Konstanz Oberbürgermeister appelliert an Ministerpräsident Kretschmann

Uli Burchardt sucht das Gespräch mit der Landesregierung.
Uli Burchardt sucht das Gespräch mit der Landesregierung. (Bild: Stadt Konstanz)

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Konstanz – In einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat Oberbürgermeister Uli Burchardt – laut städtischer Mitteilung – die Notwendigkeit betont, die Rahmenbedingungen für mögliche Lockerungen in den Kommunen zu diskutieren. Gleichzeitig soll dabei der Infektionsschutz auf keinen Fall vernachlässigt werden.

Das stelle insbesondere touristisch attraktive Kommunen und Regionen vor große Herausforderungen. OB Burchardt regt in seinem Brief an den Ministerpräsidenten – so die Stadt weiter – die Prüfung einer temporären Einschränkung der Mobilität in Baden-Württemberg an – analog der Praxis in anderen Ländern.

Anbei der Brief an den Ministerpräsidenten im Wortlaut:

„Ich wende mich heute an Sie in Sorge um die Bedürfnisse unserer Bürger / innen, um unsere Innenstadt, um den Tourismus in unserer Region und um den Infektionsschutz an attraktiven Orten – beispielsweise bei uns in der Stadt Konstanz. Wir diskutieren im Moment über vorsichtige Öffnungsschritte für die Städte und Gemeinden. Solche Öffnungsschritte brauchen wir unbedingt und an ihnen arbeiten wir intensiv.

Wir haben dazu gemeinsam mit dem Landkreis Konstanz eine Bewerbung als Modell-Region an Herrn Minister Lucha geschickt. Diese Öffnung müssen wir langsam, kontrolliert und sicher angehen. Ich teile auch aus Konstanzer Sicht die Meinung des Städtetages Baden-Württemberg, dass es der richtige Weg ist, auch oberhalb von Inzidenz 100 „click&meet“ und die schrittweise Öffnung der Außengastronomie zuzulassen bei gleichzeitiger Kontaktnachverfolgung mit der luca-App.

Sorge bereitet mir jedoch, dass unsere gemeinsamen Bemühungen durch eine Vielzahl gleichzeitig anreisender Gäste konterkariert werden könnten: Hygienebestimmungen sind bei Andrang großer Menschenmengen und wenig Platz auch bei gutem Willen kaum umsetzbar. In der Folge müssten wir die attraktiven Bereiche am Seeufer absperren, insbesondere um die Anziehungskraft für Gäste zu reduzieren.

Das kann aber doch nicht die richtige Antwort sein: Wir würden damit den Druck auf andere Bereiche der Stadt noch erhöhen, insbesondere in unserer engen Stadt, die umschlossen ist von Wasser, der Grenze zur Schweiz und Naturschutzgebieten. Und wir würden den Lebensraum unserer Bürger / innen unzumutbar einschränken.

Die Frühjahrs- und Sommermonate stellen in diesen Pandemiezeiten für unsere touristisch sehr attraktive Stadt – und für viele weitere Kommunen am See – daher eine besondere Herausforderung dar. Lockerungen gehen automatisch einher mit sehr großen Besucherfrequenzen und damit einer größeren Gefährdungslage – sowohl für die Einheimischen wie für die Gäste.

Der  Tübinger Weg, also das „Aussperren“ aller Gäste ab Überschreiten einer gewissen Personenzahl, würde in unserer touristisch hochattraktiven Stadt absehbar zu riesigem Frust, zu Unverständnis und zu Chaos vor den Toren der Stadt führen. Ich bin überzeugt: Es geht auch anders.

Wir müssen von der bisherigen Strategie des Auf- und Zumachens, des Hoch- und Runterfahrens wegkommen. Wir müssen klügere Instrument einsetzen, die einerseits der Gefährdungslage gerecht werden, andererseits aber der Bevölkerung vor Ort neue Spiel- und Handlungsräume ermöglichen. So möchte ich zum Beispiel die Prüfung einer temporären Einschränkung der Mobilität in Baden-Württemberg anregen, wie wir sie aus anderen Ländern kennen.

Bewegung in der Freizeit könnte zum Beispiel für wenige Wochen ausschließlich im eigenen Landkreis erlaubt sein. Alle Landkreise in Baden-Württemberg bieten meines Erachtens ausreichend Möglichkeiten zur Naherholung, die in dieser begrenzten Zeitphase genutzt werden können. Auf diese Weise könnten aus Pandemiesicht problematische große Ansammlungen von Menschen vermieden werden.

Gleichzeitig könnte dadurch ein Rahmen gewährleistet werden, um vor Ort auch bei Inzidenzen über 100 in kleinen Schritten zu einem normalen Leben zurückkehren zu können. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich möchte Sie bitten, diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. Sie ist sicher eine harte Maßnahme – auf der einen Seite.

Aber sie könnte andererseits die Grundlage sein für alles das, wonach sich viele Bürgerinnen und Bürger sehnen: die sukzessive Öffnung von Kultur- und Freizeiteinrichtungen, von Handel und Gastronomie. Und sie könnte letztlich auch eine Voraussetzung dafür sein, dass auch der Tourismus, der für viele in unserer Region die Lebensgrundlage ist, wieder zur Normalität zurückfinden könnte.“