Berg- und Hüttensommer 2022 Klimawandel und tauender Permafrost verändern das Bergsteigen

Neue Prager Hütte unter dem Gipfel des Großvenediger.
Neue Prager Hütte unter dem Gipfel des Großvenediger. (Bild: Jens Klatt/DAV)

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Die Sommersaison in den Bergen ist zu Ende. Die Hüttenwirte hatten nach Corona auf eine gute Saison gehofft. Was kam war ein Sommer mit Hitze, Trockenheit, steigenden Preisen, Berg- und Gletscherstürzen. Der DAV zieht Bilanz.

„Während der Pandemie sind viele Menschen aus der Gastronomie abgewandert und haben sich andere Jobs gesucht. Das macht sich auf den Hütten bemerkbar, wo nun mehr Servicekräfte denn je fehlen,“ so Robert Kolbitsch, Ressortleiter Hütten und Wege beim DAV (Deutscher Alpenverein).  Manche Hütten mussten aus diesem Grund ihr Angebot einschränken und zum Beispiel auf Selbstbedienung umstellen. Zudem machen steigende Lebensmittel- und Energiekosten dem Hüttenbetrieb zu schaffen: „Zwar laufen viele Hütten autark, aber die Herdplatten werden zum Beispiel mit Gas erhitzt. Zudem haben die Hütten auch ein Aggregat oder Blockheizkraftwerk, das mit Brennstoffen betrieben wird, die man aus dem Tal heraufbringen muss. Viele Hütten müssen auch mit teuren Hubschrauberflügen versorgt werden.“

Schließungen, weil Trinkwasser fehlte

Fehlende Produkte und explodierende Preise machten auch den Sektionen zu schaffen, die Hütten renovieren wollten. „Aufgrund fehlender Firmenangebote und unsicherer Baukostenplanung kommt es zu Verzögerungen bei Hüttenbaumaßnahmen“, erklärt Kolbitsch. Umbaumaßnahmen wird es künftig verstärkt geben müssen, der Klimawandel hat in diesem Jahr gezeigt, dass die Wasserversorgung mancher Hütten auf fragilen Beinen steht. So musste die Neue Prager Hütte am Großvenediger bereits im Sommer für die restliche Saison schließen, da es kein Trinkwasser mehr gab. Diese Probleme treten aber nicht nur im Hochgebirge auf, sondern auch in Bayern: Die Hochlandhütte bei Mittenwald entging ebenfalls nur knapp der temporären Schließung: „Ein paar regnerische Tage im September waren unsere Rettung“, erklärt Thomas Geberl, Hüttenreferent der Sektion Hochland.

Weniger Duschen und Trockentrenntoiletten

Eine "Katzenwäsche" sollte auf Hütten reichen und wird wahrscheinlich die Zukunft sein.
Eine „Katzenwäsche“ sollte auf Hütten reichen und wird wahrscheinlich die Zukunft sein. (Bild: Jens Klatt/DAV)

„Auf baulicher Seite können wir der Wasserknappheit mit der Erschließung neuer Quellen, der Nutzung von Dachwasser und größeren Speichertanks begegnen“, so Robert Kolbitsch, „und natürlich beim Verbrauch: Statt Spültoiletten setzen wir künftig bei manchen Hütten auf Trockentrenntoiletten, die kein Wasser verbrauchen. Auch Duschen wird es in naher Zukunft auf immer weniger Alpenvereinshütten geben können.“ Hier seien auch die Gäste gefragt: Zum einen mit Verständnis, zum anderen mit aktiver Hilfe beim Wassersparen.

Gletschersturz, Bergsturz & Co: Klimawandel in den Bergen

Ein Gletschersturz an der Marmolata mit mehreren Toten, Wegsperrungen am Mont Blanc und am Matterhorn sowie wegen Wassermangels geschlossene Hütten: Das Bergjahr 2022 stand deutlich im Zeichen des menschengemachten Klimawandels. 

 „Die Situation, wie wir sie in diesem Sommer in den Alpen hatten, gibt uns einen ersten bitteren Vorgeschmack, worauf wir uns mit fortschreitendem Klimawandel einstellen müssen“, erklärt Dr. Tobias Hipp, DAV-Experte für Gletscher und Permafrost. Auf einen relativ niederschlagsarmen Winter folgte ein trockener, heißer Sommer. Insbesondere im Hochgebirge haben sich diese Bedingungen bemerkbar gemacht: Die Gletscher waren bereits früh im Sommer ausgeapert, einige Hochtourenrouten mussten gesperrt werden. „Das heißt noch nicht, dass wir diese extremen Bedingungen von jetzt an jeden Sommer in dieser Form haben werden. Aber klar ist: Der Klimawandel, der Gletscherrückgang und der tauende Permafrost werden das Bergsteigen und Hochtourengehen mittelfristig verändern – und risikoreicher machen“, so Hipp weiter.

(Quelle: DAV)