Jugendherbergen in der Not

Max Molt von der Graf-Zeppelin-Jugendherberge Friedrichshafen blickt voll Hoffnung auf die kommende Saison.
Max Molt von der Graf-Zeppelin-Jugendherberge Friedrichshafen blickt voll Hoffnung auf die kommende Saison. (Bild: Privat)

Friedrichshafen/Ravensburg (le) – Die Pandemie macht den Jugendherbergen schon seit zwei Jahren zu schaffen – auch in unserer Region. Gruppenreisen und Klassenfahrten erteilen Absagen und eine Planbarkeit der Auslastung ist schwierig.

Nach Angaben des Landesverbandes gingen die Buchungen in Baden-Württemberg im Jahr 2020 um 75 Prozent zurück. Wie können die Juhes überleben und gibt es wenigstens Licht am Horizont? Wir haben bei der Graf-Zeppelin-Jugendherberge in Friedrichshafen und auf der Veitsburg in Ravensburg nachgefragt.

Juhes leisten Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung

Klassenfahrten und andere Gruppen machen den Großteil der Belegungen aus. Aber auch Familien und Einzelgäste sind eine sehr starke Gästegruppe, insbesondere in den Ferienmonaten und an den Wochenenden. „Jugendherbergen leisten mit ihren umfangreichen Teambuildings- und Erlebnisangeboten einen wesentlichen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung und sozial-emotionalen Stärkung von Kindern und Jugendlichen. Gerade in den letzten zwei schwierigen Jahren hat sich gezeigt, wie wichtig für die Gesellschaft Gemeinschaft, Beständigkeit und Werteorientierung sind. Themen, die die Arbeit des DJH Baden-Württemberg schon seit den letzten 100 Jahren prägen,“ so Max Molt, Assistent der Herbergsleitung.

Küchenpersonal ist schwer zu bekommen

Wie sieht es mit Kurzarbeit oder der Abwanderung von Mitarbeitern aus? „Bisher hat uns in Friedrichshafen glücklicherweise kein Mitarbeiter verlassen. Wir stehen in unserem Haus aber auch vor den branchenüblichen Personalproblemen, – insbesondere im Küchenbereich fehlen uns Mitarbeiter.“

Juhe auf der Veitsburg sucht dringend Personal

Auch bei Robert Steinseufzer, Herbergsleiter der Juhe Veitsburg Ravensburg, fehlt Personal. „Wir suchen aktuell händeringend Mitarbeiter für die Bereiche Küche/allgemeine Reinigung und müssen feststellen, dass der Markt im hauswirtschaftlichen Bereich nahezu „leergefegt“ ist. Wer Interesse hat, kann sich gerne melden.“

Die Juhe auf der Veitsburg bietet eine Traumsicht über Ravensburg und wird ab 1. April wieder mit Leben erfüllt.
Die Juhe auf der Veitsburg bietet eine Traumsicht über Ravensburg und wird ab 1. April wieder mit Leben erfüllt. (Bild: Daniela Leberer/Wochenblatt Media)

Lange Durststrecke liegt hinter den Juhes

Für das kommende Frühjahr sieht es mit Buchungen in der Juhe am Hafen gut aus. Molt: „Bis dahin ist es aber eine arge Durststrecke. Durch sehr flexible Stornierungsbedingungen (auch für Gruppen) sind bisher wenige Klassen für die kommende Saison abgesprungen.“ Aktuell gilt bei Übernachtungen die 2G-Regelung sowie eine FFP2-Maskenpflicht.

Am 1. April geht’s wieder los

Hoch über Ravensburg öffnen sich die Türen der Juhe erst wieder am 1. April. „Eine frühere Öffnung ist für uns nicht wirtschaftlich, da Musikvereine, Chöre etc. momentan keine Freizeiten unternehmen und internationale Austauschprogramm auf Eis gelegt sind. Natürlich fehlen auch bei uns die Klassenfahrten. Ab April ist die Buchungssituation wieder einigermaßen normal und mit den Jahren vor Corona vergleichbar,“ so Steinseufzer. Die Bodensee-Region wird erst ab den Osterferien für Kurzurlauber und Ausflügler immer richtig interessant.

Von einer Nacht bis zu zwei Wochen

In welchen Monaten ist normalerweise am meisten los und wie lange bleiben die Gäste im Schnitt? „Insbesondere die Sommermonate sind am Bodensee sehr stark. Die Schulklassen bleiben im Normalfall 4 Nächte (Montag bis Freitag). Bei den anderen Gästen schwanken die Zahlen stark. Von einer Nacht (Fahrradfahrer) bis zwei Wochen ist alles dabei. Im letzten Jahr lag die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei 2,6 Tagen/Besucher. Die Wochenenden in der Juhe sind dabei stark wetterabhängig. Hier entscheiden sich die Gäste oft spontan,“ weiß Molt.

Nur 100 m vom Bodensee entfernt liegt die Juhe am Hafen.
Nur 100 m vom Bodensee entfernt liegt die Juhe am Hafen. (Bild: Privat)

Kinder aus der Großstadt sind frecher

Schulgruppen freuen sich oft das ganze Jahr auf den Ausflug. Endlich ohne Eltern verreisen und die Lehrer können ja zum Glück ihre Augen nicht überall haben. Sind Hauptschüler denn braver als Gymnasiasten? Molt: „So pauschal kann man das nicht sagen. Die meisten benehmen sich gut… Es spielt eine große Rolle, ob die Schüler aus der Großstadt kommen oder aus einer ländlichen Schule. Je anonymer der gewohnte Lebensstil ist, desto problematischer sind die Kids.“

Weiter auf Unterstützung angewiesen

Die Bundes- und Landesregierung hat Jugendherbergen finanziell unterstützt, damit akute Liquiditätsprobleme besonders im Jahr 2020 gemildert werden konnten. Wie sieht es aktuell aus? Molt: „Die entgangenen Umsätze der letzten Jahre sind nicht nachholbar und wir sind weiter auf politische Unterstützung und die Solidarität unserer Mitglieder angewiesen.“

Für unter 30 Euro übernachten – mit Frühstück

In der Juhe in Friedrichshafen gibt’s eine Übernachtung im Mehrbettzimmer mit Frühstück bereits ab 28,50 Euro. Auf der Veitsburg-Juhe ist bei knapp 40 Euro die Halbpension dabei. Die Preise richten sich bei beiden immer nach der jeweiligen Zimmerausstattung

Wer schläft unten? Der Charme der Stockbetten ist nicht zu verachten. (Zimmerbeispiel RV)
Wer schläft unten? Der Charme der Stockbetten ist nicht zu verachten. (Zimmerbeispiel RV) (Bild: Privat)

Vom Bodensee in den Schwarzwald bis hinauf zur Burg

Gibt es ein Ranking unter den Jugendherbergen in Land? Molt: „Wir haben in unserem Verband in Baden-Württemberg zum Beispiel wunderschöne Jugendherbergen in alten Höfen im Schwarzwald, Burgen und Schlössern, aber auch tolle Neubauten wie beispielsweise in Heilbronn. Da hat jedes Haus seinen ganz eigenen Charme.“