In Riedlingen sorgen Pläne für weiteren Baumarkt für Zoff

Ein Kunde mit MNS Schutzmaske in einem Baumarkt während der Corona Pandemie / Symbolbild
Ein Kunde mit MNS Schutzmaske in einem Baumarkt während der Corona Pandemie / Symbolbild (Bild: picture alliance / JFK / EXPA / picturedesk.com | JFK)

In Riedlingen sorgt die mögliche Ansiedlung eines Hornbach-Compact Marktes für Aufregung. Der Gemeinderat fühlt sich nicht ausreichend informiert, weil er wohl ohne Vorbereitung mit einer Beschlussvorlage zu dem Thema konfrontiert wurde, zu dem er seit Jahren nichts mehr gehört hatte.

Zu einer Verschärfung der Situation trug nun Bürgermister Marcus Schafft bei. Auf seinem Facebook-Kanal „Bürgermeister im Gespräch“, thematisierte er das Thema und bat die Bürger*innen, quasi mit Daumen hoch oder runter, sich zu dem Thema Neuansiedlung von Hornbach zu äußern.

Aus Kreisen des Gemeinderates ist eine deutliche Kritik an der Vorgehensweise des Bürgermeisters zu vernehmen. Im Rat ist man über das urplötzliche Auftauchen des Baumarkt-Themas verwundert. Die Meinungsabfrage von Schafft über Facebook, sorgte für weiteren Zündstoff, Teile des Gemeinderates fragen sich, welchen Stellenwert der Bürgermeister ihrem Amt beimisst.

Wochenblatt hakt bei Schafft nach

Die Wochenblatt-Nachfrage, ob durch die Ansiedlung von Hornbach die Kaufkraftbindung in der Stadt gestärkt wird, oder ob eine Verdrängung von Bestandsbetrieben zu befürchten sei, beantwortete Schafft ausführlich: „Laut Gutachten der GMA ist eine Ansiedlung zulässig. Wir haben entschieden, den betroffenen Bestandsunternehmen die Gelegenheit zu geben, uns deren Zahlen für die Begutachtung durch die GMA aktuell und vorab, außerhalb des förmlichen Bauplanungsrechtlichen Verfahrens, vorzustellen. Dann werden wir das Gutachten überarbeiten und diesen Aspekt mit den aktuellen Werten betrachten.“

Bürgermeister Schafft links im Bild
Bürgermeister Schafft links im Bild (Bild: MK)

Auch zur Nachfrage, ob genügend Kaufkraft im Einzugsgebiet des Mittelzentrums Riedlingen vorhanden sei, äußerte sich das Stadtoberhaupt: „Wir haben ein Einzugsgebiet von deutlich über 50.000 Einwohnern für den Handel in Riedlingen. Das betrifft im Wesentlichen das Mancherloch! Diese Lage ist unser Magnet.

Im Ergebnis wird es in jedem Fall Verdrängung geben. Damit meine ich aber nicht notwendig innerhalb Riedlingens. Vielmehr geht es um unseren Standort in Konkurrenz zu umliegenden Handelsplätzen. Und wenn ich sehe, wo in den letzten Jahren Baumärkte entstanden sind, dann kann das ein Signal sein, dass wir mehr tun müssen. Frage kann dabei aber auch sein, ob das vorgesehene kompakte Konzept der Fa. Hornbach der erforderliche „Bringer“ ist. Das gilt es zu sehen.“

Breite Erörterung gefordert

Dipl. Kaufm. Christoph Selg, Geschäftsführer der Franz Selg Baumarkt & Baustoffe GmbH, hat als Betroffener eine differenziertere Sicht der Dinge: „Ich weiß, dass Hornbach mit dem Konzept „Hornbach Compact“, einer „Vermischung“ aus Stationär- und Online-Handel, mit einem eher eingeschränkten Präsenzsortiment, sich schon seit mehreren Jahren mit dem Standort in Riedlingen befasst. Dieses Konzept befindet sich aktuell wohl in der Entwicklungsphase. Weder ich noch Hornbach-Compact haben einen Anspruch darauf, dass die Entscheidungsträger in Riedlingen sich in eine bestimmte Richtung entscheiden. Ein solches Verfahren unterliegt rechtlichen Regelungen, unter anderem auch im Hinblick auf Beeinträchtigung, Kongruenz und Integration. Ich erwarte, dass die Entscheidung sich streng nach diesen Vorgaben richtet. So ist für mich gewährleistet, dass am Ende eine sachlich fundierte Entscheidung zu Stande kommt. Natürlich wünsche ich mir in diesem Verfahren einen intensiven, sachlichen Austausch mit den Entscheidungsträgern. Der Ansiedlungswunsch, Hornbach betrifft ja nicht nur mich, insofern halte ich eine breite Erörterung für notwendig.“

Christoph Selg
Christoph Selg (Bild: MK)

Verdrängung befürchtet

Selg verweist auf das klar umrissene Marktgebiet, das sich auch durch die Ansiedlungen von Hornbach-Compact nicht spürbar verändern wird. Sein Fazit: „Die Umsatzerwartung von Hornbach-Compact, werden sich zu einem klar überwiegenden Teil aus den Umsätzen der Firma Selg speisen. Dies wird auch in dem GMA-Gutachten, welches im Auftrag der Stadt Riedlingen im Jahr 2017 erstellt wurde, exakt so bestätigt. Daraus ist deutlich ableitbar, dass der potenzielle Erfolg von Hornbach-Compact hier ausschließlich auf Verdrängung beruht – der Verdrängung der Firma Selg.“

Hier sieht Selg die Stadt vor der Entscheidung, ob sie den seit fast 40 Jahren am Standort befindlichen Vollsortimenter durch einen Konzept-Baumarkt ersetzt, der sich noch in der Erkundungsphase befindet.

„Was braucht Riedlingen wirklich“

Selg betont, dass er bei solch gravierenden Fragestellungen immer Gespräche suchte, um nach tragfähigen Konsenslösungen zu finden. Es geht, so Selg, sicher um ein sehr emotionales Thema und schlägt vor: „Wir sollten deshalb gemeinsam bemüht sein, dieses Thema in aller Sachlichkeit und zielführend unter dem Aspekt ‚Was braucht Riedlingen wirklich“ gemeinsam abarbeiten. Diese Frage sollte in aller Ruhe erörtert werden und einer guten Lösung zugeführt werden.“

Josef Röll, Handelsreferent der IHK Ulm, kann eine zusätzliche Kaufkraftbindung durch einen Hornbach-Compact Markt nicht einschätzen: „Jedes Geschäft das Umsatz generiert, stärkt natürlich die Kaufkraftbindung. Ich habe noch keinen Hornbach-Compact-Baumarkt gesehen und kann daher dieses Projekt nur schwer einschätzen. Mit 1.500m² ist es ein weit unterdurchschnittlich großer Baumark. Das bedeutet also Einschränkungen im Sortiment.

Konfliktstellung von Schafft entschärft?

Mittlerweile ist wohl auch Schafft die Sache zu heiß geworden. Auf Facebook ist jetzt zu lesen: „Hinweis in eigener Sache: Den Beitrag ‚Riedlingen. Wirtschaftsstandort …. alles andere als langweilig. Wie ist Ihre Meinung brauchen wir einen Hornbach?“ hat nach Form und Inhalt Irritationen im politischen Raum und bei Betroffenen ausgelöst. Das war nicht meine Intention und ich entschuldige mich gerne dafür, den Empfängerhorizont dieser Gruppe offensichtlich nicht ausreichend beachtet zu haben.“

Kommentar des Redakteurs

Schafft führt den Gemeinderat vor

„Bürgermeister im Gespräch“ ist nicht das schlechteste Motto für einen Wahlbeamten, der sich volksnah zeigen will. Dies garantiert kurze und, für technikaffine Bürger, weitgehend barrierefreie Wege zum Austausch mit ihrem Schultes. Doch jedes Ding hat seine zwei Seiten und die zweite, eher unerfreuliche Seite der Medaille, erlebt Riedlingens Bürgermeister Marcus Schafft aktuell.

Die Frage ist nicht, ob ein weiterer Baumarkt in Riedlingen entsteht, sondern die Frage, ob dies sauber und korrekt geschieht. Offensichtlich war das „Ding“ vor Jahren letztmals Gesprächsthema im Gemeinderat. Nun taucht es urplötzlich, wie „Phönix aus der Asche“, wieder im Gremium auf. Was ist in den vielen Monaten seit der letzten Besprechung im Gemeinderat hinter den Kulissen passiert? Das wüssten sicher auch die Gemeinderäte gerne, die selbst auf mehrfaches Nachfragen zum Thema keine substanziellen Auskünfte geben konnten.

Noch erstaunlicher ist der Winkelzug, den das Stadtoberhaupt dann eingeschlagen hat. Auf Facebook „verkaufte“ er einen Hinweis in eigener Sache. Mit „Riedlingen Handelsstandort – alles andere als langweilig“, bat er um Abstimmung über „braucht es einen Hornbach?“ Mit Daumen nach oben (ja) und Daumen runter (nein) forderte er die Nutzer auf, quasi „abzustimmen“. Dies ist starker Tobak, weil er damit den Rat der Stadt in einer wichtigen Frage nicht nur übergeht, sondern ihn auch noch bloßstellt. So geht das nicht.

Nach der Gemeindeordnung im Ländle, ist der Gemeinderat das beratende und beschließende Gremium. Es nach Gutdünken mit Abstimmungen auf Facebook unter Druck zu setzen, ist mehr als fragwürdig. Wer soll überhaupt noch bereit sein, sich bei einer Kommunalwahl aufstellen lassen, wenn er Gefahr läuft, vom Bürgermeister derart vorgeführt zu werden? Der Eintrag auf Facebook war dem Beschlussorgan gegenüber nicht korrekt, dieser verdient seitens des Bürgermeisters ebenso viel Respekt, wie er es umgekehrt einfordern kann.

Mittlerweile hat auch Schafft erkannt, dass er deutlich über das Ziel hinausgeschossen ist. Auf Facebook entschuldigt er sich nun. Das ist honorig, auf seine dabei kryptischen Worte hätte er dabei allerdings verzichten können.