Hoffnung auf Corona-Lockerungen – Impfpflicht wird konkreter

Eine Frau wird im Impfzentrum Berlin-Tegel gegen das Coronavirus geimpft.
Eine Frau wird im Impfzentrum Berlin-Tegel gegen das Coronavirus geimpft. (Bild: Fabian Sommer/dpa)

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Abgebremst sind die massenhaften Corona-Ansteckungen noch nicht. Aber die Politik macht Hoffnungsschimmer aus – und will darauf reagieren. Auch im Ringen um eine allgemeine Impfpflicht tut sich etwas.

Berlin (dpa) – Nach wochenlang steigenden Corona-Infektionszahlen in Deutschland kommen bundesweite Lockerungen bei Alltagsbeschränkungen konkret auf die Agenda.

Die wissenschaftlichen Prognosen zeigten, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle in Sicht sei, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag im Bundesrat. «Das erlaubt uns, beim Bund-Länder-Treffen nächste Woche einen ersten Öffnungsschritt und dann weitere für das Frühjahr in den Blick zu nehmen.» Genauere Angaben machte er vorerst nicht. Die beschlossene erste Impfpflicht für Personal in sensiblen Einrichtungen kann nach grünem Licht des Bundesverfassungsgerichts wie geplant Mitte März greifen. Für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren liegt nun ein Gesetzentwurf vor.

Scholz betonte mit Blick auf mögliche Öffnungen, man werde sich wie bisher von wissenschaftlichen Expertisen leiten lassen. «Denn wir wollen unseren Erfolg jetzt nicht aufs Spiel setzen.» Zu konkreten Ansatzpunkten hielt sich die Regierung vorerst bedeckt. Es gehe nicht darum, alles auf einmal aufzumachen, sondern um ein gestaffeltes Vorgehen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Über eine Vielzahl von Ideen sei zu diskutieren. Dann werde es hoffentlich am kommenden Mittwoch «einen klugen Fahrplan geben», sagte er mit Blick auf die Beratungen von Scholz mit den Ministerpräsidenten.

Öffnungsperspektiven entwickeln

Bund und Länder hatten bei der jüngsten Corona-Runde Ende Januar noch beschlossen, dass weitreichende Beschränkungen wie Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene (2G) vorerst bleiben sollen. Es wurde aber auch schon grundsätzlich angekündigt, Öffnungsperspektiven für den Moment zu entwickeln, «zu dem eine Überlastung des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden kann». Aus den Ländern sind bereits Rufe nach Lockerungen laut geworden – insbesondere nach einem Wegfall der 2G-Regel im Einzelhandel. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte wiederholt davor gewarnt, zu schnell zu lockern.

Die offiziellen Fallzahlen könnten sich allmählich einem Plateau nähern. Erstmals seit Ende Dezember meldeten die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut weniger neue Fälle pro Tag als am gleichen Tag der Vorwoche: nun 240.172 nach 248.838 am Freitag vergangener Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 1472,2 nach 1465,4 gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und sieben Tagen am Vortag. Es ist schwer zu sagen, ob die Zahlen das reale Geschehen widerspiegeln oder es Effekte eines überlasteten Melde- und Testsystems gibt. Der Modellierer Dirk Brockmann sagte im Deutschlandfunk: «Der Verlauf dieser Omikron-Welle scheitelt jetzt, und wir rechnen damit, dass dann die nächsten Tage das Maximum erreicht ist.»

Entwurf für Corona-Impfpflicht

Die Vorschläge für eine allgemeine Corona-Impfpflicht ab 18 Jahren nehmen unterdessen konkrete Formen an. Sieben Bundestagsabgeordnete von SPD, Grünen und FDP legten am Freitag einen Entwurf für ein «Gesetz zur Aufklärung, Beratung und Impfung aller Volljährigen gegen SARS-CoV-2» vor. Demnach sollen die Krankenkassen zunächst bis 15. Mai alle Erwachsenen persönlich kontaktieren und über Beratungs- und Impfmöglichkeiten informieren. Ab 1. Oktober müssen dann alle Erwachsenen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland Nachweise über drei Impfungen oder als Genesene haben und sie auf Anforderung vorlegen – bei Behörden oder der Krankenkasse.

Bürgerinnen und Bürger, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, sowie Frauen zu Beginn der Schwangerschaft sollen ausgenommen sein. Das Gesetz soll bis 31. Dezember 2023 befristet sein. Die Bundesregierung soll die Wirksamkeit bis dahin alle drei Monate überprüfen und dem Bundestag darüber berichten. Der Vorschlag stammt von den SPD-Abgeordneten Dirk Wiese, Heike Baehrens und Dagmar Schmidt, den Grünen Janosch Dahmen und Till Steffen sowie Katrin Helling-Plahr und Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP.

Sie erklärten: «Wenn wir warten, bis die nächste Infektionswelle in Sichtweite ist, ist es für vorausschauendes Handeln zu spät.» Dann ließen sich die Bevölkerung und das Gesundheitssystem wieder nur mit einschränkenden Maßnahmen schützen. «Freiheit für alle geht nur mit Solidarität von allen.»

Gegen-Initiative von Kubicki

Der Bundestag soll nach Plänen der Ampel-Koalition ohne sonst übliche Fraktionsvorgaben über eine mögliche Regelung entscheiden. Daneben gibt es eine Initiative einer Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki gegen eine allgemeine Impfpflicht. Eine Gruppe um den FDP-Politiker Andrew Ullmann arbeitet an einem Vorschlag für einen «Mittelweg»: Mit Beratungsgesprächen für alle volljährigen Ungeimpften und – wenn nach gewisser Zeit die nötige Impfquote nicht erreicht ist – einer Pflicht zum Nachweis einer Impfung ab 50 Jahren. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte am Freitag im ZDF: «Wir werden den Zeitplan einhalten, also am Ende dieses ersten Quartals eine Entscheidung treffen.»

Union schlägt Impfregister vor

Die Union schlug zunächst den Aufbau eines Impfregisters vor. Man setze auf Augenmaß, sagte der gesundheitspolitische Fraktionssprecher Tino Sorge (CDU). Die Pläne für eine Impfpflicht ab 18 oder ab 50 seien Scheinlösungen, die im Bundestag keine Mehrheit finden würden. «Was wir aber jetzt unbedingt brauchen, ist ein Register», sagte der CDU-Abgeordnete und frühere Berliner Justizsenator Thomas Heilmann. In einem Antrag soll die Regierung aufgefordert werden, ein Gesetz dafür zu erarbeiten. Zudem solle es einen «gestuften Impfmechanismus» geben, den Bundestag und Bundesrat bei verschärfter Pandemielage in Kraft setzen könnten. Dieser könnte dann auch eine Impfpflicht vorsehen, aber nur für gefährdete Bevölkerungs- und Berufsgruppen.

Verfassungsgericht: Pflege-Impfpflicht kann starten

Inmitten heftigen Streits um die schon bestehende erste Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal gab das Bundesverfassungsgericht grünes Licht für die geplante Umsetzung Mitte März. Die Richterinnen und Richter lehnten es im Eilverfahren ab, die Vorschriften vorläufig außer Kraft zu setzen. Damit ist noch nicht über die vielen Verfassungsbeschwerden entschieden.

Das von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz sieht vor, dass Beschäftigte in Pflegeheimen, Kliniken und weiteren Einrichtungen bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen. Die CDU hatte mit Verweis auf ungeklärte praktische Fragen ein Aussetzen der Impfpflicht gefordert, Bayern hatte einen entsprechenden Schritt angekündigt.