Pandemie Mindestens 76 Millionen Euro Schaden durch Abrechnungsbetrug

Eine medizinische Mitarbeiterin hält in einem Corona-Testzentrum ein Abstrichstäbchen in der Hand.
Eine medizinische Mitarbeiterin hält in einem Corona-Testzentrum ein Abstrichstäbchen in der Hand. (Bild: Matthias Balk/dpa/Symbolbild)

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Das Ausmaß des Betrugs mit angeblichen Corona-Testzentren ist massiv. In den vergangenen zwei Jahren bereicherten sich Betrüger in einer Vielzahl von Fällen mit Millionen von Euro.

Stuttgart (dpa/lsw) – Die Schäden wegen Abrechnungsbetrugs im Zusammenhang mit angeblichen Corona-Testzentren liegen in Baden-Württemberg bei mindestens 76 Millionen Euro. Auf diese Summe kamen Staatsanwaltschaften durch die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der vergangenen zwei Jahre, wie eine Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Anton Baron ergab. In 30 bis 40 Ermittlungsverfahren sei eine Bezifferung des Schadens noch überhaupt nicht möglich, hieß es in der Antwort weiter.

In Baden-Württemberg seien demnach aktuell etwa 155 Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des Corona- Abrechnungsbetrugs anhängig. Rund 60 derartige Ermittlungsverfahren seien in den vergangenen 24 Monaten abgeschlossen worden. Das Justizministerium erwartet für das Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr eine rückläufige Schadenssumme.

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) regte eine Anpassung der Teststrategie an. «Ich halte eine anlasslose Testung asymptomatischer Personen nicht mehr für angezeigt und appelliere eindringlich an Sie, die Bürgertestungen nur noch auf diejenigen Testungen zu begrenzen, die dem Schutz vulnerabler Gruppen dienen. Diese sollten auch zukünftig kostenfrei angeboten werden», schrieb Lucha in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Karls Lauterbach (SPD) vom Donnerstag, der der dpa vorliegt. Zudem sollte laut Lucha «endlich» eine Professionalisierung der Teststellen erfolgen. Bürgertests sollten nur noch in Arztpraxen, Apotheken, von Rettungsdiensten und den Öffentlichen Gesundheitsdiensten durchgeführt werden dürfen.

Auch wenn die Betrugszahlen rückläufig sind, werden nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg weiterhin Millionen an Tests von aktuell etwa 2000 Teststellen im Land abgerechnet. «Heute stellt sich die Frage, ob überhaupt noch Teststellen benötigt werden. Aus unserer Sicht wird viel Geld für die Tests ausgegeben, was eigentlich nicht erforderlich wäre und sicherlich aktuell sinnvoller verwendet werden kann», sagte KV-Sprecher Kai Sonntag.

Wenn Menschen aus Krisen auf illegale Weise Profit schlügen, dann schade dies allen, sagte Justizministerin Marion Gentges (CDU). Gerade in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie sei der Zusammenhalt aller in der Gesellschaft wichtig.

Baron sagte: «Sämtliche staatlichen Kontrollmechanismen haben hier versagt. Hohe Summen wurden ohne jegliche Plausibilitätsprüfung an teils unseriöse Akteure überwiesen. Durch regelmäßige Kontrollen vor Ort hätte man die unrechtmäßigen Zahlungen einsparen können. Viele der weniger seriösen Anbieter hatten Positivquoten in Richtung Null. Allein diese statistische Auffälligkeit wäre Anlass zur Kontrolle gewesen.»

Bezahlt wurden die für die Bürger kostenlosen Tests vom Bund. Zum 30. Juni 2022 wurden die kostenlosen Bürgertests für Menschen ohne Symptome im Grunde ausgesetzt. Sie sind jedoch noch für bestimmte Risikogruppen und Anlässe kostenlos. In vielen anderen Fällen wird eine Zuzahlung von drei Euro fällig. die Testverordnung, welche unter anderem die Bürgertests regelt, tritt zum aktuellen Stand mit Ablauf des 25. Novembers 2022 außer Kraft. Es gibt laut Lucha Signale, wonach die Verordnung unverändert verlängert werden soll.

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaften wurde ein Teil des Schadens durch den massiven Betrug sichergestellt. Durch Pfändungen von Konten oder Einzug sonstiger Vermögen kamen immerhin rund 41 Millionen Euro zusammen. Einiges Geld – nämlich rund 580.000 Euro – wanderte ins Ausland. Die Transaktionsempfänger befanden sich in Kroatien (250.000 Euro), in der Türkei (257.000 Euro) und Luxemburg (20.600 Euro). Neun Beschuldigte flüchteten ins Ausland, sieben sitzen wegen des Verdachts auf Betrug in Untersuchungshaft.