Landwirte unter Druck: Bauernpräsident Joachim Rukwied über Lebensmittelpreise, Veganismus und Corona

Landwirte unter Druck: Bauernpräsident Joachim Rukwied über Lebensmittelpreise, Veganismus und Corona
Als Landwirt versteht Bauernpräsident Joachim Rukwied die Sorgen und Nöte seiner Kollegen und Kolleginnen. (Bild: LBV)

Joachim Rukwied (60) ist selbst gelernter Landwirt, studierter Agrarwirtschaftler und übernahm 1994 den elterlichen Hof. Er engagiert sich seit Jahrzehnten in Bauernverbänden und ist seit 2006 nicht nur Präsident des Baden-Württembergischen- sondern seit 2012 auch des Deutschen Bauernverbandes.

Im Wochenblatt Interview spricht er über vegane Ernährung, Dumping-Preise und erklärt, was Corona mit rückläufigem Schweinefleischkonsum zu tun hat.

„Herr Rukwied, wie viele Landwirtschaftsbetriebe gibt es denn in Baden-Württemberg?“

„In Baden-Württemberg allein sind es um die 40.000 Betriebe. Bundesweit sind es rund 260.000 Betriebe. ABER: Die Zahl ist seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2000 gab es noch 20.000 Schweinehalter in Baden-Württemberg, 2020 waren es auch 20.000. Allerdings bundesweit.“

„Woran liegt es denn, dass die Schweinezüchter immer weniger werden?“

„Dafür gibt es viele Gründe. Der wirtschaftliche Druck wächst. Dazu gibt es höhere Auflagen, einen rückläufigen Schweinefleischkonsum, Generationswechsel und natürlich auch Corona!“

Was hat denn Corona mit der schwierigen Situation der Schweinezüchter zu tun?“

„Corona ist die Hauptursache für den Preiseinbruch im Schweinesektor. Es gab einen sogenannten Schweinestau, weil aufgrund von Infektionen und Quarantäneanordnungen die Mitarbeiter gefehlt haben, um die Tiere zu schlachten. Dazu kam der Wegfall von Großveranstaltungen. Bei Fußballspielen gab es keine Besucher und damit auch keine Stadionwurst mehr, kein Oktoberfest, keine Weihnachtsmärkte, Feste, Umzüge. Das macht unheimlich viel aus. Circa eine Million Schweine konnten zweitweise nicht geschlachtet werden.“

Was passiert mit diesem Fleisch jetzt?

„Da warten jetzt rund 280.000 Tonnen Schweinefleisch in den Lägern auf einen schönen Grillsommer.“

Schweinehaltung wird für hiesige Landwirte immer unattraktiver. Die Gründe sind vielfältig. Unter anderem spielt auch Corona eine Rolle.
Schweinehaltung wird für hiesige Landwirte immer unattraktiver. Die Gründe sind vielfältig. Unter anderem spielt auch Corona eine Rolle. (Bild: Pixabay)

„Sind die niedrigen Lebensmittel- beziehungsweise Fleischpreise auch mit Schuld an der angespannten wirtschaftlichen Situation der Züchter?“

„Natürlich. Für ein Kilo Schwein bekommt der Bauer nur 1,32 Euro. Außerdem kommen gestiegene Energiekosten für Lüftung, Strom, Anlagen und Treibstoff hinzu. Die Herstellung von Stickstoffdünger benötigt Gas und das ist bekanntermaßen teuer. Das merken ja auch Privathaushalte. Der Bauer hat dazu noch die Kosten für das Futter. Die sind auch gestiegen.“

„Wie lange können die Schweinezüchter das noch leisten?“

„Die stehen mit dem Rücken zur Wand. Viele müssen die Tierhaltung aufgeben. Die machen dann in anderen landwirtschaftlichen Sektoren weiter oder müssen sich einen Zuerwerb oder Nebenerwerb suchen.“

„Kommen Landwirte in branchenfremden Sparten denn gut unter?“

Rukwied (lacht): „Landwirte haben in der Regel kein Problem einen Job zu finden. Die können anpacken, sind vielseitig aufgestellt und harte, eigenverantwortliche Arbeit gewohnt.“

„Freiwillig machen das wohl die wenigsten. Was müsste denn passieren, um die Lage der Landwirte zu entspannen?“

„Einiges! Vor allem müssen die Preise für unsere Waren ansteigen. Weltweit gesehen haben wir mit den geringsten Anteil an Ausgaben für Lebensmittel. Die sind einfach zu billig. Dem Bauern bleiben von einem Euro gerade mal 21 bis 22 Cent. Der Milchsektor ist derzeit relativ stabil, der Schweinesektor hat eine traurige Sonderstellung.“

Saisonal, Regional und zu einem angemessenen Preis: Wenn wir bewusster einkaufen und konsumieren, leisten wir einen wichtigen Beitrag auch für die Landwirte.
Saisonal, Regional und zu einem angemessenen Preis: Wenn wir bewusster einkaufen und konsumieren, leisten wir einen wichtigen Beitrag auch für die Landwirte. (Bild: Pixabay)

„Ist es unter diesen Umständen dann überhaupt noch attraktiv für junge Leute in die Landwirtschaft zu gehen?“

„Der Beruf des Landwirtes ist SEHR attraktiv. Man hat mit Tieren zu tun, wenn man welche hält, ist selbstständig, kann seinen Betrieb so gestalten, wie man möchte und am Ende hält man das Produkt seiner Arbeit in den eigenen Händen. Unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet, sieht das nicht ganz so rosig aus. In der Landwirtschaft muss es endlich möglich sein, ein Einkommen zu erwirtschaften, das mit dem aus anderen Branchen der Selbstständigkeit vergleichbar ist.“

„Was sagen Sie zu dem Pferdeblutskandal? Dass in Island trächtige Stuten gequält werden, um UNSER Schnitzel billiger zu machen?“

„Ich sehe da als ersten Ansprechpartner die Veterinärbehörden. Tiere dürfen nicht leiden. Darauf muss ich mich als Landwirt verlassen können. Die meisten Schweinehalter, die dieses Medikament für ihre Tiere verschrieben bekommen haben, wussten nicht, unter welchen Umständen es hergestellt wird.“

„Themen wie Tierwohl, Ernährung und Gesundheit dringen gesellschaftlich immer weiter vor. Wie geht die Landwirtschaft damit um?“

„Die Themen sind in der gesellschaftlichen Diskussion präsent. Es braucht mehr Transparenz in Sachen Haltungsformen und Herkunft. Wir erkennen aber durchaus schon eine Tendenz in die richtige Richtung. In Kitas, Schulen und Mensen werden zum Beispiel mehr regionale und saisonale Lebensmittel angeboten. Dahin muss auch der Griff der Konsumenten gehen. Hin zu heimischer, regionaler und saisonaler Ware. Die Landwirte erkennen Trends natürlich auch. Ich sehe in der Erzeugung veganer Produkte auch eine Chance für Landwirte.“

„Was wünschen Sie sich abschließend für die Landwirte des Landes?“

„Die gesellschaftliche Wertschätzung unserer Bäuerinnen und Bauern muss wieder steigen. Sie sorgen für unsere Ernährung und das oft unter schwierigen Bedingungen. Aber mit viel Herzblut und Leidenschaft. Dieses psychologische Element ist wertvoll.“