Kavalierhaus Langenargen Kunstvoll verpackt: Richard Schindler macht aus Geschenken Kunstwerke

Bei der Arbeit: Der Freiburger Konzept-Künstler Richard Schindler in seinem Atelier direkt am See.
Bei der Arbeit: Der Freiburger Konzept-Künstler Richard Schindler in seinem Atelier direkt am See. (Bild: Daniela Leberer)

Die Verpackung eines Geschenks kann unsere Reaktion beeinflussen. Je perfekter sie ist, desto größer ist die Erwartungshaltung. Was aber, wenn das Präsent zur Nebensache wird, weil die Verpackung so einzigartig ist? Dann ist es Kunst und man hat ein Werk von Richard Schindler vor sich.

Der Freiburger Konzept-Künstler Richard Schindler wohnt und arbeitet aktuell als 41. Stipendiat noch bis Mitte November im Kavalierhaus. Unter dem Titel „Gute Gaben. Mitbringsel und Dreingaben“ läuft ein außergewöhnliches Kooperationsprojekt der Gemeinde Langenargen und dem Künstler. Wir haben ihn besucht.

Das temporäre Atelier direkt am See ist ganztägig geöffnet. Schindler bietet Besuchern an, mitgebrachte Dinge kostenlos als Geschenk zu „verpacken“ und sie so in ein Kunstwerk zu verwandeln. Schon die Lage des Kavalierhauses ist Inspiration pur. Wenn die Tür nicht geöffnet ist, reicht ein Klingeln.

Ein Künstler mit Herz und Esprit

Im ersten Stock treffe ich den Künstler. Zuvor gingen mir viele Gedanken durch den Kopf: Künstler verbindet man gerne mit exzentrisch, schwierig, abgehoben… Von alledem keine Spur. Richard Schindler begrüßte mich barfuß, fast wie eine alte Bekannte und ich hatte sofort das Gefühl, als wenn ich zum wöchentlichen Kaffeeklatsch vorbeikomme – wären da nicht besondere Dinge…

Extravagant elegant – Mit Pappe

Der Parkettboden des Wohn- und Aufenthaltszimmers ist mit weißem, in verschiedenen Größen ausgeschnittenem Karton ausgelegt, der große Tisch steht imposant und schräg in der Mitte, sämtliche Heizkörper sind ebenfalls mit Karton verkleidet und alles hat einen edlen Hauch, obwohl es doch „nur“ Karton ist. Ein Bücherregal wurde kunstvoll ummantelt und sieht so wie ein Schrank aus… und im Hintergrund glitzert der Bodensee durch die Fenster. Alles wirkt extravagant und doch so stimmig.

Die Objekte des Künstler machen oft neugierig und wirken erst im zweiten Blick.
Die Objekte des Künstler machen oft neugierig und wirken erst im zweiten Blick. (Bild: Daniela Leberer)

Ungezwungen mit den Besuchern ins Gespräch kommen

Richard Schindler möchte im Kavalierhaus in ungezwungener Atmosphäre mit den unterschiedlichsten Besuchern ins Gespräch kommen. Er erzählt mir, dass alle Räume, die er und seine Partnerin vorübergehend bezogen haben, fast leer waren. „Ich brauche immer zwei bis drei Wochen zum Ankommen. Anfangs ist alles so aufwühlend, der Blick muss ruhiger werden. Wie bei einem Maler braucht alles eine Vorarbeit. Er grundiert auch erst die Leinwand und trifft verschiedene Vorarbeiten, bevor er den Pinsel in die Hand nimmt. Jedes Detail ist mir wichtig. Nur so kann eine Basis geschaffen werden. Für mich ist bei vielen Dingen der Einrichtung auch eine Ausrichtung nach Süden wichtig, so wirken die Räume einladender.“

Hinter einem temporären Atelier steckt die Idee, für einen Künstler einen Ort zu schaffen, wo er sich fern von der gewohnten Umgebung bestimmten Werken oder Ideen widmen kann. Die Besucher erhalten dabei interessante Einblicke und können natürlich auch Kunstwerke erwerben.

Das Herzstück ist das Arbeitszimmer

Das Arbeitszimmer des Künstlers ist das Herzstück seiner aktuellen Bleibe auf Zeit. Wer hier eintritt, muss an einem Lot, dass an einer Schnur hängt, vorbei. „Kunstwerke sind das Lot des Lebens,“ so Richard Schindler. In dem lichtdurchfluteten Raum findet man eine Vielzahl seiner verschiedensten Kunstwerke.

Bauschaum und Styropor kunstvoll verwoben.
Bauschaum und Styropor kunstvoll verwoben. (Bild: Daniela Leberer)

Das Interessante daran ist, dass jeder hinter einem Werk etwas anderes sieht und hineininterpretiert. „Das ist die Grundlage für anregende Gespräche.“ Auf dem großen Arbeitstisch stapeln sich eine Menge nichtiger Alltagsmaterialien. „Durch mein Schaffen erhalten diese ein anderes Sein und eine andere Aufmerksamkeit.“

Gaben und Geschenke mit der richtigen „Verpackung“ aufwerten

Wer möchte, kann Kleinigkeiten ins Atelier mitbringen und diese von Richard Schindler „verpacken“ lassen und nebenbei seine Kunstwerke bestaunen. „Durch die Verpackung wird jedes Teil auf einen Sockel gestellt, es ist wie das Umhüllen eines Ganzen.“

Raffiniert: Getrocknete und halbierte Avocado-Schalen mit Blattgold überzogen in ansprechender „Verpackung“.
Raffiniert: Getrocknete und halbierte Avocado-Schalen mit Blattgold überzogen in ansprechender „Verpackung“. (Bild: Daniela Leberer)

Wie bei einer Schneiderin, die einen Stoff sieht, fühlt und dann die Person in Augenschein nimmt, die ein Kleidungsstück genäht haben möchte, geht auch bei Schindler sofort das Kopfkino los. Seine „Verpackungen“ – vorwiegend aus Überschuss-Kartonagen einer Firma – sind raffiniert und haben etwas Geheimnisvolles. Man braucht einen zweiten Blick, um genau zu erkennen, wie detailverliebt alles ist. „Wenn Dinge eine Fragilität signalisieren, entsteht eine Verletzlichkeit beim Betrachter. Für mich als Künstler ist die Lösung der „Verpackung“ auch ein Geschenk und gleichzeitig ein riskantes Unternehmen, weil nicht immer von Anfang an klar ist, wie es eingepackt wird.“

Viel mehr als nur eine „Verpackung“

Eines ist auf alle Fälle sicher, bei Richard Schindler wird das eigentliche Geschenk zur Nebensache. Die „Verpackung“ ist letztendlich das Geschenk und erhält sicherlich bei jedem Beschenkten einen Ehrenplatz.

Triumph der Form: Die Brezel – aus Bronze mit Blattgold.
Triumph der Form: Die Brezel – aus Bronze mit Blattgold. (Bild: Daniela Leberer)

Im Kontext des diesjährigen Kavalierhausstipendiums wird Richard Schindler vom 14. September bis 3. Oktober 2022 öffentlich im Museum Langenargen arbeiten – bei Gesprächen, Kaffee oder Wein seine Gäste dort empfangen und seine außergewöhnliche Dienstleistung anbieten. Für diese Zeit sind Bilder und Objekte Schindlers in seiner Museums-Installation zu sehen, während im Gegenzug Bilder aus dem Museumsbestand im Kavalierhaus-Atelier „wohnen“.