Kritiker und Nutzer stellen Luca-App miserables Zeugnis aus

Die Seite einer Luca App ist auf einem Display eines Smartphones zu sehen.
Die Seite einer Luca App ist auf einem Display eines Smartphones zu sehen. (Bild: Bernd Weißbrod/dpa)

WOCHENBLATT
WOCHENBLATT

Wie geht es weiter mit der Luca-App? Kurz vor der Entscheidung über die Zukunft der Software ist die Front der Gegner breit. Sie halten die Anwendung für überflüssig.

Stuttgart (dpa/lsw) – Kritiker, Betreiber und Gesundheitsämter sehen die Luca-App in weiten Teilen als überflüssig zur Kontaktverfolgung von Corona-Ausbrüchen an. Das ergab am Montag ein öffentlicher Austausch der Landesregierung mit Vertretern von Gesundheitsämtern, Softwareentwicklern, Experten des Chaos Computer Clubs und dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga).

Für viele Gesundheitsämter im Südwesten ist die Luca-App nach eigenen Angaben keine große Hilfe bei der Nachverfolgung von Corona-Ausbrüchen. Eine Umfrage, an der sich 34 von 38 Gesundheitsämtern beteiligten, habe ein heterogenes Bild abgegeben, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Ein Viertel der Ämter habe keine Aussage zur App gemacht. Von den restlichen Ämtern habe die Hälfte angegeben, dass die App die Kontaktverfolgung im Vergleich zur Zettelwirtschaft erleichtere. Die andere Hälfte gab jedoch an, dass die App keine oder kaum Erleichterung bringe.

Die Luca-App soll Restaurantbesitzern und Event-Veranstaltern eigentlich helfen, die gesetzlich vorgeschriebene Erfassung der Kontakte der Besucher ohne Zettelwirtschaft zu erledigen. Sie kann direkt mit den Gesundheitsämtern verbunden werden. Derzeit wird aber in fast allen Bundesländern mit einer Lizenz beraten, ob der Vertrag mit den Betreibern der Software verlängert werden soll oder nicht.

Vertreter von Gesundheitsämtern kritisierten in der Runde, dass man sich am Eingang von Restaurants, Freizeitparks oder Kaufhäusern meist nur über einen einzelnen QR-Code anmelden könne. Außerdem würden viele Menschen vergessen, sich auch wieder abzumelden. Das Ergebnis seien lange Listen mit Hunderten Kontaktpersonen. Diese abzuarbeiten sei mühsam und oft wenig ertragreich. Die Ämter forderten eine digitale Lösung, bei der die räumliche und zeitliche Nähe zu einem infizierten Besucher schneller und klarer erfasst werden könne.

Die europäische Hackervereinigung Chaos Computer Club (CCC) sieht keinen Sinn in der weiteren Verwendung der Luca-App. Bei der Nachverfolgung von Kontakten müsse man sehr schnell sein, sagte Jens Rieger, Vorstand des CCC Freiburg. «Dafür ist Luca systematisch und strukturell bedingt einfach eine dysfunktionale App, weil Luca braucht immer die Zuarbeit von den Gesundheitsämtern.» Das koste Zeit, die man nicht habe. Die Corona-Warn-App übernehme diesen Arbeitsschritt automatisiert.

Bundesweit gebe es pro Tag im Schnitt 10 bis 20 Kontaktverfolgungen über die App, berichtete Rieger – bei mehr als 320 angeschlossenen Gesundheitsämtern sei das «ein Witz». Die Kontaktnachverfolgung über die Luca-App finde de facto nicht statt.

Auch Rieger bemängelte, dass sich Besucher von Freizeitparks oder großen Kaufhäusern teils nur mit einem QR-Code am Eingang über die App anmelden. Es brauche eine kleinteiligere Aufteilung, um Kontakte wirksam nachverfolgen zu können. So könne man etwa in Restaurants mehrere Bereiche mit QR-Codes ausstatten, das sei mit der Corona-Warn-App sehr gut abbildbar.

Der Dehoga forderte vom Land erneut eine grundsätzliche Abschaffung der Erfassung von Gäste-Kontaktdaten in Gastronomie und Hotellerie. Entscheidend sei, erfasste Daten auch nachzuverfolgen und bearbeiten zu können, sagte Geschäftsführer Tobias Zwiener. Man dürfe jetzt nicht ein System mit einem anderen ersetzen, sagte er mit Blick auf die Corona-Warn-App.

Baden-Württemberg hatte die App im Frühjahr ohne Ausschreibung und Wettbewerbsverfahren für 3,7 Millionen Euro erworben. Die Lizenz läuft nach früheren Angaben der Behörde Ende März aus und wird ohne eine fristgerechte Kündigung automatisch fortgesetzt. Das Land will nach Angaben des Gesundheitsministeriums bis Ende Februar entscheiden. Andere Länder haben bereits beschlossen, nicht länger auf die App zu setzen. Lucha sagte am Montag, man werde alle Hinweise mitnehmen und intensiv beraten.