„Ich mache mir Sorgen um den Fortbestand unseres Berufsstandes“

Martina Magg-Riedesser will dazu beitragen, dass die Landwirtschaft eine Zukunft hat
Martina Magg-Riedesser will dazu beitragen, dass die Landwirtschaft eine Zukunft hat (Bild: Privat)

Martina Magg-Riedesser (Achstetten) engagierte sich schon in der Landjugend und später als Landfrau für die Belange der Landwirtschaft. Bei vielen Aktionen war sie vor Ort und suchte das Gespräch mit den Verbrauchern.

Mit Sorge sieht sie die Entwicklung der Landwirtschaft, der es aus verschiedenen Gründen nicht mehr möglich ist, die Versorgung der Bevölkerung zu 100 Prozent (45 Prozent bei Schweinen) sicher zu stellen. Die zunehmende Abhängigkeit von den im Ausland erzeugten Lebensmitteln bereitet ihr nicht nur Kopfzerbrechen, sie kann diese wohl gewollte Entwicklung nicht nachvollziehen.

Um an positiven Veränderungen mitzuwirken, stellte sich Magg-Riedesser vor einigen Monaten bei den Vorstandswahlen des Kreisbauernverbandes zur Wahl und wurde zur Ersten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Mit diesem Interview stellen wir diese Landfrau vor.

Frau Magg-Riedesser, könnten Sie sich bitte persönlich vorstellen?

Mein Name ist Martina Magg-Riedesser, 55 Jahre alt, verheiratet, zwei erwachsene Söhne

… und ihren Betrieb?

Wir bewirtschaften einen Ackerbaubetrieb mit Schweinemast und Bioenergie in Achstetten.

Haben Sie weitere Betriebszweige?

Wir trocknen einen Teil der Gärreste und stellen einen hochwertigen Dünger in Form von Pellets her. Außerdem produzieren wir mit Photovoltaikanlagen regenerativen Strom, den wir auch selbst nutzen.

Mir ist es außerdem ein Anliegen, Menschen Landwirtschaft näher zu bringen, denn viele wissen nicht mehr, woher ihre Nahrungsmittel überhaupt kommen. Aus diesem Grund biete ich für Schulklassen und deren Lehrer/innen das Projekt Lernort Bauernhof an.

Wie sehen Sie die Zukunft der Landwirtschaft?

Die momentane Lage in der Landwirtschaft ist sehr ernst. Weder bei Milch- noch bei Fleischproduktion ist derzeit eine kostendeckende Produktion möglich. Wir sind, wie alle anderen, ebenfalls von der Kostensteigerung im Energiesektor sowie anderen Rohstoffen betroffen. Konkret sind hier Kraftstoffe für die Maschinen, Strom für Fütterung und Lüftung, Futtermittel sowie Düngemittel zu nennen, die in letzter Zeit extrem teurer geworden sind. Düngemittel haben beispielsweise ihren Preis in den letzten Monaten verdreifacht! Gleichzeitig ist der Markt für Schweinefleisch seit über einem halben Jahr eingebrochen, bis zu einem absoluten Tiefpunkt von 1,20€/kg Schlachtgewicht, bei dem sich der Preis eingependelt hat. Bei jedem Schwein legt ein Schweinehalter aktuell ca. 40 € drauf.

Wie können höhere Einkünfte/Erträge generiert werden?

In der konventionellen Landwirtschaft können die Preise durch langfristige Verträge mit Lebensmitteleinzelhändler oder Schlachtbetrieben stabilisiert werden. Für höhere Qualitätsstandards bieten spezielle Programme wie z.B. die Initiative Tierwohl einen besseren Preis an, um den Mehraufwand zu honorieren.

Für manche Betriebe kann auch der Umbau auf Haltestufe 3 (offene Haltung mit Stroheinstreu) und 4 (Bio) eine lohnenswerte Alternative darstellen. Bei diesen Programmen werden mindestens 10-jährige Verträge aufgesetzt, um die Investitionen am Anfang auf eine solide finanzielle Grundlage zu stellen.

Insgesamt gesehen können diese Programme die schlechte finanzielle Situation in vielen landwirtschaftlichen Betrieben jedoch nicht ausgleichen.

Worin sehe Sie die größten Bedrohungen für den Beruf?

Obwohl unsere landwirtschaftlichen Nachwuchskräfte top ausgebildet sind, mache ich mir die größten Sorgen um den Fortbestand des Berufs. Die Bürokratie droht uns zu ersticken. In den letzten Jahren kamen eine neue Düngeverordnung, die Tierschutznutztierhaltungsverordnung und in Baden-Württemberg das Biodiversitätsstärkungsgesetz (Vielfalt der Ökosysteme, der Arten und genetische Vielfalt innerhalb der Arten) um nur einige zu nennen. Alle diese Verordnungen erfordern eine ausführliche Dokumentation, die für uns Mehrarbeit bedeutet. Das kommt zu der normalen Arbeitsbelastung von ca. 70 Stunden dazu. Gleichzeitig machen die ständig wechselnden politischen Entscheidungen eine langfristige Planung unmöglich.

Bei ausufernder Bürokratie, undankbaren Arbeitszeiten, fehlender Planungssicherheit und geringem Einkommen überlegt sich jeder zweimal, ob er/sie wirklich Landwirt/in werden möchte.

Was wünschen Sie sich von den Verbrauchern?

Die meisten Verbraucher sehen die Landwirtschaft heute kritisch und verantwortlich für viele Missstände. Ich würde mir wünschen, dass sie sich mehr mit der Situation der Landwirte auseinandersetzen. Wir sind einem ständigen Wandel der Gesellschaft ausgesetzt und können nicht jedes Jahr einen neuen Stall bauen! Selbstverständlich sind wir dazu bereit noch mehr Umweltschutz und Tierwohl umzusetzen – umsonst geht das aber nicht! Die regionale Produktion hochwertiger Lebensmittel nach den höchsten Standards muss honoriert werden. Ganz zu schweigen davon, dass durch unsere Arbeit die Kulturlandschaft erhalten wird.

Was bewog Sie zum ehrenamtlichen Engagement beim Kreisbauernverband?

Schon seit meiner Landjugendzeit habe ich mich im Bauernverband engagiert. Für mich war es schon immer ein Anliegen den Menschen die Landwirtschaft näher zu bringen und ihnen zu zeigen, wie Landwirtschaft funktioniert – egal ob auf dem eigenen Hof oder bei Vorträgen. Außerdem ist es wichtig bei politischen Entscheidungen die Sichtweise des Berufsstands darzulegen. Schließlich soll es auch in Zukunft noch junge Menschen geben, die sich für einen landwirtschaftlichen Beruf begeistern. Denn trotz all den negativen Dingen gibt es keinen Beruf, der so vielfältig und interessant ist wie die Landwirtschaft.