Fragen & Antworten Kampfpanzer-Debatte: Blicke sind auf Deutschland gerichtet

Die internationale Sorge über das Zögern von Bundeskanzler Olaf Scholz in der Panzerfrage ist zuletzt immer größer geworden.
Die internationale Sorge über das Zögern von Bundeskanzler Olaf Scholz in der Panzerfrage ist zuletzt immer größer geworden. (Bild: Michael Kappeler/dpa)

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Ist Kanzler Scholz in der Debatte über Kampfpanzer für Kiew kluger Steuermann oder Bremsklotz? Der Ukraine läuft womöglich die Zeit weg, und Deutschland sähe dann sehr schlecht aus.

Berlin (dpa) – Im Streit um die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine will die polnische Regierung jetzt eine Entscheidung herbeiführen. Der angekündigte Antrag auf Liefergenehmigung setzt die Bundesregierung vor den Augen der Verbündeten unter Zugzwang.

Erstmal nichts zu entscheiden und ein Gesuch wochenlang abhängen lassen – wie von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch im vergangenen Jahr im Fall Estlands und der Haubitzen aus DDR-Altbeständen praktiziert – scheint keine Option.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat angekündigt, notfalls auch ohne Zustimmung Deutschlands Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern. Wenn es mit Deutschland keine baldige Einigung gebe, werde Polen mit anderen Ländern eine «kleinere Koalition» bilden. Darum geht es:

Warum fordert die Ukraine den Leopard so dringend ein?

Vom ersten Kriegstag an hat die Ukraine russische Angreifer mit ihren militärischen Fähigkeiten überrascht. Der russische Vormarsch wurde gestoppt und auch zurückgedrängt. Aber Russland baut Kräfte für einen neuen Vorstoß auf, bei dem die Ukraine schwere Verluste erleiden oder weitere Gebiete verlieren könnte. Der frühere Nato-General Hans-Lothar Domröse erwartete im «Spiegel»-Gespräch «eine fürchterlich blutige Frühjahrsoffensive». Oder wie es Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Sonntag der Nachrichtenagentur PAP sagte: «Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Ukraine ausblutet. Die Ukraine und Europa werden diesen Krieg gewinnen – mit oder ohne Deutschland.»

Welche Kampfpanzer hat die Ukraine bisher?

Die Ukraine hat sich seit der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 mit Unterstützung aus der Nato auf eine militärische Auseinandersetzung mit Russland vorbereitet. Aus Altbeständen verfügt sie über Hunderte Schützenpanzer sowie Kampfpanzer aus sowjetischer Entwicklung, ältere wie den T-72 oder den T-80 und auch das Folgemodell T-90 – als Beute-Panzer, von russische Truppen zurückgelassen. In der ersten Phase des Krieges haben Staaten wie Tschechien, Polen und die Slowakei der Ukraine ihre eigenen Altbestände zur Verfügung gestellt. Zugleich begann ein qualitativer Schritt nach vorn, indem die ukrainische Artillerie moderne westliche Raketenwerfer und die Panzerhaubitze 2000 erhielt.

Westliche Kampfpanzer – hier vor allem der Leopard – würden nun die Fähigkeit der Ukraine zur Offensive erhöhen, also zur Rückeroberung besetzter Gebiete. Diese Panzer sind vor allem in den moderneren Versionen dem russischen Gerät überlegen und können den Gegner im «Duell» vielfach zerstören.

Schafft die Bundesregierung noch eine rechtzeitige Lieferung?

Die Bundeswehr verfügte im vergangenen Jahr über 312 Leopard-2-Panzer, darunter aber kein einziges Modell der älteren Version Leopard 2A4, die nun für die Ukraine in den Blick genommen wird. Noch am ehesten verzichtbar für die Bundeswehr sind 19 Stück in der Version Leopard 2A5. Sie werden derzeit im Gefechtsübungszentrum zur «Darstellung gegnerischer Kräfte» genutzt, sollen bei Ausbildungen also den Feind darstellen. Fortlaufend wird geklärt, welche Folgefragen sich ergeben: Ausbildung, Ersatzteile, Munition. Kritiker im In- und Auslands warnen, dass der Ukraine die Zeit davonlaufen könnte.

Eine bittere Erfahrung dabei: In der Bundesregierung schien der Prozess der Entscheidung mehrfach als eigentliche Herausforderung verstanden worden zu sein. Es folgte allgemeines Erstaunen darüber, dass Entscheidungen auch in der Praxis umgesetzt werden müssen. Konkret: Woher genau beispielsweise die zugesagten 40 Marder-Schützenpanzer als deutscher Beitrag an die Ukraine kommen werden, ist noch nicht verkündet, während schon über Leopard-Panzer gerungen wird.

Gibt es noch andere Kampfpanzer?

Großbritannien hat schon angekündigt, den Challenger 2 an Kiew geben zu wollen. Für den Einsatz der Waffensysteme ist es aber von Vorteil, wenn das Gerät möglichst einheitlich ist. Für die Instandsetzung muss das Großgerät womöglich aus der Ukraine herausgefahren werden. So haben der Panzerbauer KMW und das deutsche Verteidigungsministerium ein Werkstattzentrum («Hub») im Grenzgebiet der Slowakei zur Ukraine aufgebaut, um Systeme wie die Panzerhaubitze 2000 nach dem Fronteinsatz zu reparieren und Verschleißteile auszutauschen.

Was kann man mit 14 Leopard-Panzern aus Polen und 14 britischen Challengern anfangen? Ist das mehr als Symbolpolitik?

Mit 14 Kampfpanzern ist in der Bundeswehr und den polnischen Streitkräften jeweils eine Kompanie ausgestattet. Sie wirken im Verbund mit Schützenpanzern und anderen Großwaffen. Es ist die Hoffnung und Forderung der ukrainischen Regierung, dass dies nur den Einstieg in eine umfangreichere Überlassung von womöglichen Hunderten Kampfpanzern sein könnte – oder anders gesagt auf ein Bekenntnis zur Verteidigungshilfe «whatever it takes» («was auch immer notwendig ist»).

Wie ist die Stimmung in Deutschland?

Eine mögliche Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine ist – so eine Umfrage – in der deutschen Bevölkerung umstritten. 46 Prozent der Befragten im aktuellen «Deutschlandtrend» für das ARD-«Morgenmagazin» sprechen sich dafür aus, fast ebenso viele sind dagegen (43 Prozent). Die verbleibenden 11 Prozent können oder wollen sich nicht festlegen. Vor allem im Osten Deutschlands sind die meisten Befragten dagegen (32 zu 59 Prozent).