Minimalismus-Trend im Check

Basic Kleidungsstücke gehören in eine minimalistische Garderobe.
Basic Kleidungsstücke gehören in eine minimalistische Garderobe. (Bild: stock.adobe.com©Iryna)

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Unter Minimalismus verstehen viele den bewussten Verzicht. Für die einen geht es dabei um eine Art der Persönlichkeitsentwicklung, die zu ihrem Wohlbefinden beiträgt. Für die anderen ist es ein Umdenken im Konsumverhalten und gelebte Kritik an der Gesellschaft. Bewusste Ablehnung kann so zu einer selbsternannten Lebensphilosophie werden. Doch was dahintersteckt und ob Genügsamkeit wirklich zu unserem neuen Lebensgefühl werden kann, erklären wir in diesem Artikel.

Minimalismus als Lebensstil

Die Schriftstellerin Marie Kondo ist eine japanische Beraterin und Bestellerstautorin. Eines ihrer beliebtesten Werke ist „Magic Cleaning: Wie richtiges Aufräumen ihr Leben verändert“. Das enthält nicht nur wertvolle Tipps zur Schrankorganisation, sondern beschreibt auch, wie diese Gesamtphilosophie Leben verändert hat. Die Schriftstellerin wird weltweit für ihre berühmten Hilfestellungen zum Aufräumen und Ausmisten gefeiert.

Eines ihrer berühmtesten Zitate lautet: „Behalte nur, was dir Freude macht. Besitze nur, was du brauchst“. Damit steht die 37-Jährige nicht allein: 2018 kam der deutsche Film „100 Dinge“ in die Kinos. Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer spielten darin die Hauptrollen und beschäftigten sich mit der Frage, ob sie 100 Tage ohne ihren Besitz leben können.

So ist Minimalismus zu einem sehr modernen Thema in Filmen und Büchern geworden. Schriftsteller wie Robert Wringham gehen sogar noch tiefer in die Thematik. Der Autor beschreibt in seinem Buch „Ich bin raus“ nicht nur, dass sein Leben durch weniger Besitz einfacher geworden ist, sondern auch, wie seine allgemeine Lebensqualität dadurch deutlich gestiegen ist.

Ein roter Faden zieht sich dabei immer wieder durch die Filme und Bücher, und zwar dass weniger Besitz zur Freiheit führt. Das ist auch die Leitidee vieler Minimalisten auf der ganzen Welt. Das Konzept dahinter ist sehr einfach: Wer weniger konsumiert und dadurch nicht mehr so viel Geld ausgibt, kann zum Beispiel weniger arbeiten und so mehr Zeit mit der Familie verbringen.

Auch wenn Minimalismus kein komplett neues Konzept ist, so erlebt es dennoch einen sehr großen Aufschwung in unserer Gesellschaft. Steigende Lebenshaltungskosten und der gesamtgesellschaftliche Druck sind vielen zur Belastung geworden. Sie konzentrieren sich lieber wieder auf ihr Wohlbefinden und ihre Freizeit, um wieder mehr Lebensqualität zu gewinnen. Das ist zumindest der Gedanke, der viele Minimalisten begleitet.

Welche Wege gibt es, um minimalistischer zu werden

In einem Leben können sich viele Dinge ansammeln. Doch nicht alle sind wirklich wichtig oder wertvoll. Besonders Impulskäufe verschwinden nach kurzer Zeit in Schubladen. Mit der Zeit sammeln sich so immer mehr Dinge an, die weder gebraucht werden noch sonst einen Nutzen haben. Genau dieses Problem möchten Minimalisten angehen. Aber die wichtigste Frage ist: Wo fängt man an?

Es ist immer eine gute Idee, mit der Garderobe zu beginnen. Durch den in der Modebranche weit verbreiteten Trend „Fast Fashion“ werden immer günstigere Kleidungsstücke in immer häufiger wechselnden Intervallen auf den Markt gebracht. Gab es vor zehn Jahren noch vier Kollektionen, die sich nach den Jahreszeiten orientierten, bringen Modegeschäfte heute bis zu 24 Kollektionen pro Jahr heraus. Dadurch werden der Natur immer mehr Ressourcen entzogen. Wer diesem Trend folgt, sammelt immer wird neue Kleidungsstücke an. Die bereits vorhandene Kleidung wird vergessen. Im Rahmen des Minimalismus ist es hier wichtig, einen Stil zu entwickeln, der mit wenigen, hochwertigen Textilien auskommt, die keinen kurzlebigen Trends unterliegen und sich gut miteinander kombinieren lassen.

Das wusste auch schon Steve Jobs, der ein einheitliches „Wohlfühloutfit“ hatte und sich deswegen keine Gedanken machen musste, was er am nächsten Tag anziehen.

Trotz der großen Auswahl kann es natürlich vorkommen, dass einige notwendige Anziehsachen noch fehlen. Um dennoch nachhaltig und minimalistisch zu handeln, hilft es eine Liste mit fehlenden Teilen zu schreiben. Diese Liste kann dann Stück für Stück abgearbeitet werden, am besten in einem Secondhand-Geschäft. Es schont unsere Umwelt und kostet im Vergleich zu neuer Kleidung nicht viel.

Neben unserer Garderobe sammelt sich auch sehr viel Technik bei uns an. Mangelhafte Qualität ist eine der größten Probleme von Technologien im Alltag. Die eingebetteten Chips und das Gehäuse sind sehr anfällig für Kratzer und daraus resultierende Schäden. Das sorgt nicht nur für einen großen Berg an Müll, sondern auch für immer wiederkehrende Kosten.

Aus dieser Notlage heraus hat sich eine Art Gegenbewegung zur Wegwerfkultur entwickelt. Statt das alte Handy einfach in eine Schublade zu stecken, wird es repariert. Natürlich sind nicht alle von uns talentiert im Reparieren von Mobiltelefonen. Das ist dank der stetig wachsenden Community auch nicht zwingend notwendig. Es gibt zum Beispiel viele kostenlose Reparaturhandbücher, die online verfügbar sind. Aber auch Youtuber haben sich der Thematik verschrieben und stellen im Internet Anleitungen in Form von Videos zur Verfügung.

Auch sogenannte „Repair-Cafes“ tauchen in vielen Städten immer öfter auf. Hier helfen Ehrenamtliche bei der Reparatur von Gegenständen aller Art. In diesen Cafés können Handys und andere elektronische Geräte unter Anleitung repariert werden.

Durch das gemeinschaftliche Miteinander können auch komplizierte Sachverhalte oft besser verstanden werden – so kann die nächste Reparatur vielleicht sogar schon allein zu Hause durchgeführt werden. Ob Kleidung oder Technik, es gibt viele Möglichkeiten, alten Dingen neues Leben einzuhauchen.

Die Idee dahinter mag zunächst etwas seltsam erscheinen, aber wer sich mit dem Thema Minimalismus beschäftigt, kommt um die Themen Reparaturen und Secondhand nicht herum. Sie sind großartige Werkzeuge für ein minimalistisches Leben auf lange Sicht.

Das "alte" Smartphone weißt zwar Macken auf, hat aber noch nicht ausgedient - meist reicht schon eine kleine Reparatur um es weiter problemlos nutzen zu können.
Das „alte“ Smartphone weißt zwar Macken auf, hat aber noch nicht ausgedient – meist reicht schon eine kleine Reparatur um es weiter problemlos nutzen zu können. (Bild: stock.adobe.com© marvent)

Die ersten Schritte

Wer nach diesem Artikel so richtig Lust hat auszumisten und alte Geräte endlich reparieren zu lassen, wird dabei merken, dass es gar nicht so einfach ist. Ausräumen, Umräumen, Aussortieren und Reparieren ist ganz schön intensiv. Deswegen hilft es, Ziele zu haben und diese auch zu verfolgen. Je nachdem, wie wertvoll die Gegenstände sind, lässt sich mit dem Ausmisten sogar Geld verdienen.

Damit die ersten Aufgaben etwas leichter fallen, gibt es im Folgenden 3 Tipps für den Start.

  1. Klein Anfangen

Wer sich direkt einen Raum, zum Beispiel das Schlafzimmer vornimmt, wird merken, dass es mit einem Vollzeitjob kaum zu realisieren ist. Stattdessen sind klare Zeitpläne für den Einstieg am besten geeignet. 15 Minuten oder eine Schublade pro Tag reichen aus und können in jeden Tagesablauf eingebaut werden.

  1. Die Koffer Methode

Ist eine Eieruhr für meinen Alltag wirklich notwendig? Es kann anfangs passieren, dass Dingen zu viel Gewicht beigemessen wird. Im Gegenteil kann es auch passieren, dass Gegenstände als unwichtig und selbstverständlich wahrgenommen werden. Um das zu vermeiden, kann das Umräumen wie die Vorbereitung auf einen Urlaub gestaltet werden. Was ist wichtig für den Alltag und nehme ich mit? So entscheiden wir uns für die Dinge und nicht gegen sie.

  1. Den Mut nicht verlieren

Gegenstände, die kaputt sind und nicht mehr repariert werden können oder uns schon lange nicht mehr gefallen, werden direkt aussortiert. Erinnerungsstücke, an denen wir emotional hängen, können für den Schluss aufgehoben werden. Es hat lange gedauert, all diese Dinge zu sammeln. Es ist also nicht so schlimm, wenn wir uns ausreichend Zeit zum Aufräumen nehmen.

Aufräumen und Struktur schaffen ist sehr zeitintensiv, Tagesziele sind hilfreich um dem Lebenstil "Minimalismus" ein Stückchen näher zu kommen.
Aufräumen und Struktur schaffen ist sehr zeitintensiv, Tagesziele sind hilfreich um dem Lebenstil „Minimalismus“ ein Stückchen näher zu kommen. (Bild: stock.adobe.com© Prostock-Studio)

Fazit

Minimalismus ist zunächst einmal ein großes Projekt, das unser ganzes Leben auf den Kopf stellt. Das sollte aber niemanden vom Einstieg abhalten. Die Ziele und persönlichen Beweggründe sind sehr individuell. Deswegen gibt es auch keine allgemein gültigen Gesetze. In diesem Artikel werden verschiedene Tipps und Ratschläge gegeben.

Sowohl zum Starten als auch zum Weitermachen. Wer den Anfang geschafft hat und seine Wohnung aufgeräumt hat, sollte dennoch an seinem Konsumverhalten arbeiten. Das lässt sich sehr gut durch das Kaufen von gebrauchter Kleidung oder Reparaturen in den Alltag einbauen.

Der wichtigste Tipp zum Schluss lautet: Bleiben Sie dran.