Türkei und Syrien Mehr als 16.000 Tote nach Beben – Hoffnung schwindet

Mehr als 16.000 Tote nach Beben – Hoffnung schwindet
Ein Retter und sein Hund suchen im türkischen Kahramanmaras in den Trümmern eines Gebäudes nach Überlebenden. (Bild: Mustafa Kaya/XinHua/dpa)

Deutsche Presse-Agentur
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Von Stunde zu Stunde sinken die Chancen, noch Überlebende unter den Trümmern zu finden. Die Retter arbeiten unermüdlich – und vermelden noch immer kleine Wunder. Doch auch die Opferzahlen steigen.

Damaskus/Istanbul (dpa) – Mehr als drei Tage nach dem katastrophalen Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet schwindet die Hoffnung auf letzte Überlebende und steigt die Zahl der Toten unaufhörlich. Unter den Trümmern der vielen Tausend eingestürzten Gebäude in beiden Ländern sind vermutlich noch Zehntausende Opfer zu befürchten.

Bislang sind insgesamt mehr als 16.000 Tote gemeldet worden. Hinzu kommen mehr als 66.000 Verletzte in der Türkei und in Syrien.

Die Rettungskräfte kämpfen gegen die Zeit. Mit jeder Stunde, die seit dem Erdbeben verstreicht, sinken die Chancen, noch Lebende unter den Trümmern zu finden. Mehr als 100.000 Helfer sind in der Türkei nach Regierungsangaben im Einsatz. Sie werden von Suchhunden unterstützt.

Am frühen Montagmorgen hatte ein Beben, dessen Stärke das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) mit 7,7 angibt, das türkisch-syrische Grenzgebiet erschüttert. Montagmittag folgte dann ein weiteres Beben der Stärke 7,6 in derselben Region.

In der Türkei gebe es inzwischen 12.873 bestätigte Tote und 62.937 Verletzte, teilte die Katastrophenschutzbehörde Afad laut Nachrichtenagentur Anadolu in der Nacht zum Donnerstag mit. In Syrien kamen bei dem Beben nach Angaben der syrischen Staatsagentur Sana und der Rettungsorganisation Weißhelme etwa 3200 Menschen ums Leben.

In Syrien fehlt nach den Erdbeben besonders die internationale Hilfe.
In Syrien fehlt nach den Erdbeben besonders die internationale Hilfe. (Bild: Stringer/XinHua/dpa)

Die Bundesregierung arbeitet daran, die Versorgung der Menschen im schwer ereichbaren Nordsyrien zu verbessern. Das Problem sei, dass das «Regime» in der Vergangenheit keine humanitären Hilfen ins Land gelassen habe, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag im Radiosender WDR 5. «Und wir versuchen in den letzten Tagen bei dieser Katastrophe alles, damit weitere Grenzübergänge geöffnet werden.» Einer sei offen, es brauche aber weiteren Zugang.

Auf die Frage, ob die Bundesregierung mit Damaskus in Kontakt stehe, sagte Baerbock: «Wir sind mit allen Akteuren in Verbindung, mit denen wir jetzt erreichen können, dass die Hilfe ankommen kann.» Die Regierung arbeite mit diesem «Regime» nicht zusammen, betonte sie, «deswegen müssen wir andere Wege gehen, die wir in der Vergangenheit über die Vereinten Nationen auch gegangen sind und nutzen jetzt jede Möglichkeit, damit die Hilfe vor Ort ankommen kann».

Sechs UN-Lastwagen auf dem weg nach Syrien

Am Donnerstag sollten dort voraussichtlich sechs Lastwagen mit Hilfsgütern der Vereinten Nationen eintreffen. Sie sollten den einzigen noch offenen Grenzübergang Bab al-Hawa zur Türkei nutzen, hieß es aus UN-Kreisen. Wegen Schäden an Straßen konnten Lastwagen Bab al-Hawa bisher nicht erreichen. Inzwischen wurden die Straßen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge aber teilweise wieder repariert.

Der Grenzübergang Bab al-Hawa war schon vor dem Erdbeben eine Lebensader für rund 4,5 Millionen Menschen in Gebieten im Nordwesten, die nicht von der syrischen Regierung kontrolliert werden. 90 Prozent der Bevölkerung waren dort schon vor der Katastrophe nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen. In der Region leben Millionen, die durch den Krieg vertrieben wurden.

Aktivisten berichteten, dass nach dem Erdbeben keine Hilfsgüter, stattdessen aber Leichen von Syrern aus der Türkei über die Grenze transportiert würden. In der Türkei leben Millionen syrische Flüchtlinge. Die syrische Grenzbehörde veröffentlichte Fotos von Kleinbussen, aus denen Leichensäcke in Fahrzeuge umgeladen werden. Allein im Nordwesten Syriens wurden durch die Katastrophe schätzungsweise 11.000 Menschen obdachlos.

Mit allen Mitteln versuchen Rettungskräfte im syrischen Idlib, die unter den Trümmern eingeschlossenen Menschen zu retten.
Mit allen Mitteln versuchen Rettungskräfte im syrischen Idlib, die unter den Trümmern eingeschlossenen Menschen zu retten. (Bild: Anas Alkharboutli/dpa)

Dem Sender TRT World zufolge konnten in der Türkei bislang etwa 8000 Menschen aus den Trümmern gerettet werden. Eine Reporterin des Fernsehkanals berichtete über den verzweifelten Kampf gegen die Zeit: «Die Retter weigern sich aufzugeben.» Aber die Momente der Freude über eine weitere Rettung würden immer seltener.

Trotzdem gibt es noch immer kleine Erfolgsmeldungen: Einsatzkräfte retteten eine Mutter mit ihren zwei Kindern nach 78 Stunden unter Trümmern. Bilder zeigten am Donnerstag, wie Helfer die Frau und die Kinder auf einer Liege und in Tragetüchern zum Krankenwagen trugen. Sie hatten in der Provinz Kahramanmaras unter den Trümmern ihres Hauses ausgeharrt. Die Helfer fielen sich in die Arme. Einer sagte dem Sender CNN Türk, er sei glücklich über den kleinen Erfolg. 15 Stunden lang hätten sie daran gearbeitet, die Familie zu befreien.

Bundeswehr fliegt 50 Tonnen Hilfsgüter in Krisengebiet

Die Bundeswehr will am Donnerstag rund 50 Tonnen Hilfsgüter in die Region fliegen. Ein erstes Flugzeug startete am Morgen im niedersächsischen Wunstorf. Zuvor waren schon Teams verschiedener Hilfsorganisationen in die Türkei geflogen.

Auch das UN-Welternährungsprogramm (WFP) hat Hilfe auf den Weg gebracht. «Eine Region, die seit Jahren von immer neuen Krisen geplagt wird, steht vor einer weiteren Krise mit unvorstellbaren Verlusten und Zerstörungen», sagte Corinne Fleischer, WFP-Regionaldirektorin für den Nahen Osten, Nordafrika und Osteuropa.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wies am Mittwoch Kritik auch aus den Reihen der Opposition zurück, seine Regierung habe das Land nicht für ein erwartbares Erdbeben dieser Größenordnung gewappnet und nach der Katastrophe nicht schnell genug Hilfsmaßnahmen in Gang gesetzt. Es sei nicht möglich, auf ein solches Desaster vorbereitet zu sein, sagte er bei einem Besuch in Kahramanmaras.