Landwirtschaft im Wandel: Das Projekt „Zukunftsbauer“

Susanne Schulze Bockeloh überzeugte bei der Jahresversammlung der Landwirte in Neufra ihre Zuhörer.
Susanne Schulze Bockeloh überzeugte bei der Jahresversammlung der Landwirte in Neufra ihre Zuhörer. (Bild: Maximilian Kohler)

Bei der Jahreshauptversammlung des Kreisbauernverbandes Biberach-Sigmaringen sorgte Susanne Schulze Bockeloh (Vize-Präsidentin des Deutschen Bauernverbandes) für große Aufmerksamkeit bei den Besuchern.

Mit ihren Ausführungen zum Projekt „Zukunftsbauer“ legte sie gekonnt Schwachstellen in der Wahrnehmung ihres Berufsstandes auf. Ihre Aussagen basierten auf der Erkenntnis der wissenschaftlich fundierten Rheingold-Studie.

Gespannt warteten die Besucher der Versammlung auf die Ausführungen der Vizepräsidentin. Sie wurden nicht enttäuscht, denn Schulze Bockeloh redete ab der ersten Sekunde Klartext. Sie forderte Mut für Veränderungen. Dieser sei durch den enormen Strukturwandel mit dramatischen Auswirkungen und enormen Kostendruck zwingend notwendig.

Mit einer klaren Feststellung beschrieb sie ein weitgehendes Problem der Landwirtschaft: „Teile unserer Gesellschaft bewegen sich zunehmend parallel zueinander“. Die Begründung für diese scheinbar provokante These folgt prompt. Die Studie lege offen, so Schulze Bockeloh, dass sich die Landwirtschaft immer weiter von der Allgemeinheit entfernt habe. Dies führte zur beschriebenen Parallelwelt, die kaum noch Kontaktpunkte zwischen den Gruppen ermögliche. Die dabei entstandenen Bilder der anderen Seite seien geprägt von Unkenntnissen. „Es gibt keine, oder nur wenige Kontaktpunkte zwischen Stadt und Land, Bauern und Verbrauchern. Wir müssen deshalb schaffen miteinander, statt übereinander zu reden. Kontakte mit der anderen Seite sind hilfreich, um ein gegenseitiges Verständnis zu entwickeln,“ war ihre Botschaft an die Anwesenden und den Berufsstand.     

Total konträre Wahrnehmungen

Erschütternd das Bild, das sich die Studienteilnehmer von der Landwirtschaft machten. Demnach sehen sie Landwirte als Umweltverschmutzer, Tierquäler, „Bullerbü“ und als dumme Bauern. Ganz anders ist die Einschätzung der Landwirte zu ihrem Berufsstand. Sie sehen sich als Ernährer der Nation, leidenschaftliche Naturburschen, familiäre Traditionsbewahrer und ackernde Manager. „Das sind nicht nur andere Narrative (sinnstiftende Erzählungen) und andere Argumente, sondern es wird auch ganz anders in den Gruppen kommuniziert,“ so Schulze Bockeloh.

Landwirte sorgen für Versorgungssicherheit

Die Vizepräsidentin zeigte auf, welches Narrativ gegen den Stillstand notwendig ist. Demnach sind Landwirte Ernährer der Nation. Viele Verbraucher glaubten irrtümlich, dass dies die großen Player in der Lebensmittelbranche seien. Sie sieht Landwirte als Garanten der Versorgungssicherheit für die Konsumenten. Ein Aspekt, der durch den Krieg in der Ukraine und das Zusammenbrechen vieler Lieferketten noch mehr an Bedeutung gewinne. „Um dies zu verdeutlichen, müssen wir Landwirte zu einem anderen Narrativ, neuen Argumenten und einer besseren Kommunikation finden. Wir müssen durchdringen, um gehört zu werden,“ so Schulze Bockeloh.    

Zukunftsorientierte Landwirtschaft

Verblüffende Ergebnisse brachten die Studie bei Fragen zur Zukunft der Landwirtschaft. Die Einschätzung, wie zukunftsorientiert die Landwirtschaft aktuell sei, antworten die Verbraucher mit 28 Prozent, die Landwirte mit 26 Prozent. Die Frage, wie sich die Befragten eine zukunftsorientierte Landwirtschaft wünschen, antworteten die Verbraucher mit 63 Prozent, die Landwirte mit 64 Prozent.    

Fragestellungen für den Berufsstand

Schulze Bockeloh stellte die entscheidenden Fragen aus der Studie vor: „Wollen wir die Erkenntnisse der Studie nutzen und den Ausstieg aus der Parallelgesellschaft und dem ‚Schwarze Peter Spiel‘ herbeiführen? Haben wir die Kraft, den Mut und die Einigkeit, eine neue berufsständige Politik zu entwickeln? Wie kann das Narrativ ‚Zukunftsbauer‘ umgesetzt werden? Diese Fragen, so die Vizepräsidentin, erfordern einerseits die Bereitschaft Veränderungen zu gestalten, andererseits über die Kommunikation hinausgehende Konzepte und Ressourcen.

Arbeitsgemeinschaft „Zukunftsbauer“

Rund 20 Personen aus den Landesverbänden des Bauernverbandes setzen sich mit den Fragestellungen der Zukunft auseinander. Sie erarbeiteten bereits verschiedene Handlungsfelder:

  • Neues Selbstverständnis: u.a. die Opferrolle hinter sich lassen, Selbstbewusstsein und Offenheit. Dies fordere, so Schulze Bockeloh, die Bereitschaft für Veränderungen.
  • Neues Rollenverständnis: Als Unternehmer und gesellschaftliche Kraft. Neue betriebsindividuelle Wege, z. B. ökologische Dienstleistungen. Hier sei die Bereitschaft im Handeln notwendig, gab sich die Vizepräsidentin überzeugt.
  • Eine neue Kommunikation: Damit soll ein wertschätzendes, gemeinsam finanziertes Zielbild der Landwirtschaft in die Öffentlichkeit getragen werden.         

Veränderungen als Chance

Mit einem Schaubild verdeutlichte Schulze Bockeloh, welche Evolution notwendig ist, um den Landwirten eine Perspektive für die Zukunft zu ermöglichen.

Zielbeschreibung für die Zukunft

Der Prozess soll u. a. dazu führen, dass wieder mehr Wertschätzung und Wertschöpfung für die Bauernfamilien erreicht wird. Ein Aufbruch in die Zukunft soll ebenso ermöglicht werden, wie ein umsetzbares Konzept für ein neues bäuerliches Selbstverständnis. Wichtig sei auch, dass Wege aufgezeigt würden, um dies auf den Höfen, im politischen Raum und gesellschaftlichen Partnern leben zu können.

Zu Schluss forderte Schulze Bockeloh die Anwesenden auf: „Lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft bauen!“