Gesundheitssystem Lauterbach: Krankenhäusern geht es «gar nicht gut»

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei einer Pressekonferenz in Berlin. (Bild: Michael Kappeler/dpa)

WOCHENBLATT
WOCHENBLATT

Gerade kämpfen Kinderkliniken mit Engpässen. Doch auch generell ist die Lage vieler Krankenhäuser angespannt, was Patienten, Ärztinnen und Pflegekräfte spüren. Kommt jetzt eine große Trendwende in Gang?

Berlin (dpa) – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will heute grundlegende Reformvorschläge zur Zukunft der Krankenhäuser in Deutschland vorstellen. Erklärtes Ziel ist, die Versorgung stärker von finanziellem Druck zu lösen.

Dafür soll die bisherige Vergütung über Pauschalen für Behandlungsfälle entscheidend verändert werden, wie der SPD-Politiker bereits angekündigt hatte. Empfehlungen dazu hat eine Expertenkommission der Bundesregierung erarbeitet. Ein erstes Gesetzespaket, das unter anderem mehr Geld für Kinderkliniken vorsieht, hatte der Bundestag kürzlich beschlossen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft forderte ein Gesamtkonzept für eine Reform. «Das ständige Herauslösen von Einzellösungen bringt mehr Verwerfungen als Fortschritt im System», sagte Vorstandschef Gerald Gaß, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zuerst müsse auch die Finanzierungslücke bei Betriebs- und Investitionskosten der Kliniken geschlossen werden, ehe eine Umverteilung der Mittel starte.

Lauterbach: Jetziges System betont «billig und Menge»

Lauterbach hatte vorab deutlich gemacht, dass es um «nicht weniger als eine Revolution» in der Finanzierung der Krankenhäuser gehe. «Wir haben das Gleichgewicht verloren zwischen Medizin und Ökonomie», sagte er in der vergangenen Woche im Bundestag.

Das jetzige System betone «billig und Menge». Man könne in Kliniken aber nicht mit den gleichen Regeln vorgehen wie beim Lebensmitteldiscounter.

Im Kern soll es um eine «Überwindung» der Fallpauschalen gehen. Das System habe sich mittlerweile so verselbstständigt, dass es zulasten der Qualität der Versorgung gehe, lautet Lauterbachs Analyse. Das liege an einem «Hamsterrad-Effekt»: Nur mit einer Steigerung der Fallzahlen könnten Kliniken ihr Budget halten oder erhöhen. Und es machten Kliniken Gewinn, die für Leistungen möglichst wenig Geld ausgäben – höherer Aufwand bedeute dagegen tendenziell Verluste.

«Tatsächlich geht es den Krankenhäusern gar nicht gut», sagte der SPD-Politiker am Dienstag im Deutschlandfunk mit Blick auf das System der Fallpauschalen. Sie böten einen systematischen Anreiz, dass die Kliniken «in die Menge gehen» und oft zu viel machten. Darunter leide die Qualität. Lauterbach sprach von einem Ungleichgewicht zwischen medizinischen und ökonomischen Aspekten.

Die Vergütung über Fallpauschalen war vor knapp 20 Jahren eingeführt worden, um das System effizienter zu machen und zum Beispiel auch zu kürzeren Klinikaufenthalten für Patienten zu kommen. Dafür gibt es einen Katalog mit Fall- und Diagnosegruppen.

Mehr Patienten, mehr Einnahmen

Die Kliniken bekommen dann von der jeweiligen Krankenkasse pro Patient oder Behandlungsfall einen pauschalen Euro-Betrag, wie der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) erläuterte. Je mehr Patienten eine Klinik behandelt, desto mehr Einnahmen erzielt sie. Schon aus den Pauschalen herausgelöst wurden Kosten fürs Pflegepersonal, um Spardruck zulasten der Pflege zu beseitigen. Die Kassen zahlen alle anfallenden Kosten.

Insgesamt machen die Ausgaben für die bundesweit rund 1900 Kliniken den größten Einzelposten bei den gesetzlichen Krankenversicherungen aus. Im vergangenen Jahr fielen nach Angaben des GKV-Spitzenverbands fast 85,9 Milliarden Euro dafür an – und damit etwa jeder dritte Euro gemessen an den gesamten Leistungsausgaben von 263 Milliarden Euro.

Generell ist die Finanzierung der Krankenhäuser zweigeteilt: Die Betriebskosten samt Personal zahlen die Kassen, Investitonskosten wie für Neubauten oder neue Geräte sollen die Bundesländer finanzieren.