele Anfragen, da hier oftmals Bedenken vorhanden sind. Früher war dies ein schwieriges Thema. Heute ist klar, ausgediente Module sind ein Rohstoff und werden dem Recycling zugeführt. Bereits jetzt gibt es mehrere Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben. Privatpersonen können ausgediente Module beim örtlichen Wertstoffhof kostenfrei entsorgen.

Wie oft muss man seine Anlage auf dem Dach warten lassen und mit welchen Kosten muss gerechnet werden?

Unserer Erfahrung nach sollte die Anlage im Privathaushalt alle 5 Jahre durch einen Fachmann geprüft werden, ob alle elektrischen Bauteile noch in Ordnung sind. Hierfür fallen Kosten von ca. 250 € an.

Wichtiger ist, dass der Betreiber der Anlage regelmäßig den Energieertrag prüft, nur so können frühzeitig Defekte erkannt werden.

Die Energieagentur bekommt viele Anfragen von Interessenten. Was bewegt die Leute häufig?

Dies ist ganz unterschiedlich. Hier geht es los mit einfachen Anfragen wie „lohnt sich das“, „ist mein Dach geeignet“, bis hin zu hoch komplexen Fragen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu Eigenstrom, Drittstrom, Mieterstrom und EEG-Umlage. Dies sind jetzt die einfachen Fälle bei „Kleinanlagen“ bis 30 kWp, beim Gewerbe oder der öffentlichen Hand wird dies noch viel komplexer, vor allem die Fragestellungen aus dem EEG mit den erforderlichen Messkonzepten (Zähler, etc.).

Man sollte die Arbeiten auf dem Dach nur von einem Fachbetrieb ausführen lassen
Man sollte die Arbeiten auf dem Dach nur von einem Fachbetrieb ausführen lassen (Bild: Energieagentur Ravensburg)

Wie hoch sind die Zuschüsse und nach wie viel Jahren rechnet sich die Anlage auf dem Dach?

Für Photovoltaik-Anlagen gibt es einen indirekten Zuschuss über die Einspeisevergütung aus dem EEG. Eine zusätzliche Investitionskostenförderung gibt es nicht. Je nach Anlagengröße und Höhe des Eigenstromverbrauchs amortisieren sich diese Anlagen zwischen 10 und 16 Jahren. Pauschal kann gesagt werden, je höher der Eigenverbrauch, desto schneller amortisieren sich die Anlagen.

Jedoch gibt es zum aktuellen Zeitpunkt eine Förderung des Landes Baden-Württemberg für neue Photovoltaik-Anlagen mit einem Batteriespeicher. Hierbei kann bei kleinen Anlagen bis 30 kWp ein Zuschuss von 200 €/kWh Batteriespeicherkapazität erhalten werden, bei größeren Anlagen von 300 €/kWh (Bitte Förderhöchstgrenze beachten).

Welche Voraussetzungen müssen für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage gegeben sein?

Eine Photovoltaik-Anlage stellt hier keine besonderen Ansprüche, es sind lediglich die Tragfähigkeit des Dachs bzw. des Bauteils auf dem die Anlage montiert wird, sowie der Zustand der bestehenden Elektroverkabelung zu prüfen und gegebenenfalls in Stand zu setzen.

Kommt von der Energieberatung auch jemand in Haus und schaut sich die örtlichen Gegebenheiten an? Ist dieser Service kostenpflichtig?

Bereits seit vielen Jahren bietet die Energieagentur diesen Service an. Hierbei haben wir verschiedene Beratungsangebote, angefangen mit telefonischen Beratungen, Beratungen in einer unseren Energieberatungsstellen oder die Beratung beim Ratsuchenden vor Ort. Hierbei fallen beispielsweise beim Privatkunden durch unsere Kooperation mit der Verbraucherzentrale lediglich Kosten in Höhe von 30 € an.

Muss man Photovoltaik-Anlagen anmelden und was ist das Marktstammdatenregister?

Bevor eine Photovoltaik-Anlage installiert werden kann, muss beim zuständigen Netzbetreiber ein Antrag gestellt werden um den Netzanschluss für die Installation freizugeben. Die Inbetriebnahme der Anlage ist dem Netzbetreiber ebenfalls zu melden. Zusätzlich muss die Anlage innerhalb eines Monats nach Inbetriebnahme im Marktstammdatenregister registriert werden. Dort werden sämtliche stromerzeugende Anlagen in der Bundesrepublik erfasst, unabhängig davon ob Alt- oder Neuanlage. Wichtig zu wissen ist hier noch, dass auch Batteriespeicher dort gemeldet werden müssen.

Des Weiteren sollten Sie sich mit der steuerlichen Behandlung Ihrer Photovoltaik-Anlage beschäftigen. Hierfür ist auch beim Finanzamt eine zeitnahe Meldung erforderlich.

Balkon PV ist heute in aller Munde. Wie können beispielsweise Mieter kostengünstig Ihren eigenen Strom erzeugen?

Tatsächlich ist dies relativ einfach möglich. Früher wurden diese Anlagen umgangssprachlich noch als Guerilla-PV bezeichnet. Heute haben wir hier ein enormes Potenzial zur Eigenstromerzeugung & -nutzung. Notwendig sind dafür ein oder zwei PV Module, Modulwechselrichter, eine Energieeinspeise-Steckdose und ein Stromzähler mit Rücklaufsperre bzw. Zweirichtungszähler. Zu beachten ist, dass die Leistung des Wechselrichters auf der Wechselstromseite 600 W nicht überschreitet, da nur bis zu dieser Leistung die vereinfachte Anmeldung beim Netzbetreiber möglich ist.

Zur Einspeisung des Stroms in das Haushaltsnetz ist eine Einspeise-Steckdose nötig. Normale Schuko-Stecker und Steckdosenleisten sind nicht zulässig. Optional muss der bestehende Stromzähler getauscht werden, damit sichergestellt ist, dass dieser nicht rückwärts läuft. Diese Anlagen amortisieren sich bereits innerhalb eines Zeitraums von 8 Jahren.

Walter Göppel, GF der Energieagentur Ravensburg
Walter Göppel, GF der Energieagentur Ravensburg (Bild: Energieagentur Ravensburg)