Angriffskrieg in der Ukraine Lieferung von Leopard-Panzern in Sicht

Ein Leopard-2-Panzer der Bundeswehr fährt beim Besuch von Bundeskanzler Scholz durch das Camp Adrian Rohn.
Ein Leopard-2-Panzer der Bundeswehr fährt beim Besuch von Bundeskanzler Scholz durch das Camp Adrian Rohn. (Bild: Michael Kappeler/dpa)

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Seit fast einem Jahr wehrt sich die Ukraine gegen die russische Invasion. Die Regierung in Kiew forderte zuletzt auch Leopard-Kampfpanzer. Scholz hat lange überlegt – und soll sich jetzt entschieden haben.

Berlin (dpa) – Nach monatelangen Diskussionen rückt die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine näher. Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist nach übereinstimmenden Medienberichten nun dazu bereit – aber nur unter Bedingungen.

Laut «Süddeutscher Zeitung» und «Bild»-Zeitung stellte Scholz in einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden klar, Deutschland könne nur liefern, wenn die USA ihrerseits der Ukraine eigene Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung stellen.

«Wir öffnen wirklich die Tür, um diese Fähigkeit in einem entscheidenden Moment zu schaffen», hieß es weiter. Austin traf am Mittwochabend in Berlin ein, um über weitere Unterstützung für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland zu sprechen. An diesem Donnerstag trifft er den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

Die US-Regierung ist laut einem CNN-Bericht optimistisch, dass Deutschland der Lieferung zustimmen wird. «Wir sind sehr optimistisch, dass wir in dieser Frage bis Ende der Woche Fortschritte machen werden», zitierte der US-Sender einen hochrangigen Beamten des Pentagon. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin werde die deutsche Seite drängen, die Lieferung zu erlauben, um die Ukraine zu befähigen, eine potenzielle Frühjahrsoffensive Russlands zu kontern.

Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, nannte die Abgabe von Leopard-Panzern an Kiew überfällig und eine «moralische Verpflichtung». Doch bewertet die Bevölkerung hierzulande diesen Plan nach einer Umfrage im Auftrag der dpa weiter überwiegend skeptisch.

US-Verteidigungsminister in Berlin

Am Mittwochabend traf US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Berlin ein, um über weitere Unterstützung für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland zu sprechen. An diesem Donnerstagvormittag trifft er den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der am Morgen im Bundestag vereidigt wird und dann die Amtsgeschäfte übernimmt.

«Bild» meldete unter Berufung auf Regierungskreise, Scholz wolle sowohl deutsche Leopard-Lieferungen zulassen als auch Nato-Partnern dies erlauben – wenn denn auch die USA ihre Abrams-Panzer zur Verfügung stellten. Demzufolge geht es dem Kanzler darum, dass Europa und die USA Kampfpanzer nur gemeinsam an Kiew geben, damit der russische Präsident Wladimir Putin die Nato nicht spalten könne. Das Kanzleramt wollte sich am Abend zu den Berichten nicht äußern.

Die USA bereiten nach Berichten neue umfangreiche Waffenlieferungen an die Ukraine vor. Das Nachrichtenportal «Politico» berichtete am Mittwoch unter Berufung auf informierte Kreise, dass die USA unter anderem die Lieferung von Radschützenpanzern des Typs Stryker erwägen. Es werde derzeit nicht erwartet, dass die USA die Lieferung eigener Abrams-Kampfpanzer genehmigen, hieß es in dem Bericht. Grund sei die aufwendige Instandhaltung und Ausbildung an dem Kampfpanzer. Von offizieller Stelle gab es hierfür zunächst keine Bestätigung.

Beratung über weitere militärische Unterstützung

An diesem Freitag kommen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz die Verteidigungsminister mehrerer Dutzend Staaten zusammen, um über die weitere militärische Unterstützung der Ukraine zu beraten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet von dem Treffen ein Signal, dass es «mehr schwerere Waffen und mehr moderne Waffen» für die Ukraine gibt.

Die Lieferung von Kampfpanzern westlicher Bauart wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Großbritannien hat sie bereits angekündigt, Polen und Finnland sind im europäischen Verbund dazu bereit. Deutschland nimmt eine Schlüsselrolle ein, weil die Leopard-2-Panzer hier produziert werden. Die Bundesregierung muss jede Weitergabe dieser Panzer, über die 20 Länder verfügen, genehmigen.

Der Leopard 2 gilt als einer der besten Kampfpanzer weltweit. Die Ukrainer wollen mit ihm gegnerischen Linien in dem zuletzt eher statischen Stellungskrieg durchbrechen.

Heusgen spricht von «moralischer Verpflichtung»

Heusgen kritisierte, dass die Kampfpanzer-Lieferung verschleppt worden sei. «Wenn wir sehen, welches schreckliche Leid die Russen anrichten in den besetzten Gebieten, dann besteht beim Thema Kampfpanzer auch eine moralische Verpflichtung», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Präsident Wladimir Putin rücke kein Jota von seiner Politik ab. «Und dann muss man einfach sagen: Dieser Mann versteht leider nur die Sprache der Härte.»

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte dem Westen zuletzt mehrfach Zögerlichkeit beim Thema Waffenlieferungen bescheinigt. Aktuell gehe es insbesondere darum, Russland bei dessen militärischer Mobilmachung zuvorzukommen, sagte er am Mittwoch. «Die Belieferung mit westlichen Kampfpanzern muss einer nächsten Invasion mit russischen Kampfpanzern zuvorkommen.»

Auch hierzulande kamen von der oppositionellen Union, aber auch von den Koalitionspartnern FDP und Grünen erneut Forderungen, der Ukraine zügig auch Leopard-Kampfpanzer zu liefern. Pistorius müsse sich dafür einsetzen, «dass wir der Ukraine endlich Leopard 2 zur Verfügung stellen», sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter dem Portal t-online. Der FDP-Verteidigungsexperte Alexander Müller sagte dem «Handelsblatt», die deutsche Industrie müsse jetzt schnell den Auftrag bekommen, bei ihr auf Halde stehende ältere Leopard-1-Kampfpanzer instand zu setzen.

Der Vizechef des Verteidigungsausschusses, Henning Otte (CDU), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Die dringendste Frage lautet jetzt: Liefert Deutschland Kampfpanzer? Ich hoffe, Pistorius kann sich dabei gegen Scholz durchsetzen und bleibt nicht wie Frau Lambrecht Erfüllungsgehilfe des Kanzlers.» Die bisherige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) war diese Woche zurückgetreten.