Kart-Rennfahrerin Jana Stier: Mit pinkem Helm auf der Überholspur

Fokus auf die anstehende Saison: Jana Stier aus Trossingen.
Fokus auf die anstehende Saison: Jana Stier aus Trossingen. (Bild: AGES Foto)

Trossingen (dab) – Mit 16 gewann sie ihre erste Kart-Meisterschaft. Seitdem sehen ihre Konkurrenten Jana oft nur von hinten. Im WOCHENBLATT spricht sie über ihr kostspieliges Hobby und die Vorurteile, gegen die sie als Frau im Rennsport kämpft.

Die 23-jährige Jana aus Trossingen ist für das Nees Racing Team auf Rennstrecken in ganz Europa unterwegs. Doch letztes Jahr musste sie einen herben Rückschlag wegstecken. Denn eine Verletzung hat sie – im wahrsten Sinne des Wortes – ausgebremst.

Konkurrent fuhr ihr über den Arm

Jana, im vergangenen Juli hast du dir bei einem schweren Unfall eine Armverletzung zugezogen. Daraufhin musstest du mehrere Rennen absagen, deine Ziele rückten schlagartig in weite Ferne. Bist du wieder vollständig genesen?

Danke, mittlerweile geht es mir wieder gut und ich freue mich schon, wenn wir wie geplant Ende Februar in Italien mit dem Training für die neue Saison starten! Schließlich konnte ich nach dem Unfall im Sommer, als mir ein Konkurrent über meinen linken Oberarm gefahren ist, nicht mehr um die Titel mitkämpfen. Da ist also noch eine Rechnung offen.

Keine Chance auf Sieg in RMC Germany wegen frühzeitigem Saisonaus 2021

Du warst in der Klasse „Rotax DD2 National“ in zwei Wettbewerben am Start. Bist du mit deinem Abschneiden dennoch zufrieden?

Ja, ich hatte gute Platzierungen und bin bei der RMC Clubsport Dritte in der Gesamtwertung geworden. Bei der RMC Germany hatte ich aufgrund des Unfalls letztlich keine Chance mehr: Ich musste ein Rennen auslassen und wurde insgesamt 14., bei der RMC Euro Trophy bin ich 2021 nicht am Start gewesen.

Mit ihrem Team Nees Racing will die 23-Jährige auf Titeljagd gehen.
Mit ihrem Team Nees Racing will die 23-Jährige auf Titeljagd gehen. (Bild: Nees Racing – Privat)

Sportliche Vorbereitung

In diesen drei Kart-Serien bist du auch 2022 wieder dabei. Was steht bis zum ersten Rennen Ende März im bayerischen Wackersdorf noch alles auf deinem Vorbereitungsplan?

Zunächst einmal möchte ich ein paar Tage Auszeit nehmen und gehe Ski fahren. Außerdem nutze ich die Freizeit neben meiner Arbeit in der Medizintechnik gerne, um Fitness zu machen. Sollte es das Wetter zulassen, wollen wir den Trainingsstart noch vorverlegen und in Deutschland die ersten Tests absolvieren.

Weshalb kommt für dein Training keine Indoor-Kartbahn in Frage?

Ich habe mich schon früh dafür entschieden, ausschließlich Outdoor-Kart zu fahren – sprich Kartfahren im Freien. Es lässt sich einfach nicht mit einer Bahn in einer Halle vergleichen, beispielsweise kommen bei mir äußere Einflüsse wie Regen und Windböen hinzu. In Italien ist ein Outdoor-Training Ende Februar normalerweise kein Problem.

Während einer Kart-Saison stehen Rennen in mehreren Ländern Europas an.
Während einer Kart-Saison stehen Rennen in mehreren Ländern Europas an. (Bild: Privat)

Kart-Rennen als Familienevent

Dein Papa Joachim war ebenfalls Rennfahrer und kümmert sich heute als Mechaniker um dein Setup. Wie muss man sich den Ablauf eines Rennwochenendes bei euch vorstellen? Ist bei so viel Nähe Streit nicht vorprogrammiert?

Nein, nein, das passt wunderbar! Außerdem sind meine Mama und unser Hund ja auch immer dabei, egal wo und wann ich auf der Strecke bin. Für diese Unterstützung bin ich meinen Eltern wahnsinnig dankbar. Ein typisches Rennwochenende sieht bei uns so aus: freitags stehen Testfahrten für das Finden des richtigen Setups an. Das Qualifying und die anschließenden Heats bestreite ich am Samstag, bevor es dann am Sonntag in das die finalen Wertungsläufe geht.

Wie viele P.S. dürfen es sein?

Hat dich dein Papa mit dem Motorsport-Virus infiziert?

Ja, aber ich bin früher auch gerne geritten. Der Pferdesport ist die Leidenschaft meiner Mama, aber irgendwann hat Papa dann zu mir gesagt: Möchtest du lieber Kartfahren oder Reiten? Als Begründung meinte er: ein Pferd braucht jeden Tag Pflege, ein Kart kannst du mal eine Weile in der Garage stehen lassen. Somit war die Entscheidung schnell getroffen. Mein erstes E-Quad habe ich übrigens schon mit drei Jahren bekommen, den Kart-Führerschein hatte ich dann drei Jahre später in der Tasche.

Was reizt dich am Kart-Sport am meisten?

Zum einen die Geschwindigkeit: Auf der derzeit schnellsten Strecke in Mülsen sind wir mit bis zu 140 km/h unterwegs. Es ist immer wieder aufs Neue spannend, sich auf die Strecken und die Bedingungen einzustellen. Dazu das direkte Duell, Rad an Rad mit den Gegnern – da pumpt das Adrenalin durch den Körper!

Jubelpose: Meistens sieht die Konkurrenz auf der Strecke Jana Stier nur von hinten.
Jubelpose: Meistens sieht die Konkurrenz auf der Strecke Jana Stier nur von hinten. (Bild: Nees Racing)

Kampf gegen Vorurteile

Du hast als Frau auf der Rennstrecke schon oft schiefe Blicke geerntet und musstest dir dumme Sprüche gefallen lassen. Wie gehst du damit um?

Ich habe mittlerweile ein dickes Fell und kann das gut einordnen, wenn mal ein Spruch kommt. Ich gebe die Antwort dann auf der Strecke. Ein bisschen kann ich es ja sogar nachvollziehen, schließlich ist der Motorsport immer noch eher eine Männerdomäne.

Wie erklärst du dir das?

Vielleicht liegt es daran, dass viele Frauen vom Charakter her eher schüchtern sind und meist weniger Interesse an Autos haben, als Männer. Ich bin mir nicht sicher. Aber es ist als Frau definitiv schwieriger, sich in dieser Branche zu behaupten – dabei gibt es einige richtig gute Rennfahrerinnen!

Pinker Helm mit blauen Akzenten

Möchtest du mit deinem rosa Helm provozieren? Oder ist es einfach deine Lieblingsfarbe?

Mir gefällt die Farbe sehr gut und ich habe sie ganz bewusst gewählt. Ich lasse mir jedes Jahr einen neuen Helm lackieren, bislang habe ich sechs verschiedene Helme designt und lackiert. Die stehen alle bei mir Zuhause in einer Vitrine. Zum Beispiel habe ich einen in pink mit blauen Akzenten – das ist weiblich und gleichzeitig aggressiv! Und klar, ich möchte die Jungs natürlich auch ein bisschen provozieren. Wer wird schon gerne von einem pinken Helm überholt? (lacht)

Neben dem Kartsport zählen Skifahren und Fitness zu den Hobbys der Rennfahrerin.
Neben dem Kartsport zählen Skifahren und Fitness zu den Hobbys der Rennfahrerin. (Bild: Privat)

Teures Hobby Motorsport

Motorsport ist für die meisten Menschen ein teures Hobby, die wenigsten können davon leben. Kannst du uns einen Einblick in die Kosten geben?

Zum Beispiel benötige ich für ein Rennwochenende vier bis fünf Reifensätze, einer kostet knapp 200 Euro. Die Startgebührt bei der RMC Germany kostet 370 Euro. Hinzu kommen unter anderem Kosten für Verpflegung und Unterkunft. Das Hauptproblem ist die Sponsorensuche. Ohne finanzielle Unterstützung geht es in diesem Sport nicht – außer man hat das Glück, wie mancher Formel-1-Fahrer in eine sehr vermögende Familie geboren zu werden.

Die Pandemie kommt erschwerend hinzu.

Richtig, viele Sponsoren sind in den vergangenen zwei Jahren abgesprungen. Ich hatte zum Beispiel das Angebot, im Porsche Sports Cup zu fahren. Das hätte mich allerdings für eine Saison 200.000 Euro gekostet, daher hatte ich ohne ausreichendes Sponsoring keine Chance, diese Erfahrung zu machen.

Auch im Tourenwagen sammelte Jana Stier bereits Erfahrungen. 2022 werden weitere Testfahrten hinzukommen.
Auch im Tourenwagen sammelte Jana Stier bereits Erfahrungen. 2022 werden weitere Testfahrten hinzukommen. (Bild: Privat)

Ein Leben ohne Motorsport? Ohne Jana!

Angenommen du verlässt den Kart-Sport. Was glaubst du, wohin dich dein Weg führen könnte?

Dann würde ich mich in einem Tourenwagen sehen. Ich finde das interessanter, als den Formel-Sport.

Jetzt steht allerdings erst einmal die neue Kart-Saison an. Wie lautet dein Ziel für das Jahr 2022?

Ich möchte den Titel in der Rotax DD2 National gewinnen. Das würde gleichzeitig die Teilnahme an den Rotax Max Grand Finals im Dezember bedeuten. Es wäre ein Traum, da dabei zu sein! Außerdem stehen noch Testfahrten in einem Tourenwagen an, worauf ich mich auch total freue!