Konflikt mit Russland: Luftalarm in ukrainischer Hauptstadt Kiew

Auf diesem vom Pressedienst der ukrainischen Polizeibehörde veröffentlichten Handout-Foto fliegen offenbar russische Militärhubschrauber über den Stadtrand von Kiew.
Auf diesem vom Pressedienst der ukrainischen Polizeibehörde veröffentlichten Handout-Foto fliegen offenbar russische Militärhubschrauber über den Stadtrand von Kiew. (Bild: Uncredited/Ukrainian Police Department Press Service via AP/dpa)

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Nach der russischen Invasion gibt es auf ukrainischer Seite die ersten toten Soldaten. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko appelliert an die Weltgemeinschaft, seinem Land zu helfen: «Wir sind im Krieg.»

Kiew (dpa) – Die ukrainische Hauptstadt Kiew hat wegen des russischen Angriffs Luftalarm ausgelöst. Die Verwaltung rief alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich möglichst in Luftschutzbunkern in Sicherheit zu bringen. Am Morgen waren bereits testweise die Luftschutzsirenen zu hören gewesen.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko verhängte eine Sperrstunde. Zudem seien vier Metro-Stationen als Luftschutzbunker ausgewiesen worden. Die U-Bahn solle weiter in Betrieb bleiben, sagte er. Kiew hat etwa 2,8 Millionen Einwohner. In der Ukraine gilt landesweit seit 5.30 Uhr (4.30 Uhr MEZ) auf Erlass von Präsident Wolodymyr Selenskyj das Kriegsrecht, vorerst für 30 Tage.

Angriffe aus verschiedenen Richtungen

Die Ukraine meldet bereits 40 getötete Soldaten durch russische Luftangriffe: Beim Absturz eines ukrainischen Militärflugzeugs südlich von Kiew sind nach offiziellen Angaben mindestens fünf Menschen getötet worden. Insgesamt seien 14 Menschen an Bord der Transportmaschine vom Typ Antonow An-26 gewesen, teilt der staatliche ukrainische Katastrophenschutz mit. Die Absturzursache war zunächst unklar.

Auch weitere Angriffe aus verschiedenen Richtungen werden gemeldet. Bis um 12.00 Uhr (MEZ) habe Russland mehr als 30 Attacken mit Flugzeugen, Artillerie und Marschflugkörpern «auf ukrainische zivile und militärische Infrastruktur» ausgeübt, teilt der ukrainische Generalstab mit. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben zunächst nicht.

Im Gebiet Tschernihiw, das im Nordwesten an Belarus grenzt, sei der Feind gestoppt worden, hieß es vom Generalstab weiter. «Heftige Kämpfe gehen in Richtung Charkiw weiter.» Die Großstadt Charkiw liegt im Osten unweit der russischen Grenze. Mariupol am Asowschen Meer sei «unter volle Kontrolle zurückgebracht worden».

Mit Blick auf den Süden des Landes teilte das Militär mit: «In Cherson ist die Situation schwierig.» Die russische Armee starte auch Offensiven von der 2014 von Russland einverleibten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim in Richtung Cherson und Melitopol. Die Rede war zudem von «Sabotage- und Aufklärungsgruppen» im Schwarzen Meer.

Für Meldungen, dass russische Truppen den Airport in Kiew eingenommen haben, gab es zunächst keine unabhängige Bestätigung. Der Berater des ukrainischen Innenministers, Anton Heraschtschenko, teilte bei Facebook Videos von angeblich abgeschossenen russischen Hubschraubern.

Zuvor hatte bereits Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg von russischen Angriffen aus verschiedenen Richtungen mit Luft- und Raketenangriffen, Bodentruppen und Spezialkräften gsprochen.

Moskau wiederum hatte betont, keine Flugzeuge, Raketen oder Artillerie gegen ukrainische Städte einzusetzen, sondern lediglich gegen militärische Infrastruktur, Luftverteidigung und Flugplätze der ukrainischen Luftwaffe vorzugehen. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Der Kreml ließ die Frage, bis wohin russische Soldaten vorrücken wollten, zunächst unbeantwortet.

«Wir kämpfen um unser Land»

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hat an die Weltgemeinschaft appelliert, der Ukraine zu helfen. «Wir sind im Krieg und kämpfen um unser Land, aber brauchen die Unterstützung der ganzen Welt und sofort wirklich schmerzhafte Sanktionen gegen Russland», sagte Klitschko der «Bild». «Die Lage in Kiew ist vorerst unter Kontrolle, aber die Menschen sind natürlich nervös», so Klitschko.

Ukrainischer Botschafter bittet um militärische Hilfe

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat um militärische Hilfe gebeten. Es gehe darum, dass die ukrainische Armee mit Defensivwaffen und Munition gestärkt werde, sagte Melnyk dem rbb-Inforadio. «Jetzt ist es an der Zeit für Deutschland aufzuwachen.» Der Botschafter sprach von einem lange geplanten und großangelegten Angriffskrieg, der die Existenz der Ukraine bedrohe. «Man hat alle Warnungen im Westen ignoriert, auch in Deutschland.»

Unterstützung bekommt Melnyk vom CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. «Wir, auch in Deutschland, müssen jetzt der Ukraine alles liefern, was wir liefern können», sagte er im Sender WDR 2. «Das sind auch Waffen. Dafür bin ich jetzt seit dem heutigen Tag.» Bislang habe er dies abgelehnt, um nicht die Gesprächsmöglichkeiten zu zerstören, die speziell Deutschland mit Russland habe. Diese bestünden jetzt aber nicht mehr, sagte Röttgen.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat das Nein der Bundesregierung zu Waffenlieferungen an die Ukraine verteidigt. «Ich halte das nicht für einen Fehler: Die russische Übermacht ist unvorstellbar», sagte Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, vor einer Sondersitzung des Gremiums. Die Bundesregierung überlege, anderes Material zu schicken.

Deutsche sollen Ukraine verlassen

Die Bundesregierung ruft deutsche Staatsangehörige dringend auf, die Ukraine zu verlassen. Außerdem wurde die deutsche Botschaft in Kiew vorübergehend geschlossen. «In der Ukraine finden Kampfhandlungen & Raketenangriffe statt», teilte das Auswärtige Amt auf Twitter mit. An die deutschen Staatsangehörigen appellierte das Außenministerium, vorläufig an einem geschützten Ort zu bleiben, falls diese das Land nicht auf einem sicheren Weg verlassen könnten.

Die deutsche Botschaft in Kiew hat Deutsche in der Ukraine aufgerufen, sich angesichts des russischen Einmarsches in Sicherheit zu bringen. «Eine Evakuierung durch deutsche Behörden ist derzeit nicht möglich», heißt es in einer Mitteilung, die über eine Krisenvorsorgeliste per E-Mail an deutsche Staatsbürger geschickt wurde. «Falls Sie das Land verlassen möchten, prüfen Sie bitte, ob dies auf einem sicheren Weg möglich ist. Bringen Sie sich und andere Personen nicht in Gefahr», steht in der Mail weiter. «Bleiben Sie an einem sicheren Ort. Meiden Sie Menschenansammlungen.»