Bauernpräsident Joachim Rukwied in Neufra Kreisbauernversammlung: Die Eigenversorgung bereitet Sorgen

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied bei seiner Ansprache.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied bei seiner Ansprache. (Bild: MK)

Bei der Jahreshauptversammlung des Kreisbauernverbandes Biberach – Sigmaringen e. V. in Neufra (Riedlingen) war Bauernpräsident Joachim Rukwied der Hauptredner. In gut 60 Minuten nahm er die Zuhörenden auf einen Parforceritt, durch die aktuellen und kommenden Sorgen der Landwirtschaft mit. Die von einem wohltuenden Pragmatismus und Sachlichkeit geprägte Rede beinhaltete aber auch, kritische Fragestellungen an Gesellschaft und Politik.

Rukwied betonte immer wieder die Bereitschaft der Landwirtschaft, die notwendigen Veränderungen der Zukunft mitzugehen. Dies erfordere allerdings, dass die Entscheidungsträger auch Rahmenbedingungen schaffen müssten, die umsetzbar seien.

Zeitenwende auf vielen Ebenen

„Ja, wir erleben derzeit eine Zeitenwende. Dies umfasst den geopolitischen Bereich genauso, wie die wirtschaftlichen und verteidigungspolitischen Bereiche. Wir erleben auch Veränderungen bei den Handelswegen. Ich dachte immer Handel verbindet und dies sei ein Stück Friedenspolitik. Die wird nun durch den Krieg in der Ukraine in Frage gestellt,“ erklärte Rukwied seine aktuelle Sicht.

Auch zu den Veränderungen in Berlin bezog Rukwied Stellung: „Mit der neuen Regierung gab es nicht nur Änderungen bei den Inhalten, sondern auch bei den Ansprechpartnern. Beim Bauerntag Mitte Juni, werden wir deshalb die Chance nutzen, um mit Cem Özdemir über unsere Sorgen und Nöte zu sprechen und auch zu diskutieren,“ warf Rukwied einen Blick voraus. Bereits jetzt steht für ihn fest, dass die die Landwirtschaft auf Angebote warte, die ihr eine Perspektive ermögliche. Ideologie sei für ihn kein Lösungsansatz, so Rukwied, zielführender sei eine sachorientierte Herangehensweise an die Zukunft: „Wir stellen die Ernährung mit hochwertig erzeugten Lebensmitteln sicher. Dazu gehört aber auch die Ernährungssicherung. Den Krieg als Mittel zum Zweck hier zu missbrauchen, lehnen wir ab.

Streifzug durch die Sachgebiete

Beim Bienenschutz verwies Rukwied auf die Position des Bauernverbandes: „Die Ziele tragen wir mit, die Ausgestaltung ist jedoch falsch und bedroht unsere Betriebe in ihrer Existenz!“ Als Folge verwies er darauf, dass bis zu 15 Prozent Ernährungsmitteleinbußen damit einher gingen und stellte klar: „Die Produkt kommen dann aus anderen Ländern, die nicht, die uns vorgegebenen Standards einhalten müssen.“

Die Zukunft des ländlichen Raums sieht Rukwied gefährdet und damit auch die Ernährungssicherheit. Am Beispiel der Schweinehaltung erläuterte der Präsident die Problemstellung: „Der Selbstversorgungsgrad ist dramatisch abgesunken, die Bauern erhalten im Moment 1,80 € für Schweinefleisch. Wir können den Markt nicht beeinflussen, führen aber Gespräche mit dem Schlachtverband und den Handelsketten. Steigen die Preise nicht, sind die Betriebe im höchsten Maße gefährdet.“ Tierwohl sei, so gab sich der Bauern-Chef überzeugt, aber nur mit auskömmlichen Preisen möglich. Aus seiner Sicht gibt es ein Spannungsfeld zwischen ständig steigenden Ansprüchen an die Schweinehalter und sinkenden Fördermitteln. „Das geht wirklich nicht zusammen. Ich appelliere an die Schlächter, den Handel und Verbraucher, dass sie bereit sind, höhere Preise zu akzeptieren!“ Die Rückmeldungen aus den Hofläden, den Spargel- und Erdbeererzeugern sei allerdings wenig ermutigend: „Uns werden rückläufige Absatzzahlen gemeldet.“

Rasanter Flächenverbrauch

Sehr kritisch setzte sich Rukwied mit dem Flächenverbrauch auseinander: „Im Ländle verlieren wir täglich 5,4 Hektar. Ein Entzug für Flora und Fauna. Vom Null-Prozent-Ziel sind wir himmelweit entfernt. Im Bund sind es aktuell 30 Hektar/täglich.“ Kritisch setzte er sich mit der Verwendung von landwirtschaftlichen Flächen für Photovoltaik auseinander. Sein Vorschlag: „Dächer, Parkflächen und frühestens dann minderwertige landwirtschaftliche Flächen zu nutzen.

Deutlich setzte sich Rukwied gegen den Zeitgeist kontra Landwirtschaft ein: „Wir Landwirte, also rund zwei Prozent der Gesamtbevölkerung, können nicht das reparieren, was die anderen 98 Prozent versäumen oder falsch machen.“ Sorgen bereiten ihm auch die Problemfelder Mindestlohn und Auflagen für die Betriebe. Er forderte: „Die Wirtschaftlichkeit darf nicht weiter gefährdet werden.“

Die Zukunft im Ländle sieht er unter verschiedenen Aspekten: Regionalität und Qualität können wir liefern, und es schmeckt auch den Verbrauchern, der Preis muss aber stimmen.“ Mit Diversifikation (mindestens ein zweites Standbein) sieht Rukwied ebenso Chancen für die Zukunft der Landwirtschaft, wie die bei der veganen Ernährung.

Eine besondere Nachricht hatte Rukwied noch im Gepäck. Im Bund wurde eine Unternehmerinnausschuss gebildet. Als deren Vorsitzende wurde Martina Magg-Riedesser (Achstetten) gewählt, die im Kreisbauernverband als zweite Vorsitzende fungiert.

Guter Start von Endriß

Der Kreisvorsitzende Karl Endriß bei seiner Ansprache.
Der Kreisvorsitzende Karl Endriß bei seiner Ansprache. (Bild: MK)

Karl Endriß gab bei der Begrüßung der Versammlung einen überzeugenden Einstand. Der erst seit einem knappen Jahr amtierende Kreisvorsitzende begrüßte gekonnt die vielen Ehrengäste. In seiner Ansprache ließ er deutlich erkennen, dass er all die brennenden Fragen der Landwirtschaft auf dem Schirm hat. So dienten seine Ausführungen als echte Steilvorlagen für die folgende Rede von Präsident Rukwied.