Hebammen sehen sich in die Rolle als Sündenböcke gedrängt

"Gynäkologische Ambulanz" steht über einem Richtungspfeil auf einer Scheibe eines Klinikums. / Symbolbild (Bild: picture alliance/dpa | Annette Riedl)

Die SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH sorgten am Montag, 7. Juni, für einen Paukenschlag. Die Geburtsklinik Bad Saulgau wird „bis auf Weiteres“ nach Sigmaringen verlegt. Beschäftigte und politisch Verantwortliche in Bad Saulgau wurden mit dieser Entscheidung vor den Kopf gestoßen, zumal in der Klinik in Bad Saulgau 2020, mehr Geburten gezählt werden konnten als in Sigmaringen.

Dürr an Fakten war die Mitteilung zur „temporären Schließung“ der Geburtsklinik in Bad Saulgau: „Ab Donnerstag, 1. Juli 2021, wird die Geburtshilfe aus dem SRH Krankenhaus Bad Saulgau bis auf Weiteres in das SRH Krankenhaus nach Sigmaringen verlagert. Die Versorgung der werdenden Mütter wird so sichergestellt werden,“ teilten die SRH Kliniken mit.

Begründet wurde dies mit der sich zuspitzenden personellen Situation im SRH Krankenhaus Bad Saulgau auf der Geburtenstation. Fehlende medizinische Fachkräfte seien ein deutschlandweites Problem. Es sei den SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen nicht gelungen, Personal zu gewinnen.

Weil nun auch Leihhebammen nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung stünden, sei die Versorgung der Patientinnen in Bad Saulgau nicht mehr hinreichend gewährleistet. „Wir tragen Verantwortung für die Versorgung werdender Mütter, deshalb handeln wir jetzt“, so Geschäftsführer Dr. Jan-Ove Faust.

Hebammen sind sauer

Mit dieser Mitteilung stießen die Verantwortlichen der SRH Kliniken, ihr bisher motiviertes Team der Geburtsklinik offensichtlich ordentlich vor den Kopf. „Wir haben zuerst aus der Presse erfahren, dass unsere Geburtsklinik zugemacht wird“, beklagt eine der Betroffenen. Erst später seien Einzelgespräche erfolgt, bei denen die Teammitglieder eine sofortige Entscheidung über ihre weitere Tätigkeit treffen sollten.

Ausgebildeten Kinderkrankenschwestern wurden offensichtlich Stellen als Pflegekräfte angeboten. Deren Begeisterung, als gelernte Kraft in einem fachfremden Pflegeberuf tätig zu sein, hielt sich aber offenbar in überschaubaren Grenzen.

„Die SRH hat es jahrelang versäumt Rahmenbedingungen zu schaffen, um neue Kräfte zu gewinnen“, so eine Insiderin. Sie verwies darauf, dass andernorts mit Fahrtkostenerstattung, besseren Arbeitsbedingungen, Wohnraumbeschaffungen und einer Beteiligung an der teuren Hebammen-Haftpflicht um Personal gekämpft wird. „Solche Angebote, die den verantwortungsvollen Beruf attraktiver zu machen, gab es nie. Dafür wurden halt Leihhebammen eingestellt, deren Vertrag wohl auf den 30. Juni 2020 befristet waren“, war in Gesprächen zu hören.

Hebammen als Putzkräfte

2020 konnte das Team der Geburtsklinik Bad Saulgau fast 700 Geburten stemmen. Trotz der immensen Arbeitsbelastung hatten die Hebammen weitere, kaum nachvollziehbare Tätigkeiten zu verrichten. „Oft mussten wir den Kreißsaal selber putzen, Geräte warten, Medikamente bei der Apotheke bestellen und Wäsche einräumen. An ruhigen Tagen wurden wir zudem in der Notfall-Ambulanz oder Routine-Ambulanz eingesetzt“, so eine Betroffene.

Dass ihnen in der Pressemitteilung indirekt die Schuld an der Schließung der Bad Saulgauer Geburtsklinik zugeschoben wird, ärgert die Betroffenen ungemein, nicht zuletzt, weil der Klinikverbund mit wenig Aufwand viel Geld verdient hat, so eine Betroffene.

Alles schon gehabt

Die Geschehnisse erinnern fatal an die Vorgänge im Landkreis Biberach. In Riedlingen, wurde schon vor einigen Jahren die Geburtsklinik geschlossen. Profiteure waren die Geburtskliniken in Ehingen, Bad Saulgau und Sigmaringen. Das Gros der Gebärenden aus diesem Raum, begab sich nicht nach Biberach, sondern in die Geburtskliniken der benachbarten Klinik-Standorte.

Die Kommunikationsstelle der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen, beantwortete die Wochenblatt-Nachfragen mit großer Gelassenheit. „Wir haben unsere betroffenen Mitarbeiter*innen in Bad Saulgau, aber auch in Sigmaringen am Montag als Erste informiert“, so Barbara Koch von der Stabsstelle Kommunikation und Marketing.

Als Spekulation bezeichnete sie die Nachfrage, ob nicht die Gefahr bestehe, dass wie im Kreis Biberach die Gebärenden dann einen anderen Klinikstandort als Sigmaringen wählen könnten. „Dies sind Spekulationen, die keinen Erkenntnisgewinn oder Lösungsansatz für unsere aktuelle Situation des Personalengpasses bieten. Wir tragen die Verantwortung für die Versorgung werdender Mütter und deshalb handeln wir jetzt,“ so Koch.

Sind die Proteste aussichtsreich?

Auf Facebook gehen die Nutzer gegen die Schließung auf die Barrikaden. Auch die lokale Politik macht mittlerweile Front gegen die getroffene Entscheidung der SRH-Kliniken. Ob es noch etwas zu retten gibt ist ungewiss, die Gelassenheit von Koch und deren eindeutigen Antworten auf die Wochenblatt-Nachfragen, machen jedenfalls kaum Hoffnung. Es scheint, dass auch im Kreis Sigmaringen die Privatisierung der Gesundheitsvorsorge, ein kaum mehr gutzumachender Fehler der Lokalpolitik war.