Ist der Fairkauf schleckig und holt nur moderne Möbel ab?

Die Möbelpacker des Fairkauf müssen kräftig hinlangen. Trotzdem behalten Sie sich ihre gute Laune und sind freundlich.
Die Möbelpacker des Fairkauf müssen kräftig hinlangen. Trotzdem behalten Sie sich ihre gute Laune und sind freundlich. (Bild: Caritas)

Weingarten (le) – Keiner möchte so richtig an dieses emotionale Mammutprojekt ran und doch holt es die meisten von uns irgendwann ein: Das Ausräumen der elterlichen Wohnung oder eines nahen Verwandten. All die schönen Möbel und Sachen, die immer so liebevoll gepflegt wurden und hinter denen so viele Erinnerungen stecken, müssen raus. Aber wohin damit? Verkaufen, entsorgen oder verschenken – aber wem?

Mit dem nötigen Respekt und pietätvoll

Eine gute Anlaufstelle ist das Gebrauchtwaren-Kaufhaus Fairkauf der Caritas Bodensee-Oberschwaben. Hier werden laufend gut erhaltene Möbel, Küchen, Haushaltswaren, Bilder, Geschirr und auch Kleidung gesucht. Fachleiter Christopher Schlegel kennt die Emotionen, die bei den Betroffenen hochkommen, wenn eine Wohnung ausgeräumt werden soll.

„Unsere Möbelpacker werden extra geschult und begegnen den Dingen mit dem nötigen Wert und der entsprechenden Anerkennung.“ Wer schon einmal die muskelstarken Möbelpacker im Haus hatte weiß, dass sie ordentlich, schnell und sorgfältig arbeiten. Obendrauf haben sie für die Angehörigen noch ein nettes Wort übrig. Und doch gibt es hin und wieder Probleme.

Jeder hat ein Recht auf Wohnlichkeit

Caritas-Fachleiter Christopher Schlegel kennt die Probleme mit dem Möbelgeschmack nur zugute. Er ist immer bemüht, eine passende Lösung zu finden. Wenn Not am Mann ist, packt er auch schon mal selber mit an.
Caritas-Fachleiter Christopher Schlegel kennt die Probleme mit dem Möbelgeschmack nur zugute. Er ist immer bemüht, eine passende Lösung zu finden. Wenn Not am Mann ist, packt er auch schon mal selber mit an. (Bild: Caritas)

Immer wieder kursieren Gerüchte, dass der Fairkauf schleckig ist und nur besonders schöne Möbel abholt. Stimmt das?

„Das ist unfair. Man muss das Ganze sehen. Wir bekommen keinen Cent staatliche Zuschüsse – außer für Mitarbeiter. Alles steht und fällt mit einer Mischkalkulation und die beinhaltet auch Angebot und Nachfrage. Bei uns kaufen überwiegend Leute mit einem kleinen Geldbeutel. Finanziell schlecht gestellt zu sein heißt aber nicht automatisch, dass man kein Recht auf vorzeigbare Möbel hat.

Jeder möchte sich seine eigenen vier Wände so einrichten, dass er sich wohlfühlt,“ so Schlegel.

Es wird zu viel Dankbarkeit erwartet

Da wäre das Beispiel der Einrichtung Marke „Eiche rustikal“. Früher war dieser Stil der Renner. Man stellte sich riesige Schrankwände mit integrierter Hausbar, plus passender Eckbank und diversen Hängeschränken in die gute Stube. Alles war teuer, stabil und von guter Qualität – „was für’s Leben eben“. Aber heute, Jahrzehnte später, will niemand mehr diese Möbel, nicht mal geschenkt.

Die Nachfrage ist leider bei null

Ob auf Ebay, in Kleinanzeigen oder im Bekanntenkreis – die Resonanz liegt bei null. Da liegt es nahe, beim Fairkauf anzurufen – die holen doch alles kostenlos ab, freuen sich sicherlich über Omas Mobiliar und die Entsorgungsgebühr wird obendrauf gespart. Jetzt fehlt nur noch die dicke Portion Dankbarkeit der Leute, bei denen die Möbel ein neues Zuhause finden und jeder ist zufrieden. So einfach ist es aber nicht. „Wir behandeln die Dinge, die wir geschenkt bekommen mit dem nötigen Respekt aber der Glaube, dass die weniger gut situierten Leute doch froh sein sollen, wenn sie was geschenkt bekommen, entspricht nicht der Realität.“

Ladenhüter machen keinen Sinn

Damit das Kaufhaus nicht aus allen Nähten platzt und sich keine Ladenhüter stapeln, trifft der Disponent bereits am Telefon eine Vorauswahl. „Sicherlich sind bei einer Absage viele im ersten Moment enttäuscht, aber anders geht es leider nicht. Wir leben in einer Gesellschaft, in der immer weiter produziert wird, gute Möbel lange halten und die Speicher immer voller werden. Voller mit Sachen, die keiner mehr will.“

Groß, schön poliert und der Stolz vieler: Die Holzart „Eiche rustikal“ war neben Nussbaum in den 60er- und 70er Jahren der Renner. Heute allerdings sind die Schränke Ladenhüter, die keiner mehr will.
Groß, schön poliert und der Stolz vieler: Die Holzart „Eiche rustikal“ war neben Nussbaum in den 60er- und 70er Jahren der Renner. Heute allerdings sind die Schränke Ladenhüter, die keiner mehr will. (Bild: picture alliance / Norbert Schmidt | Norbert SCHMIDT)

Alles hat zwei Seiten

Eines gehört nun mal auch zur Wahrheit und gilt im Spendenbereich wie im täglichen Leben: „Wir können nicht mit einem Nullspiel rechnen. Für eine Esszimmergarnitur mit Abholung in Bad Waldsee beispielsweise ist ein Team mit zwei Mann im Laster zwischen 60 und 90 Minuten beschäftigt (ohne An- und Abfahrt). Über die Theke geht das Ganze dann für etwa 80 Euro. Die Fehlfahrten sind dabei gar nicht einkalkuliert. Was am Telefon blumig angeboten wird, sieht in der Realität oft anders aus.

Der Kundenstamm ist da

Modernere Möbel sind gefragter und gehen auch für einen höheren Preis weg. „Es kommt schon mal vor, dass uns jemand ein Rolf Benz Sofa oder eine wertvolle Antiquität spendet. Der Kundenstamm ist auf alle Fälle da. Wir legen großen Wert darauf, dass sich am Schluss der Kreis schließt. Vieles landet durch uns nicht unnötig auf dem Sperrmüll, wir führen es neuen Käufern zu und finanzieren am Ende mit den Überschüssen die Tafel.“

Ein Anruf klärt vieles

Der Fairkauf freut sich über viele Spender und ist dankbar über die angebotenen Waren. Es hat auch nicht jeder „Eiche rustikal.“ In vielen Wohnungen schlummern zudem unbeachtet Möbel, die aktuell niemand mehr braucht und die sich vielleicht über ein neues Zuhause freuen würden.

Endlösung Sperrmüll: Vieles landet hier unnötig. Der Fairkauf ist so gut es geht bemüht, neue Käufer für Möbel und sonstige Gegenstände zu finden. Am Ende wird mit den Überschüssen die Tafel finanziert.
Endlösung Sperrmüll: Vieles landet hier unnötig. Der Fairkauf ist so gut es geht bemüht, neue Käufer für Möbel und sonstige Gegenstände zu finden. Am Ende wird mit den Überschüssen die Tafel finanziert. (Bild: Pixabay)

Eine tariflich faire Entlohnung ist wichtig und liegt allen am Herzen

Ein weiteres Standbein des Fairkauf sind Dienstleistungen wie Transporthilfen, Haushaltsauflösungen oder Entrümpelungen. Wer Interesse hat, kann sich unverbindlich ein Angebot erstellen lassen. Derzeit arbeiten im Umzugsbereich 6 Mitarbeiter, davon 1 festangestellter Helfer, der als Langzeitarbeitsloser angefangen hat. Alle erhalten Lohn nach dem Caritas Tarifvertrag AVR. Aufgrund Qualifikation, Aufgabenzuschnitt, Betriebszugehörigkeit etc. gibt es Lohnunterschiede.

Lust zum Mitmachen?

Aktuell werden neue Mitarbeiter gesucht, die anpacken können. „Der Job kann ganz schön anstrengend sein, da nicht jedes Haus einen Aufzug hat,“ so Christopher Schlegel. Er weiß, wovon er redet. „Ab und zu arbeite ich einen Tag als Umzugshelfer mit,“ das schweißt zusammen. Die Tätigkeit ist abwechslungsreich, ein ehrlicher Beruf und man kommt mit vielen unterschiedlichen Leuten in Kontakt. „Mit etwas Glück bekommen die Mitarbeiter auch ein Trinkgeld.“

Mehr Infos gibt’s unter Telefon 0751 / 56 05 431. Näheres zum Faikauf unter www.caritas-bodensee-oberschwaben.de