Ein Interview über Gestank, Anerkennung und Benefits Heimliche Helden: So arbeiten unsere Müllmänner

Heimliche Helden: So arbeiten unsere Müllmänner
Sympathische Männer mit Muskeln: Fahrer Marco Deetz (li.) und sein Lader Daniel Vogel. (Bild: Daniela Leberer)

Während manch einer schon keinen Bock hat, den eigenen Biomüll runterzubringen, gibt es Menschen, die sich jeden Tag um die Müllberge unserer Gesellschaft kümmern. Und damit einen verdammt wichtigen Job machen. Wir haben mit zwei Müllmännern der Firma Veolia über Gestank, Pöbeleien aber auch die Vorteile ihrer Arbeit gesprochen.

Die Sonne knallt vom Horizont und das Thermometer schnellt schon frühmorgens in die Höhe. Sie sind mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs und bekommen eine Geruchssalve ab, die ihnen fast die Luft zum Atmen nimmt. Der erste Gedanke: Das kann nur die Kanalisation sein. Weit gefehlt. Das ist der unbarmherzige Gestank, den Biomüll im Sommer verströmt und der von vielen fleißigen Müllmännern Tag für Tag vor unserer Haustür abgeholt wird.

Dreck und Gestank als täglicher Begleiter

Jeder braucht sie und nur wenige wollen den Knochenjob selbst machen: Die Müllmänner. Dreck und Gestank sind ihre täglichen Begleiter. Und was machen wir? Wir hupen mit dem Auto, wenn die Männer in oranger Arbeitskleidung nicht schnell genug den Weg wieder frei machen oder fahren mit dem Rad so knapp an ihnen vorbei, dass sie fast auf dem Lenker landen.

Hupende Autofahrer

„Ungeduldige Autofahrer sind unser tägliches Übel. Besonders in Innenstädten wie beispielsweise Ravensburg ist jede Tour täglich eine neue Herausforderung. Es wird gehupt, geschimpft und manchmal auch lebensgefährlich überholt. Ein Müllauto hat eben einen großen Wenderadius und die Gassen sind eng,“ so Fahrer Marco Deetz. Er und sein Lader Daniel Vogel sind ein eingeschworenes Team und müssen sich ohne Worte aufeinander verlassen können.

Dickes Fell gegen Verständnislosigkeit der Bevölkerung

Deetz ist 55 Jahre alt und seit 7 Jahren der König des 26-Tonners. Er hat sich nach eigener Aussage im Laufe der Jahre ein richtig dickes Fell zugelegt. Seine Fahrkünste werden täglich aufs Neue gefordert. „Wir können nicht für jeden Autofahrer, der nur schnell vorbeifahren will, auf die Seite fahren. Da würde unsere Tour nie enden, denn in zwei Minuten stehen wir vor derselben Situation. Was den meisten Menschen fehlt, ist eine kleine Portion Verständnis für uns.“

Fahrradfahrer sind wie unberechenbare Raketen

Für Müllmann Daniel, der hinten auf dem Wagen steht und bei dem jeder Handgriff sitzt, sind Fahrradfahrer der Horror. „Du näherst dich den Mülltonnen, dann schießen wie aus dem Nichts und ohne Vorankündigung Fahrradfahrer wie Raketen an dir vorbei. So schnell kann man fast nicht reagieren – und immer wird rechts überholt. Das ist doch Wahnsinn.“

Die Fahrer müssen höllisch aufpassen

Passiert denn oft was? „Dafür, dass wir täglich auf den Straßen und in unzähligen Wohngebieten unterwegs sind, passieren wenig Unfälle. Wir passen aber auch höllisch auf. Die Autofahrer sollten das Kräftemessen mit mir vermeiden, denn mit meinem 26-Tonner gewinne sowieso ich,“ so Deetz mit einem Grinsen im Gesicht.

Biomüll als Feuerprobe für Neulinge

Und dann wäre da noch der unverkennbare Geruch des Biomülls im Sommer. „Da muss man durch, da hilft alles nichts,“ so das Team. „Ein Bestatter hat mir mal eine spezielle Creme gegen den strengen Geruch empfohlen, aber davon habe ich eine Allergie bekommen. Also versuche ich im Sommer zwischen den Häusern zu laufen und nicht wieder auf den Wagen aufzusteigen. Das bringt ein bisschen frische Luft. Neulich fuhr mal ein neuer Kollege zur Probe mit. Der musste sich schon nach dem 5. Eimer übergeben und kam dann nie wieder.“

Trostpflaster für den Sommer

Hat der Arbeitgeber, die Veolia-Niederlassung in Bad Waldsee, denn wenigstens ein Herz für ihre Müllmänner, wenn der Planet sticht und die Duftwolken ziehen? „Da können wir zufrieden sein. Als Sommerbonus gibt’s öfters mal Gutscheine für die Tankstelle oder den Discounter, besondere Kühlkappen mit Kälte-Gel, Sonnencreme, ab und zu mal ein Grillfest und natürlich kostenfreies Wasser und Obst satt.“

Für den täglichen Vitaminschub im Sommer wird bei Veolia bestens gesorgt.
Für den täglichen Vitaminschub im Sommer wird bei Veolia bestens gesorgt. (Bild: Daniela Leberer)

Chic in der Modefarbe „orange“

Müllmänner werden komplett ausgestattet. Die Palette reicht von der luftigen Sommerbekleidung über dicke Winterjacken bis hin zu Schuhwerk, warmen Winterstiefeln, sowie dicken Mützen und Handschuhen. Für die regelmäßige Reinigung der Arbeitsmittel  sorgt ebenfalls der Arbeitgeber. Selbstverständlich gibt’s auch genügend Duschräume für die kühle Brause nach der Arbeit. „Wenn wir frisch geduscht sind, ist auch der Gestank aus den Poren und der Schatz zuhause riecht absolut nichts mehr,“ so Daniel Vogel.

Was sind die Voraussetzungen, die ein Müllmann mitbringen muss?

„Man muss wissen, dass unser Beruf unter dem Motto ´Keiner will uns, aber jeder braucht uns´ steht. So ist auch die Anerkennung unter der Bevölkerung. Man sollte drüberstehen, dass viele die Nase rümpfen, wenn sie uns sehen und die meisten sich wünschen, dass wir doch lieber bei Nacht auf leisen Sohlen den Müll holen sollten… Aber man braucht uns eben.“

Nicht jeder kann Müllmann werden

„Wichtig ist das technische Verständnis, eine körperliche Grundfitness, Kraft, Geduld und Geschicklichkeit,“ verrät Marco Deetz. Dazu muss man wissen, dass ein voller Biomülleimer mit 240 Litern schnell mal rund 150 Kilo auf die Waage bringt. Und im Durchschnitt werden pro Team rund 700 Mülleimer täglich bewegt.

Der Job ist absolut krisensicher

Eine Frage muss ich an Daniel Vogel noch loswerden: Sie sind 38 Jahre alt, ein richtig netter Kerl, gelernter Koch und jetzt ein Vierteljahr als Müllmann tätig. Da müssten doch viele Gastronomiebetriebe „hier“ schreien und Sie wären nicht jedem Wetter ausgesetzt? „Ja, dass schon, aber haben Sie sich mal Gedanken über die Arbeitszeiten und den Stress am Herd gemacht? Zudem werden die Zeiten in der Gastronomie nicht besser. Hier habe ich einen krisensicheren Job, der Verdienst passt, die Kollegen sind nett und der Feierabend wird meist gegen 14.30 Uhr eingeläutet. Im Moment bin ich zufrieden, das reicht fürs Erste.“

Ich brauche die Freiheit

Wie sieht es bei Marco Deetz aus? „Ich brauche die Freiheit in dem Job, eine Fabrik wäre nichts für mich. Wir können unsere Pausen individuell gestalten, sind unterwegs im Grunde unser eigener Herr und haben nach Feierabend noch viel Zeit für das Familienleben. Sicher müssen wir früh raus, aber ich bin zufrieden.“

Wer Lust hat, einfach mal probieren

Bei Veolia in Bad Waldsee gibt es 58 Fahrer und gleichviele Müllmänner (auch Lader oder Müllwerker) genannt. Viele Mitarbeiter sind schon an die 30 Jahre im Team. Wer Lust hat, das Team zu erweitern, kann gerne mal zum Probemitfahren kommen. „Wir hatten auch schon eine Müll-Lady, die sich versucht hat, aber ihr war die Arbeit dann doch zu schwer,“ so Deetz.

Was wünschen sich Müllmänner auf ihrer täglichen Tour?

„Dass die Leute die Rest- oder Biomülltonnen mit dem Griff zum Straßenrand rausstellen. Das wäre genial und würde viel Arbeit ersparen. Wenn dann noch jeder etwas mitdenkt und die Tonnen beispielsweise nicht immer hinter parkenden Autos verstecken würde, wäre es nahezu perfekt.“

Perfekt: Die Mülleimer immer mit dem Griff zum Straßenrand. Das spart Zeit beim Abholen.
Perfekt: Die Mülleimer immer mit dem Griff zum Straßenrand. Das spart Zeit beim Abholen. (Bild: Daniela Leberer)

Mitdenken als Anregung

„Ach ja – und wenn es in der Straße mal Baustellen gibt oder etwa die ganze Straße aufgerissen wird und kein Mensch mehr reinfahren kann, dann wäre es der Kracher, wenn die Mülltonnen ein paar Meter weiter an die nächste Straße gestellt würden. Der Anruf bei Veolia ´Ich habe meine Tonne wie immer an die Straße gestellt und die Müllmänner haben sie heute einfach nicht geleert` würde sich dann auch erübrigen…“ so Deetz.

Ein kleines Dankeschön wirkt Wunder

Daniel Vogel hat auch noch ein paar Wünsche: „Die Biomülleimer im Sommer manchmal einer kleinen Handwäsche unterziehen, wäre eine Freude. Und so ab und zu mal ein nettes Wort oder auch ein kleines „Danke“ wäre Balsam für die Seele. Denn wenn Betrunkene beispielsweise nachts die Mülltonnen umwerfen, sind wir diejenigen, die den Müll am nächsten Morgen, so gut es geht, einsammeln und trotzdem mitnehmen, obwohl wir nicht verpflichtet sind, ausgeleerten Müll einzusammeln.“

Müllmänner haben ein scharfes Auge

Für Müllmänner sind die Tonnen wie die Schafe für den Hirten. „Man hat ein Auge dafür, welcher Eimer fehlt. Öfters versucht man uns auch auszutricksen. Da verschläft einer und die Tonne kommt nicht pünktlich raus. Was ist das Ende vom Lied. Er ruft in unserer Zentrale an, macht auf dicke Hose, dass die Tonne natürlich schon am Vorabend rausgestellt wurde, aber eben nicht geleert.“

Die Tricks sind immer wieder dieselben

„Wir drehen dann im Grunde nach dem Ende unserer Tour nochmals eine Ehrenrunde und holen den Eimer, obwohl er zu 100 Prozent zuvor nicht am Straßenrand stand. Sicher entgeht dem Lader auch mal eine Tonne, aber diese Tricks sind steinalt…,“ weiß Deetz. „Wenn das öfters bei den gleichen Leuten vorkommt, fotografieren wir die Szene als Beweis.“

Exklusivtipps für den Winter

Jetzt braucht es aber noch einen Tipp von den Fachmännern für den leider öfter eingefrorenen Biomüll im Winter: „Den Eimer sauber waschen, trocknen und mit einem billigen Salatöl von Innen ausreiben, dann friert absolut nichts ein. Oder man legt eine leere Eierschachtel auf den Tonnenboden.“

Über eines ist sich das Team Deetz/Vogel einig: Die Anerkennung für ihren Knochenjob ist auf dem Land höher als in der Stadt. Vielleicht sollten wir uns alle diese Aussage mal zu Herzen nehmen, denn Müllmänner sind sooo wichtig.