Mit dem Reisebus aus dem Krieg: So hilft Leona aus Wangen ukrainischen Familien

Mischa stand letztes Jahr noch mit Leona auf der Veitsburg. Jetzt hat er anstelle des Mehlsacks einen Panzer im Hintergrund.
Mischa stand letztes Jahr noch mit Leona auf der Veitsburg. Jetzt hat er anstelle des Mehlsacks einen Panzer im Hintergrund. (Bilder: Privat)

Aus dem Reisebüro ihrer Eltern heraus, hilft Leona (26) bei der Organisation von Flüchtlings-Transporten und kümmert sich um die Unterbringung dieser Kriegsvertriebenen. Unter ihnen vor allem Frauen und Kinder. Das Jüngste gerade einmal vier Wochen alt. Wie SIE jetzt helfen können.

Der Kontrast könnte nicht größer sein. Während wir bei Netflix und Eis daheimsitzen können, kämpfen, nur wenige Hundert Kilometer von uns entfernt, Menschen um ihr Leben. Menschen wie wir. Maler, die vor zwei Wochen noch ganz normal auf die Baustelle gingen, stehen heute in Tarnfleck an der Front. Der Pinsel ausgetauscht gegen eine scharfe Waffe. Statt Farbe nur noch grau um sich herum. Grau vom Staub, der durch die Detonationen der Bomben aufgewirbelt wird. Frauen, die gestern noch ihre beiden Kinder in die Kita gebracht haben, um sich anschließend auf den Weg in die Arbeit ins Pflegeheim zu machen, versuchen jetzt, diese Kinder in Sicherheit zu bringen. Raus, aus einem Land, in dem von heute auf morgen Krieg herrscht.

Wenn Freunde in den Krieg ziehen müssen

Leona (26) arbeitet in einem Wangener Reisebüro. Letztes Jahr hatte sie noch einen Arbeitskollegen, der ihr sehr ans Herz gewachsen ist. Mischa ist Ukrainer. Er wurde zum Freund der Familie. Man unternahm gemeinsame Ausflüge, lachte beim Feierabendbier. Bis Mischa in sein Land zurück zog. Der Kontakt nach Wangen blieb allerdings bestehen. Anfang Januar luden Mischa und seine Familie Leona samt ihrer Familie in die Ukraine ein, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. In der Ukraine gibt es nämlich am Dreikönigstag das große Fest mit gutem Essen und Geschenken. Leona hatte viel Arbeit und verschob den Besuch schweren Herzens auf später. Ein Später, dass es in absehbarer Zeit nicht geben wird. Denn seit Anfang März herrscht in der Ukraine Krieg. Mischa steht jetzt bei Tschernihiw an der Front. Und hofft, eines Tages seine Familie wiederzusehen.

Mischa an der Front bei Tschernihiw.
Mischa an der Front bei Tschernihiw. (Bild: Privat)

Rettung per Reisebus

Diese persönliche Beziehung und ein Zufall führten dazu, dass sich Leona letzte Woche in einem Bus wiederfand, der voll besetzt war mit Flüchtlingen aus der Ukraine. Einer ungewissen aber sichereren Zukunft in Wangen entgegen. Wolfgang Ponto organisierte einen Rettungstransport mit seiner Aktion H.O.P.E – We help children e.V.. Dafür brauchte er Reisebusse und DIE konnte Leonas Vater organisieren. Die junge Frau beschloss kurzerhand mit zu fahren und vor Ort zu helfen. Sie berichtet stolz: „Wir haben eine Gruppe von 45 Frauen und Kindern an der polnisch-ukrainischen Grenze abholen und in Unterkünften in Wangen unterbringen können.“

Endlich in Sicherheit. Hier kommt der Hilfstransport von "H.O.P.E" nach langer Fahrt endlich in Wangen an.
Endlich in Sicherheit. Hier kommt der Hilfstransport von „H.O.P.E“ nach langer Fahrt endlich in Wangen an. (Bild: Privat)

Lange Wege und Wartezeiten an der Grenze

Der Weg dorthin war steinig. Die Flüchtlinge sind zum Teil seit Tagen zu Fuß unterwegs. An der Grenze müssen sie stundenlang warten. „Eine Frau hatte ihren schwerbehinderten Sohn dabei. Er saß in einem alten, kaputten Kinderwagen und sie ist mit ihm ewig unterwegs gewesen. Der Junge war so glücklich im Bus, die Mutter so dankbar, das war einfach schön mit anzusehen“, erzählt Leona. Unter den Flüchtlingen waren vor allem Frauen und ihre Kinder. Das jüngste Mitglied dieser Truppe ist ein vier Wochen alter Säugling, ein Neugeborenes. Die Ältesten sind Großmütter.

Dutzende Menschen in einem Zimmer

So eine große Gruppe in Sicherheit zu bringen, ist nicht einfach. Die Busfahrer müssen sich an Lenk- und Ruhezeiten halten. Doch eine Unterkunft zum Rasten für 50 Personen zu finden, ist schwer. Schon unter normalen Bedingungen. In Kriegszeiten umso mehr. Leonas Beziehungen zu den Wirtschaftsjunioren erwiesen sich in diesem Fall als extrem hilfreich. Denn über Hundert Ecken und viele Anrufe gelang es tatsächlich, ein Hotel in Polen ausfindig zu machen, dass sich bereit erklärte, die große Gruppe übernachten zu lassen. Ein kleines Zimmer für die Fahrer. Ein großes Zimmer für alle anderen. Hilfe kam auch von der Wasserwacht Lindau. Die waren ebenfalls vor Ort, um zu helfen. Sie entschieden sich spontan, den großen Reisebus „voll zu machen“. Sie pendelten immer wieder zur Grenze, um Flüchtlinge einzusammeln. So lange, bis jeder Platz im Reisebus besetzt war.

Ukrainische Flüchtlinge in einem Auffanglager im polnischen Mlyny.
Ukrainische Flüchtlinge in einem Auffanglager im polnischen Mlyny. (Bild: Privat)

Unterkünfte dringend gesucht – die Flüchtlinge brauchen nicht viel

Untergekommen sind die Flüchtigen in Privatunterkünften in Wangen. Am liebsten würde Leona direkt den nächsten Rettungs-Transport organisieren, doch es fehlt aktuell an weiteren Unterkünften für die Ukrainer. Viele haben Bedenken, ihre privaten Zimmer zur Verfügung zu stellen. Zu Unrecht, findet Leona: „Ein warmes Bett, eine Möglichkeit zu kochen und ein Bad. Mehr brauchen diese Leute nicht. Die erwarten niemanden, der sie rund um die Uhr versorgt. Auch das Aufnahmeprozedere schreckt viele ab aber das ging wirklich super schnell. Diese Menschen sind so dankbar. Sie hoffen, in einem Monat wieder zurück in die Heimat zu können. Sie hoffen auf ein baldiges Ende des Krieges. Und es fällt ihnen schwer, hier zum Nichtstun verdammt zu sein. Sie fragen mich jeden Tag, ob ich Neuigkeiten habe, ob sie arbeiten dürften, ihre Kinder in die Schule gehen können. Das sind alles Leute, wie du und ich. Hier sind Ärzte dabei, Pfleger, Handwerker. Was sie bräuchten, wäre die Möglichkeit, hier zu arbeiten, bis sie gefahrlos zurück nach Hause können.“ Falls jemand Bedenken wegen der Sprachbarriere hat, kann Leona auch diese zerstreuen. „Wir haben während des Trips per Google Übersetzer kommuniziert. Das funktioniert erstaunlich gut.“

Ein kleiner Ort der Sicherheit

Falls Sie also noch ein Plätzchen frei haben… Hier geht es darum, Kinder vor dem Krieg zu beschützen. Dabei ist es nicht wichtig, ein top renoviertes Bad oder eine voll ausgestattete Küche zu haben. Wichtig ist vor allem Sicherheit. Für ihre Zukunft und die ihrer Kinder. Freie Unterkünfte können Sie den Städten und Gemeinden online melden. Damit wäre der erste Schritt getan.